Verstößt ein Amazon-Gutschein gegen das Provisionsabgabeverbot? (OLG Frankfurt a.M.)

Das OLG Frankfurt a.M. konkretisiert anhand eines Amazon-Gutschein mit einem Urteil vom 27.05.2021 (Az.: 6 U 81/20) das Provisionsabgabeverbot des § 48b VAG. Es ging um die aktuelle Frage, ob dem Versicherungsnehmer als Abschlussprämie ein Amazon-Gutschein ausgegeben werden darf.

50 Euro Amazon.de Gutschein

Die Beklagte hat auf ihrer Internetseite für den Abschluss einer Risikolebensversicherung geworben. Werbungsinhalt war der Text: „Bis 17.03.: 50 Euro Amazon.de Gutschein*“. Das Sternchen am Seitenende enthielt die Bedingung der Gutscheingewährung. Beim Online-Abschluss einer Risikolebensversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 100.000,- € würde der Gutschein zwei Monate nach Vertragsschluss ausgehändigt werden, sofern bis dahin die Beiträge gezahlt wurden und der Vertrag nicht gekündigt wurde. Das beworbene Versicherungsprodukt konnte nur mit Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren abgeschlossen werden. Der Vertrag kann aber nach einem Jahr beendet werden. Der Kläger hält dieses Angebot für wettbewerbswidrig und mahnt einen Verstoß gegen § 48b VAG an. Das OLG Frankfurt a.M. gab dem Unterlassungsbegehren recht des Klägers recht.

OLG Frankfurt a.M. urteilt über Unterlassungsanspruch

Für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts war die zentrale Norm das Provisionsabgabeverbot aus § 48b VAG. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch kann auf §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG gestützt werden, sofern eine Marktverhaltensregelung verletzt wird. Das OLG Frankfurt a.M. erkannte die Qualität des § 48b VAG als Marktverhaltensregelung an, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung des Bundestags (BT-Drucks. 18/11627, S. 40). Der Anwendungsbereich des Provisionsabgabeverbots aus § 48b VAG ist eröffnet.

Amazon Gutschein als Versprechung von Sondervergütung?

Anschließend war zu klären, ob das konkrete Verhalten der Gutscheingewährung als eine Versprechung von Sondervergütungen zu bewerten ist. Nach § 48b VAG ist es Versicherern und Versicherungsvermittlern untersagt, Versicherungsnehmern aus einem Versicherungsvertrag etwaige Sondervergütungen zu versprechen. Eine Sondervergütung ist nach § 48b Abs. 2 Nr. 2 VAG jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung, hierzu zählen insbesondere sonstige Sach- und Dienstleistungen, die nicht die Versicherungsleistung betreffen. Der Amazon-Gutschein soll infolge des Vertragsschlusses ausgehändigt werden. Somit ist die Gutscheingewährung zusammenhängend als Sachleistung zu bewerten, die außerhalb des Versicherungsverhältnisses als Bonus gewährt wird.

Gegen diese Einschätzung wandte sich die Beklagte und vertrat die Ansicht, dass die Vergütung nicht „neben dem Versicherungsvertrag“ gewährt wird. Nach ihr sei die Werbemaßnahme als Teil des vertraglichen Angebots zu verstehen. Hiergegen stellte sich das OLG Frankfurt a.M. ganz klar und verwies auf die Norm des § 48b Abs. 3 Nr. 3 VAG, wonach bereits eine mittelbare Zuwendung durch einen Versicherungsvermittler verbotsbegründend ist. Im Umkehrschluss wäre im Beispielsfall eine Zuwendung nur zulässig, wenn die Gutscheingewährung im Versicherungsvertrag selbst vorgesehen wäre (Provisionsabgabeverbot: Die Einschätzung der BaFin zur Befreiung vom Provisionsabgabeverbot (Merkblatt vom 21.10.2020))

Geringfügigkeitsschwelle des Provisionsabgabeverbots überschritten?

Die außervertragliche Zuwendung kann im Einzelfall dennoch zulässig sein, und zwar dann wenn sie geringfügig ist. Nach § 48b Abs. 2 S. 2 VAG sind Geschenke anlässlich eines Vertragsabschlusses geringwertig, soweit diese einen Gesamtwert von 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr nicht überschreiten. Die Beklagte machte geltend, dass bei einer Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren die Schwelle nicht überschritten wird. Es wurde somit versucht den 50€-Gutschein auf fünf Jahre zu verrechnen, so dass fiktiv 10 Euro pro Jahr gelten sollen.

Dieser Begründung konnte das OLG Frankfurt a.M. nicht folgen. Dem Versicherungsnehmer steht per Gesetz aus § 168 VVG ein jährliches Kündigungsrecht seiner Verträge zu. Es entspricht dem Sinn und Zweck des § 48b VAG, dass die Verbraucher nicht aufgrund einer Prämie zum Vertragsschluss veranlasst werden. Würden sie im Wissen um die Möglichkeit einer vorzeitigen Vertragsbeendigung handeln und dieses Kündigungsrecht ausüben, dann hätten sie doch wegen des geschaffenen Fehlanreizes gehandelt. Zulässig wäre es nach der Wertung des OLG Frankfurt a.M. wenn ein 50€-Gutscheinwert tatsächlich in jährlichen Abständen stückchenweise dem Versicherungsnehmer ausgezahlt wird – also jedes Jahr ein 10 € – Gutschein. Die Vorwegnahme der etappenweisen Sondervergütung in Form eines zum Zeitpunkt des Vertragsschluss einmalig anfallenden Gutschein ist unzulässig. Die vorliegende Gutschein-Gewährung ist damit wettbewerbswidrig.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Das Provisionsabgabeverbot wird zunehmend an Wichtigkeit gewinnen, insbesondere die Online-Makler versuchen stets das Verbot zu umgehen. Die zulässigen Ausnahmen werden sehr strikt gehandhabt, dies soll einem hohen Verbraucherschutzniveau dienen.

Das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, ist von aktueller Brisanz denn je. Denn für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler ist es wichtig, dass der Wettbewerb untereinander geschützt bleibt und es nicht zu Verbotshandlungen durch Konkurrenten kommt. Verstöße gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die Gewerbeordnung (GewO), letztlich damit auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), werden kostenpflichtig geahndet. Aus diesem Grund ist es wichtig sich mit den genauen Verbotsnormen zu beschäftigen, um gerade nicht gegen das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, zu verstoßen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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