Rücktrittsrecht wegen ungenauer Gesundheitsfragen durch CHECK24? (AG Helmstedt)

Sind die in auf einem Vergleichsportal gestellten Gesundheitsfragen solche des Versicherers? Darüber hatte das Amtsgericht Helmstedt  zu befinden. Ferner hatte das Gericht zu klären, ob die streitgegenständliche Gesundheitsfrage zu pauschal gehalten sei (AG Helmstedt, Urt. v. 23.02.2021 – 2 C 681/20).

Fehlerhafte Beantwortung der Gesundheitsfragen?

Die Klägerin hat für ihren Hund über das Vergleichsportal CHECK24 eine Tierversicherung (OP-Versicherung) abgeschlossen. Beklagter ist die R+V-Tochter Vereinigte Tierversicherung (VTV). Dabei wurde der Klägerin die Frage nach der Gesundheit des Hundes gefragt. Zur Verfügung standen lediglich zwei Antwortmöglichkeiten: “ja” oder “nein”.

Nachdem es dazu kam, dass der Hund tatsächlich operiert werden musste, weigerte sich der Versicherer die Tierarzt-Rechnung zu zahlen. Grund dafür war, dass der Hund schon an Vorerkrankungen litt. Die Klägerin habe ihre vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verletzt, indem sie mit “ja” angab, dass ihr Hund gesund sei. Gegen diese Leistungsablehnung richtet sich nunmehr die Klage der Hundehalterin.

Die Entscheidung des AG Helmstedt

Die Klage vor dem AG Helmstedt hatte Erfolg. Das Gericht habe nicht erkennen können, dass die Klägerin die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt habe. Die Gesundheitsfragen seien nämlich unkonkret und missverständlich.

Die Frage, “ob Seppel gesund ist”, sei nach Auffassung des Gerichts derart allgemein gehalten, dass eine bloße Antwort mit “ja” oder “nein” schwer möglich sei. Es habe dem beklagten Versicherer freigestanden konkretere Fragen nach Krankheiten, zurückliegender Operationen oder auch ausgestandenen Beschwerden des Hundes zu stellen. Dies sei jedoch vorliegend nicht geschehen. Vielmehr habe sich der beklagte Versicherer mit dem pauschalen Begriff der Gesundheit begnügt.

Wer hat die Gesundheitsfragen hier gestellt?

Ferner sei auch fraglich, ob die Klägerin die ihr gestellte Gesundheitsfrage als eine solche des beklagten Versicherers überhaupt erkennen konnte. Gemäß dem § 126b BGB müsse die Person des “Erklärenden” genannt sein. “Erklärender” in diesem Sinne sei im Rahmen des § 19 VVG nicht der Versicherungsnehmer, sondern der Versicherer, der die Frage in Textform zu stellen hat. Diesem Erfordernis werde zum Beispiel dadurch entsprochen, dass im Kopf des Fragenkatalogs der Name des Versicherers genannt ist.

Im Streitfall könnte dies zweifelhaft sein. Zwar sei in der oberen Spalte auf dem Vergleichsportal die R+V als ausgewählte Versicherung benannt. Das Gericht führt weiter aus, dass andererseits die Fragen erkennbar von Check24 stammen. Erst durch das Klicken auf das “?” öffne sich ein weiteres Textfeld mit der Überschrift „Warum fragen wir das?“ Das AG Helmstedt erklärt weiter, dass das “wir” impliziere, dass die Frage von Check24 und nicht vom Versicherer gestellt werde. Auch die Erläuterung, dass der Versicherer die Angabe benötige, verdeutliche nicht, dass die Frage eigentlich vom Versicherer stammt. Vielmehr dürfte es eine pauschale Frage von CHECK24 sein, der die Antwort dann an den jeweiligen Versicherer weiterleite, so das Gericht.

Letztlich finde sich die Beantwortung der Gesundheitsfrage auch nicht mehr in der Zusammenfassung der Vertragsdaten. Alle anderen Angaben, beispielsweise die Frage nach einer Vorversicherung, seien zur Kontrolle noch einmal aufgeführt. Bei der Frage nach der Gesundheit sei dies unterblieben.

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Kein Rücktrittsrecht des Versicherers

Der Versicherer dürfe vom Versicherungsvertrag somit nicht zurücktreten. In diesem Zusammenhang lohnt sich nochmals ein Blick in die gesetzliche Regelung: § 19 VVG. § 19 VVG lautet auszugsweise:

“(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.”

