Die zulässige Provisionsabgabe muss im Versicherungsvertrag vereinbart werden (VG Frankfurt a.M.)

Für den Versicherungsmarkt und dessen Teilnehmer ist das Provisionsabgabeverbot des § 48b Abs. 1 VAG von größter Wichtigkeit. Gegen Zuwiderhandlungen droht ein Bußgeld. Es ist aber durchaus möglich, eine Provisionsabgabe vorzunehmen. Über diese aktuelle und wichtige Möglichkeit sollten die Versicherungsvermittler informiert sein. Hierzu urteilte das VG Frankfurt a.M. am 05.11.2020 (Az.: 7 K 2581/17.F).

Der Sachverhalt vor dem Verwaltungsgericht

Die Klägerin ist ein Versicherungsmaklerunternehmen. Sie wird von der IHK (Industrie- & Handelskammer) beaufsichtigt. Die Klägerin betreibt ein Internetvergleichsportal für Versicherungstarife. Es wird den Kunden die Möglichkeit gewährt neue Verträge abzuschließen und bestehende Verträge zur aktiven Betreuung zu übertragen. Im Fall der Neuversicherung oder Versicherungsverlängerung soll die daraus entstehende Provision an den Kunden weitergeleitet werden. Hierfür erhält die Klägerin eine pauschale von 12€ pro Jahr. Auf Anraten der IHK formulierte die Klägerin eine zusätzliche Vereinbarung, wonach die Prämienweitergabe vertraglich festgeschrieben werden soll, diese wird dem Maklervertrag zugrunde gelegt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie so von der Ausnahme des § 48b Abs. 4 VAG profitieren kann und die Provisionen weitergeben darf.

Die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts

Liegt eine Abgabe einer Sondervergütung gem. § 48b Abs. 2 VAG tatsächlich vor, kann sie dennoch gemäß § 48b Abs. 4 VAG zulässig sein. Der § 48b Abs. 1 VAG nachdem die Handlung zu unterlassen wäre, findet dann keine Anwendung. Nach dem darin normierten Verbot ist es Versicherern und Versicherungsvermittlern untersagt, dem Versicherungsnehmer aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen.

Eine Sondervergütung ist nach Abs. 2 jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung. Der § 48b VAG löste somit die unbestimmte alte Regelung des Verbots der Gewährung von Sondervergütungen aufgrund der Anordnung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherungen vom 08.03.1934 (siehe hier Provisionsabgabeverbot: Die Anordnungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung aus dem Jahr 1934) ab. Die Regelung war zu unbestimmt, um klar erkennen zu können, was eine „Sondervergütung“ ist (VG Frankfurt a.M. Urteil 24.10.2011 – Az.: 9 K 105/11.F) und somit unwirksam.

Wegen Zweck des Abgabeverbots – Verbot des Verhaltens?

In der Gesetzesbegründung zu § 48b VAG ist als Ziel des Provisionsabgabeverbots die Vermeidung von Fehlanreizen für den Verbraucher verankert. Es soll ein hohes Verbraucherschutzniveau erreicht werden. Bei einer in Aussicht gestellten Provisionsabgabe soll vermieden werden, dass der Verbraucher bei Abschluss eines Versicherungsvertrags eher auf die Provisionsabgabe achtet als auf den für ihn passenden Verbraucherschutz.  Somit kann die Weitergabe der Provision kein Verkaufsargument sein.

Das klagende Unternehmen leitet 50% der Provisionen an ihre Kunden weiter und verwirklicht somit ein nach § 48b Abs. 1 VAG verbotenes verbraucherschädliches Verhalten. Das VG Frankfurt a.M. stellte insbesondere klar, dass nicht zwischen Abschluss- und Bestandsprovisionen unterschieden wird, der § 48b VAG soll generell dafür schützen, dass der Verbraucher aufgrund falscher Anreize einen fehlerhaften Versicherungsabschluss tätigt. Das Inaussichtstellen der Weiterleitung von zukünftig anfallenden Bestandsprovisionen kann den Verbraucher ebenfalls fälschlicher Weise motivieren seine Versicherungsverträge aus diesem Anreiz zu schließen und verwalten zu lassen. Sind die weitergegebenen Beträge auch noch so klein können hiervon geschaffene Fehlreize nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Gilt Ausnahme des § 48b Abs. 4 VAG?

Die Geschäftspraxis könnte dann zulässig sein, wenn sie von der Ausnahme des § 48b Abs. 4 S.1 VAG gedeckt wird. Soweit die Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet wird, findet der § 48 Abs. 1 VAG keine Anwendung. Für die Anwendung der Ausnahme ist es jedoch nach dem VG Frankfurt a.M. zwingend erforderlich, dass eine erlaubte Provisionsabgabe im Versicherungsvertrag dokumentiert werden muss.

Zudem muss die vereinbarte Sondervergütung „zur“ dauerhaften Prämienreduzierung verwendet werden, somit darf die Abgabe nur erfolgen, wenn tatsächlich die zu zahlende Prämie hierdurch reduziert wird. Mithin scheidet eine Auszahlung aus. Letztlich würde es bei einer kurzfristigen oder einmaligen Prämienreduzierung am zwingenden Tatbestand der „dauerhaften“ Prämienreduzierung fehlen, die Provisionen werden aufgrund der geschlossenen Maklervertrag abgeführt und nicht im Rahmen des Versicherungsverhältnisses. Hierin liegt die wesentlich Abgrenzung zwischen einer zulässigen und unzulässigen Provisionsabgabe, sie muss im Versicherungsvertrag festgelegt sein und nicht aufgrund eines daneben bestehenden Maklervertrags stattfinden. Mit Beendigung des Maklervertrags endet auch die Prämienreduzierung, mithin findet diese nicht „dauerhaft“ statt. Nach Willen des Gesetzgebers muss die Sondervergütung dem Versicherungsnehmer langfristig zugutekommen.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Vom Provisionsabgabeverbot besteht eine wichtige Ausnahme in § 48b Abs. 4 VAG. Das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, ist von aktueller Brisanz denn je. Denn für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler ist es wichtig, dass der Wettbewerb untereinander geschützt bleibt und es nicht zu Verbotshandlungen durch Konkurrenten kommt. Verstöße gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die Gewerbeordnung (GewO), letztlich damit auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), werden kostenpflichtig geahndet. Aus diesem Grund ist es wichtig sich mit den genauen Verbotsnormen zu beschäftigen, um gerade nicht gegen das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, zu verstoßen.

Weitere Artikel zu diesem Themenbereich können hier nachgelesen werden: PROVISIONSABGABEVERBOT.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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