Der Vorläufer des Provisionsabgabeverbots aus § 48b VAG – die Anordnung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherungen vom 08.03.1934 – war kein gesetzliches Verbot (BGH)

Der Bundesgerichtsverbot hat sich mit dem Provisionsabgabeverbot zu beschäftigen gehabt (BGH v. 17.06.2004 – III ZR 271/03). Das Provisionsabgabeverbot ist bereits Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren gewesen und beschäftigt die gesamte Versicherungsbranche, und zwar Versicherungsunternehmen und insbesondere auch Versicherungsvermittler. Aus diesem Grund ist dieser brisanten Thematik eine hohe Relevanz beizumessen.

Der Sachverhalt vor dem BGH

Der Versicherungsnehmer und sein Versicherungsvermittler schlossen bei Abschluss einer Lebensversicherung eine sogenannte „stille Vereinbarung“, nach der im Falle einer Stornierung des Versicherungsvertrages, ein an den Versicherungsnehmer ausgezahlter Teil der Vermittlungsprovision an den Vermittler zurückzuerstatten ist. Der Versicherungsnehmer stornierte in der Folge die Lebensversicherung. Der Versicherungsvermittler klagte so dann auf Rückzahlung der entsprechenden Vermittlungsprovision.

Die rechtliche Wertung des BGH

Das BGH hatte zu klären, ob die still vereinbarte Provisionsabgabe samt Rückzahlungsverpflichtung im Falle einer Stornierung unwirksam ist. Eine Provisionsabgabe bezeichnet die vollständige oder teilweise Überführung einer aus dem Vertragsschluss entstehenden und dem Vermittler gebührenden Provision an den Versicherungsnehmer. In der streitigen Konstellation sollte ein Teil der Provision des Versicherungsvermittlers geteilt werden und mithin an den Versicherungsnehmer abgegeben werden.

In dem Jahr 2004 und zum Zeitpunkt der Rechtsfindung des BGH gab es noch nicht die Regelung des § 48b VAG in der heutigen Ausgestaltung. Mithin musste als Rechtsgrundlage eine Anordnung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherungen vom 08.03.1934 (siehe hier Provisionsabgabeverbot: Die Anordnungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung aus dem Jahr 1934) dienen. Die Anordnung untersagte den Versicherungsvermittlern, dem Versicherungsnehmer in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren. Das Recht und somit die Verordnungen der Weimarer Republik, die nicht gegen das heutige Grundgesetz verstoßen, gelten gem. Art. 74 Nr. 11, 123 Abs. 1, 125, 129 Abs. 1 GG so lange fort, bis der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz auf dem betreffenden Rechtsgebiet eine ablösende Regelung erlässt.

Gesetzeswidrigkeit nach § 134 BGB

Somit fragte sich der BGH, ob die Provisionsteilungsvereinbarung im Sinne dieser Verordnung gemäß § 134 BGB gesetzeswidrig war. Danach wäre ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Aufgrund einer fehlenden Bestimmung in der Anordnung aus 08.03.1934 konnte nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes an sich ermittelt werden, ob die Nichtigkeit als Rechtsfolge vorgesehen war. Die Frage musste anhand der gängigen Auslegungsmethoden beantwortet werden. Wenn sich ein gesetzliches Verbot nur gegen einen Vertragspartner richtet, dann kann das Rechtsgeschäft nur nichtig sein, wenn es mit dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm unvereinbar wäre, die vereinbarte Regelung hinzunehmen oder bestehen zu lassen.

Der BGH bewertete den Sinn und Zweck des Verbots vom 08.03.1934 dahingehend, dass das Verbot Sondervergütungen zu gewähren sich einseitig an die Versicherer und die Versicherungsvermittler richtet und somit nur gegen einen Vertragspartner wirkt. Der Zweck des Gesetzeserlasses war damals eine weitere Steigerung der Verwaltungskosten des Versicherungsunternehmers zu vermeiden. Der BGH erkannte allerdings an, dass diese Motive nunmehr überholt seien, der Schutzzweck betraf nicht mehr die Bonität der Versicherer. Vielmehr besteht die Regelung darum weiter fort, weil allgemeine Verbraucherschutzinteressen und finanzielle Interessen der Vermittler geschützt werden sollen. Die Durchsetzung dieser Interessen erfordert jedoch keine Nichtigkeit der Vereinbarung, gleichwertigen Schutz gewähren die vorgesehenen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, ist von aktueller Brisanz denn je. Denn für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler ist es wichtig, dass der Wettbewerb untereinander geschützt bleibt und es nicht zu Verbotshandlungen durch Konkurrenten kommt. Verstöße gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die Gewerbeordnung (GewO), letztlich damit auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), werden kostenpflichtig geahndet. Aus diesem Grund ist es wichtig sich mit den genauen Verbotsnormen zu beschäftigen, um gerade nicht gegen das Provisionsabgabeverbot, bzw. das Verbot Sondervergütungen zu gewähren, zu verstoßen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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