Wiederherstellungsklausel in der Gebäudeversicherung (BGH)

Der BGH hat mit Beschluss vom 28.10.2020 (AZ: IV ZR 17/20) erneut über die Wiederherstellungsklausel in der Gebäudeversicherung zu entscheiden (siehe hierzu auch Wirksamkeit der Wiederherstellungsklausel (sog. „Neuwertspitze“). Dabei hat er klargestellt, welche Tatsachen vom Versicherungsnehmer zwingend vorzutragen sind.

Versicherungsschutz in der Gebäudeversicherung?

Der klagende Versicherungsnehmer schloss einen Wohngebäudeversicherungsvertrag bei der beklagten Versicherung ab (siehe hierzu: Gebäudeversicherung). Es kam im versicherten Gebäude zu einem frostbedingten Platzen eines Heizungsrohres, woraufhin Wasserleitungen platzten und der Heizkessel zerstört wurde. Der versicherte Schadensfall trat ein, ausgelöst durch einen Leitungswasserschaden. Im Vertragswerk des Versicherungsproduktes (in Ziff. 1.2) war einerseits eine Klausel zu den Wiederherstellungskosten festgelegt, welche die vollumfängliche Erstattung der zur Wiederherstellung des Gebäudes anfallenden Kosten vorsieht und zwar dann, wenn der Zeitwert des Gebäudes am Schadenstag noch 50% des Neuwertes beträgt.

Auszug aus den Allgemeinen Bedingungen (AVB) der MehrfamilienhausPolice (2018):

§ 43 Wie wird die Entschädigung errechnet?

  1. Ersetzt werden im Versicherungsfall bei [1.1.] zerstörten oder beschädigten Wohn- oder gemischt genutzten Gebäuden, zu Wohn- oder Gewerbezwecken genutzten Nebengebäuden oder sonstigen Sachen die ortsüblichen Wiederherstellungskosten oder die notwendigen Reparaturkosten (Neuwert) bei Eintritt des Versicherungsfalles …

[1.2.] zerstörten oder beschädigten Garagen, Carports sowie Anbauten und Nebengebäuden, die nicht Wohn- bzw. Gewerbezwecken dienen, die ortsüblichen Wiederherstellungskosten oder die notwendigen Reparaturkosten (Neuwert) bei Eintritt des Versicherungsfalles, wenn ihr Zeitwert am Schadentag noch mindestens 50 Prozent des Neuwertes beträgt. Ist der Zeitwert niedriger, wird die Entschädigung auf Zeitwertbasis errechnet. Der Zeitwertschaden errechnet sich aus der Entschädigung nach Nr. 1.1. abzüglich des Minderwertes aufgrund von Alter und Abnutzung;“

Eine solche Schadensregulierung, die über den typischen Zeitwert hinaus auch den Restbetrag zum Neuwert umfasst wird als „Neuwertspitze“ bezeichnet.

Andererseits wurde die mögliche Erstattung des Betrages von Zeit- zu Neuwert an eine Wiederherstellungsklausel (in Ziff. 1.11) geknüpft, nach derer der Versicherungsnehmer die versicherte Sache innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls zwingend wiederherzustellen habe. Andernfalls ist die Erstattung des Neuwertanteils ausgeschlossen.

„11. In der Neuwertversicherung erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.“

Der Versicherungsnehmer verlangte den Ersatz der Reparaturkosten sowie die Feststellung, dass die Versicherung alle im Zusammenhang mit dem Schaden stehenden Kosten zu erstatten habe.

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Wirksamkeit der Wiederherstellungsklausel?

Es bestand Streit über die Frage, ob die Wiederherstellungsklausel einen Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 307 I, II BGB darstellt. Demnach muss eine Klausel so formuliert sein, dass der Versicherungsnehmer eindeutig seine Rechte und vor allem seine Obliegenheiten verstehen kann. Der BGH sah dies als gegeben an und stellte fest, dass der Versicherungsnehmer die versicherte Sache fristgerecht wiederherzustellen habe. Eine Deutungsmöglichkeit hinsichtlich einer grundsätzlichen Erstattung des Neuwertes sei nicht gegeben. Der Neuwertanteil ist nur dann zu ersetzen, wenn die Wiederherstellung fristgerecht erfolgt. Diese Wertung ist auch auf die bloße Beschädigung der Sache und all seiner Einzelteile anzuwenden. Eine Wiederherstellungsklausel ist nicht mangels Verständnismöglichkeit des Versicherungsnehmers unwirksam.

