Unlautere Bewertung von Versicherung durch Versicherungsmakler in seinem Vergleichsportal (LG Leipzig)

Das Landgericht Leipzig  hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob der beklagte Versicherungsmakler, der auf einer Internetseite einen Vergleich für Haftpflichtversicherungen anbietet, dadurch unlauter im Sinne des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) gehandelt hat, indem er selbst als Makler und Betreiber des Versicherungsportals die Versicherungsprodukte aus seinem eigenen Portfolio in das Vergleichsportal aufnahm und diese selbst bewertet hat (LG Leipzig, Endurteil v. 09.09.2020 – 05 O 1789/19).

Der Fall vor dem LG Leipzig

Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagegesetz eingetragener Verein, macht einen Anspruch auf Unterlassung der auf der Internetseite www.tarifcheck.de des beklagten Versicherungsmaklers wiedergegebenen Sternebewertungen geltend.

Auf der Internetseite bietet der Beklagte einen Vergleich für Haftpflichtversicherungen an. Er ist Vermittler bzw. Makler für die in der Auflistung des Vergleichs angebotenen Versicherungen (Informationen zu verschiedenen Versicherungen: Versicherungsrecht). Die Angebote in der Ergebnisliste werden mit einem (sehr schlecht) bis zu fünf (sehr gut) Sternen bewertet. Klickt der Verbraucher auf die Sterne unterhalb des jeweiligen Anbieternamens, erscheint eine Übersicht. Wird weiter auf das „i“ vor dem jeweiligen Bewertungskriterium geklickt, öffnet sich ein weiteres Fenster, das die Bewertungskriterien näher erläutert. Danach sind diesem weiteren sich öffnenden Fenster Kriterien zu entnehmen, die bewertet werden können. Ob der Beklagte zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Abmahnung mit Schreiben des Klägers vom 12.04.2019 weitere Hinweise zum Zustandekommen der Sterne-Bewertung bereitstellte, ist streitig. Der Beklagte verwies vorgerichtlich mit Schreiben vom 23.04.2019 darauf, dass es entsprechende Hinweise im Berechnungsergebnis „So werden die Tipps ermittelt“ gäbe. Jedenfalls hat der Beklagte die Erläuterung der Sterne-Bewertung zwischenzeitlich nachgeholt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass weder beim Klick auf die Bewertungssterne noch beim Klick auf den Link „So werden Tipps ermittelt“ zum Zeitpunkt der Abmahnung auf der Webseite des Beklagten erläutert worden sei, anhand welcher Kriterien die Bewertungen erfolgen. Angaben, welche Personen unter welchen Bedingungen nach welchen Kriterien wie viele Bewertungen abgegeben haben, hätten sich zum Abmahnungszeitpunkt im Bewertungssystems des Beklagten nicht gefunden. Eine Bewertung mit Sternen durch den Betreiber eines Portals, wie vorliegend, sei auch untypisch. Wenn der Beklagte selbst als Makler, der das Vergleichsportal betreibt, die von ihm vertriebenen Versicherungsprodukte in das Vergleichsportal aufnimmt und bewertet, sei die Information über das Zustandekommen der Bewertung umso wichtiger für den Verbraucher. Die Information über die Ausgestaltung bzw. das Zustandekommen des zur Verfügung gestellten Bewertungssystems stelle eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG dar. Demnach stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 Unterlassungsklagegesetz bzw. §§ 8 Abs. 1 i. V. m. 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG zu.

Der beklagte Versicherungsmakler beantragte die Klageabweisung. Die Information der Verbraucher, von wem und wie die Sterne-Bewertung vorgenommen wird, sei erfolgt. Die Verbraucher seien über die Person des Bewertenden und die Bewertungsart – Bewertung nach der Erfahrung des Betreibers des Vergleichsrechners – informiert worden. Nach der Abmahnung habe der Beklagte lediglich den Text sprachlich umformuliert und den Fundort geändert, an dem die Verbraucher die vorhandenen Informationen, von wem und wie die so genannte Sternchen-Bewertung vorgenommen wird, finden können. Bereits zuvor habe der Informationstext mit inhaltlich gleichem Gehalt für Verbraucher unter dem Hyperlink „So werden die Tipps ermittelt“ zum Abruf bereitgestanden. Ferner sei es auch nicht untypisch, dass der Beklagte eine eigene Bewertung der Versicherer anbiete, da er als Vergleichs- bzw. Plattformanbieter üblicherweise einen den Nutzern überlegenen Kenntnis- und Erfahrungsstand habe.