Der Gesetzeswortlaut zeigt, dass es die Pflicht des Versicherers ist, dem Versicherungsnehmer die Fragen im Antragsformular zu stellen. Dabei können auch Gesundheitsfragen auf einem Vergleichsportal solche des Versicherers sein.

In einem ähnlichen Fall hatte beispielsweise das Kammergericht Berlin entschieden, dass Gesundheitsfragen im Maklerfragebogen solche des Versicherers sind (siehe dazu KG Berlin: Gesundheitsfragen in einem Maklerfragebogen können Fragen des Versicherers sein). Das KG Berlin führte weiter aus, dass der Feststellung, dass die in dem vom Kläger unterschriebenen Antragsformular enthaltenen Gesundheitsfragen solche des Versicherers sind, jedoch grundsätzlich nicht entgegenstehe, dass das Antragsformular nicht von dem Versicherer, sondern von dem Versicherungsmakler erstellt worden ist. Aus der Neuregelung der vorvertraglichen Anzeigepflicht könne nicht der Schluss gezogen werden, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut des Gesetzes generell ausgeschlossen sein soll, einen von einem Dritten ausgearbeiteten Fragebogen einer Fragestellung durch den Versicherer gleichzusetzen. Hinzukommen müssen jedoch Hinweise im Antragformular, dass die Annahmeentscheidung des Versicherers auf der Grundlage der nachfolgenden Angaben in dem Antragsformular erfolgen wird.

Dies sei jedoch im vorliegenden Streitfall nicht geschehen. Wie bereits oben ausgeführt, dürfte es mangels ausreichender Hinweise im Antragsformular eine Frage vom CHECK24 sein. Die Klägerin habe daher auch davon ausgehen dürfen, dass die Gesundheitsfrage für den Vertragsabschluss nicht relevant sei. Derartige Unklarheiten gehen zulasten des Versicherers. Folglich müsse der Versicherer für die Operation zahlen und habe kein Recht, von dem Versicherungsvertrag zurückzutreten, abschließend das AG Helmstedt. Ein Verstoß der Klägerin gegen § 19 Abs. 1 VVG sei mithin nicht ersichtlich. Sie habe auf eine pauschal gestellte Frage pauschal geantwortet.

Hinweis für die Vermittler-Praxis

Im Ergebnis kann die Entscheidung des AG Helmstedt überzeugen. Dem Versicherungsnehmer muss stets deutlich gemacht werden, vom wem die gestellten Gesundheitsfragen stammen. Dabei müssen diese klar und unmissverständlich sein, um pauschale Fragen und pauschale Antworten auf diese zu vermeiden. Denn Gesundheitsfragen auf einem Vergleichsportal oder in einem Maklerfragebogen können zwar solche des Versicherers sein, andererseits muss es dafür jedoch ausreichend Hinweise geben. Fehlen diese, kann eine vorvertragliche Anzeigepflicht ausscheiden.

In diesem Zusammenhang spielt ein weiteres, praktisch sehr relevantes Problem eine große Rolle: Die „spontane Anzeigeobliegenheit“. In der Vermittler-Praxis stellt sich häufig die Frage, was denn nun konkret dem Versicherungsunternehmen – unaufgefordert – anzugeben ist. Denn den Versicherungsnehmer könnte auch eine Anzeigepflicht für gefahrerhebliche Umstände treffen, nach denen der Versicherer gerade nicht in Textform gefragt hat (vgl. BGH v. 19.05.2011 – IV ZR 254/10 „Hausratversicherung“; OLG Hamm v. 27.02.2015 – 20 U 26/15 „Dread-Disease-Versicherung“; OLG Celle v. 09.11.2015 – 8 U 101/15 „Pflegetagegeldversicherung“; OLG Karlsruhe v. 20.04.2018 – 12 U 156/16 „Berufsunfähigkeitsversicherung“; LG Offenburg v. 21.02.2020 – 2 S 6/18„Private Krankenversicherung“; OLG Braunschweig v. 20.11.1995 – 3 U 61/95„Hausratversicherung“; BGH, Urt. v. 16.11.2005 – IV ZR 307/04 „Wohngebäudeversicherung“.

Damit bleibt festzuhalten, dass es unabdingbar ist, jeden Versicherungsfall anwaltlich überprüfen zu lassen und frühzeitig eine kompetente Beratung durch versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht in Anspruch zu nehmen, um eine spätere Leistungsablehnung im Rahmen der vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten bestenfalls zu vermeiden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ sowie unter „Vertriebs- und Vermittlerrecht“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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