Berufungsgericht erklärte Klausel zunächst für intransparent

Das Berufungsgericht hatte zunächst jedoch die Klausel für intransparent angesehen. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne sich den Regelungsgehalt der Klausel nicht ohne weiteres erschließen und davon ausgehen, dass grundsätzlich der Neuwert zur Bemessung der Versicherungsleistung dienen soll. Deshalb konnte der Kläger annehmen, dass der Vortrag zum Zeitwertschaden nicht von Bedeutung ist. Von dieser Annahme wich das Gericht im schriftlichen Urteil jedoch schließlich ab, ohne den Klagenden darüber in Kenntnis zu setzen. In dieser Annahme leistete der Kläger keinen Vortrag zum Zeitwertschaden. Das Berufungsgericht verletzte mit der eingetretenen Abweichung von seiner rechtlichen Beurteilung im mündlichen Verfahren die Hinweispflicht aus § 139 II ZPO.

Der BGH nahm jedoch keine Intransparenz an

Der BGH stellt jedoch fest, dass der Versicherungsnehmer substantiiert Tatsachen zum Zeitwertschaden und der unternommenen fristgerechten Wiederherstellung vorzutragen habe. Somit wird die beständige Voraussetzung des erforderlichen Vortrags zum Zeitwert der beschädigten Sache für die Neuwertspitze gefestigt (vgl. LG Aachen, Urteil v. 14.07.16 – 9 O 288/15). In diesem konkreten Fall, hat der klagende Versicherungsnehmer keinen ausreichenden Vortrag geleistet. Er hätte dies aber tun können, sofern das Gericht auf ihren Einschätzungswechsel hingewiesen hätte. Die Möglichkeit zum Vortrag des Zeitwertschadens hätte ihm wegen fehlender Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 I GG gewährt werden müssen.

„Kürzung der Versicherungsleistung auf Null“ zulässig?

Offengeblieben ist die Frage, ob die Beklagte dazu berechtigt war, die Versicherungsleistung – aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Klägers – auf Null zu kürzen. Hierzu bestehen nach dem BGH zumindest Zweifel. Der Kläger unterließ es nach dem Vortrag der Beklagten die Beheizung regelmäßig zu kontrollieren. Grundsätzlich würde dies im Sinne des § 28 II S. 2 VVG zur Leistungskürzung berechtigen. Zur Beurteilung einer etwaigen Leistungskürzung muss aber im Vorfeld der Zeitwert festgestellt werden, schließlich stellt dieser die Grundlage für den gesetzlichen Mindestinhalt der Versicherungsleistung in der Sachversicherung gem. § 88 VVG dar.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Der BGH hält an der Wirksamkeit der strengen Wiederherstellungsklauseln fest. Weitergehend wurde die Sicherung der Wiederherstellung auch auf (Teil-)Beschädigungen der versicherten Sache und seiner Einzelteile erweitert, weshalb auch dafür der Anspruch auf die Neuwertspitze anfallen kann. Vorzutragen ist dann nicht zum gesamten Zeitwert des Gebäudes, sondern zu den jeweilig anfallenden Reparaturkosten der betroffenen Schadensherde. Auch die Wiederherstellungsentschädigung dieser einzelnen Sachen hat dann zu ihrem Neuwert zu erfolgen. Um Ihren Anspruch auf die Gewährung der Neuwertspitze und nicht lediglich des Zeitwertes zu sichern, muss die Wiederherstellung jedoch innerhalb der Ausschlussfrist gesichert sein.

Es macht Sinn rechtzeitig einen Anwalt mit der Wahrung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu konsultieren, denn mit einem Verstreichen der Frist wird der Versicherer hinsichtlich des Geldwertes zwischen Zeit- und Neuwert frei. Wichtig ist es, die für die Bemessung erforderlichen Tatsachen festzustellen und diese richtig vorzutragen, dabei können versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht helfen und den Erhalt des vollständigen Versicherungsschutzes sichern.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Gebäudeversicherung“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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