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Die Entscheidung des LG Leipzig

Das LG Leipzig hat entschieden, dass das Rechtsmittel des Beklagten in der Sache jedoch keinen Erfolg hat. Dem Kläger stehe gegen den Beklagten gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Unterlassungsklagegesetz, 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handele unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gelte nach Auffassung des Gerichts auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen und die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise. Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sei dabei auf den durchschnittlichen Verbraucher des angesprochenen Verbraucherkreises abzustellen, so das LG Leipzig.

Portalbetreiber nahm Sterne-Bewertung selbst vor!

Das LG führt aus, dass Verbraucher, die auf der Suche nach einer neuen Haftpflichtversicherung sind und beispielsweise die Vergleichsseite des beklagten aufsuchen, neben den sachbezogenen Kriterien wie Beitragshöhe, Versicherungssumme, Selbstbeteiligung etc. auch die Bewertungen für das jeweilige Versicherungsangebot bzw. den Versicherungsanbieter in ihre Entscheidungen zum Abschluss einer neuen Versicherung einbeziehen werden. Ist wie im vorliegenden Fall ein Bewertungssystem vorhanden, stellen Informationen über dessen Ausgestaltung wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG dar.

An den Bewertungen könne sich ein Verbraucher jedoch nur dann in sachlich nachvollziehbarer Weise orientieren, wenn er Informationen darüber erhalte, wer die Bewertungen abgegeben hat und welche sachbezogenen Kriterien den Bewertungen zu Grunde liegen. Im Streitfall habe jedoch der Beklagte selbst als Vermittler der Versicherungen die Sterne-Bewertung vorgenommen, stellte das Landgericht fest. Gerade wenn der Beklagte selbst als Versicherungsmakler  (siehe Erstinformationen), der das Vergleichsportal betreibt, die Versicherungsprodukte aus seinem eigenen Portfolio in das Vergleichsportal aufnimmt und selbst bewertet, sei die Information über das Zustandekommen der Bewertung für den Verbraucher eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG.

Ferner stellte das LG Leipzig auch fest, dass weder beim Klick auf die Bewertungssterne noch beim Klick auf den Link „So werden Tipps ermittelt“ zum Zeitpunkt der Abmahnung auf der Webseite des Beklagten eine Erläuterung zu finden gewesen sei, auf welcher Grundlage die Bewertungen ermittelt werden. Daher wurden nach den Maßstäben eines durchschnittlichen Verbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise für die Auswahlentscheidung wesentliche Informationen im Sinne des § 5a abs. 2 UWG nicht mitgeteilt, da dem Bewertungssystem des Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnung weder Kriterien für die Nachvollziehbarkeit der Bewertung noch Angaben zum Bewertenden (dem Beklagten selbst) entnommen werden konnten.

Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass abweichend vom Regelfall ein Verbraucher die ihm vorenthaltenen wesentlichen Informationen für seine Auswahlentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Informationen ihn nicht zu einer anderen Entscheidung hätte veranlassen können. Mangels Vorliegens besonderer Umstände sei nach Auffassung des LG grundsätzlich davon auszugehen, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen für eine informierte Entscheidung benötigt, auch geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte.

Letztlich verstoße die streitgegenständliche Sterne-Bewertung gegen §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG und begründe den geltend gemachten Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 8 Abs. 1 UWG.

Stets rechtliche Einzelfallprüfung notwendig!

Der zunächst in der Abmahnung und anschließend klagweise geltend gemachte Vorwurf sollte immer einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalles unterzogen werden. Die von dem Kläger geltend gemachten Vorwürfe sind vorliegend rechtlich sehr weitreichend und sollten juristisch umfassend geprüft werden. Betroffenen Versicherungsmaklern ist Folgendes zu raten:

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Klagen sollten juristisch umfassend überprüft werden. Halten sie dabei unbedingt die gesetzten Fristen ein! Versäumen Sie die Frist, drohen weitere, kostenpflichtige, rechtliche Schritte. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kann eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragt oder ein Hauptsacheverfahren vor dem zuständigen Gericht angestrengt werden.

Unsere unverbindlichen Tipps für Betroffene:

  • Versäumen Sie auf keinen Fall die Ihnen gesetzten Fristen, denn ansonsten drohen weitere rechtliche Schritte mit erheblichen Kosten.
  • Zahlen Sie den aus der Abmahnung geforderten Betrag (Abmahnkosten) vorerst nicht, ohne dass dieser einer juristischen Überprüfung eines versierten Rechtsanwalts unterzogen wird.
  • