Bedarf es der Vorlage einer Vollmacht, wenn ein Dritter einen Auskunftsanspruch nach Artikel 15 DSGVO für eine andere Person geltend macht? Darüber hatte das Oberlandesgericht Stuttgart zu befinden (OLG Stuttgart, Urt. v. 31.03.2021 – 9 U 34/21). Das Gericht hatte sich auch mit der Frage zu befassen gehabt, wer die Beweislast im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach der DSGVO trägt.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld. Die Beklagte ist die europäische Tochtergesellschaft eines Anbieters von Zahlungskarten. Sie schloss mit der Klägerin, die eine Mastercard nutzt, einen Vertrag über ein Bonusprogramm ab, bei dem Kunden durch den Einsatz der Kreditkarte Punkte sammeln und gegen Prämien einlösen konnten.
Infolge eines Hackerangriffs wurden personenbezogene Daten der Klägerin von Dritten abgegriffen und im Internet veröffentlicht. Im Vorfeld der Klage, mit der die Klägerin im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft begehrte, wurde zwischen den Parteien umfangreicher Schriftverkehr geführt. Die Beklagte lehnte eine Auskunft zunächst wegen Nichtvorlage einer Vollmacht des anwaltlichen Vertreters der Klägerin ab.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung zum OLG Stuttgart ein.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Stuttgart vertritt eindeutig und klar die Auffassung, dass eine Originalvollmacht vorliegen müsse, wenn ein Dritter einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO für eine andere Person geltend macht. Eine elektronische Übermittlung genüge hierbei nicht.
Der Prozessbevollmächtigte habe der Beklagten eine Originalvollmacht vorprozessual nicht vorgelegt. Die Beklagte wies daher den Auskunftsanspruch des Klägers unverzüglich zurück. Entgegen der Ansicht der Klägerin genüge die Vorlage eines „Signing Log“ über eine von der Klägerin elektronisch erfolgte Signatur nicht, so das OLG Stuttgart. Es könne dahinstehen, ob und welchen Anforderungen der von dem Klägervertreter verwendete Dienst genügt. Denn im Rahmen des § 174 BGB genüge nur die Vorlage einer Urkunde.
Weiter führte das Oberlandesgericht aus, dass unter den zivilrechtlichen Begriff der Urkunde keine elektronischen Erklärungen fallen. Vielmehr gehören dazu nur solche verkörperten Erklärungen, die ohne die Verwendung technischer Hilfsmittel lesbar sind. Nach § 126 Abs. 3 Hs. 2 BGB könne die elektronische eine Urkunde von Gesetzes wegen nicht ersetzen, abschließend das Gericht.
Das Gericht entschied im Streitfall ferner, dass es im Rahmen der Beweislast beim allgemeinen Grundsatz verbleibe. Danach habe der Anspruchsteller die Anspruchsvoraussetzungen vorzutragen und nachzuweisen. Ist jedoch ein Verstoß festgestellt, so helfe dem Geschädigten die Regelung in Art. 82 Abs. 3 DSGVO, wonach hinsichtlich des Verschuldens der Verantwortliche sich exkulpieren müsse. Anderenfalls sei von einem schuldhaften Verstoß auszugehen, meint das OLG Stuttgart.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist insoweit nachvollziehbar. Es begründet rechtlich zutreffend, dass eine Originalvollmacht in Form einer Urkunde vorgelegt werden müsse und elektronische Erklärungen nicht hierunter fallen.
Ferner spielt das Urteil insbesondere für die Geltendmachung von immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO eine wichtige Rolle. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Verfahren, in denen Kläger nach tatsächlichen oder vermuteten Verstößen gegen die DSGVO Schmerzensgeld geltend machen. Das OLG Stuttgart stellt mit seiner Entscheidung klar, dass die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast auch in Verfahren wegen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gelten.
Allerdings sollte im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung ein Umdenken in der Justiz stattfinden. Denn die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, sofern der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht (vgl. § 126a BGB). Im Einzelfall kann sich dann natürlich die Frage stellen, ob bei digitalen Signaturen eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt. Wird eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet, so ersetzt diese die handschriftliche Unterschrift. Demgemäß wäre auch eine digitale Vollmacht denkbar, sofern die Gerichte diesen Weg entsprechend mitgehen würden.
Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wird abzuwarten sein, welche Ansicht der Bundesgerichtshof zu den rechtlichen Fragestellungen vertreten wird. Die Revision wurde jedenfalls zugelassen und auch eingelegt.
Nachfolgend können weitere Informationen im Bereich des Informationstechnologierechts und des Datenschutzrechts nachgelesen werden: IT-Recht / Datenschutz.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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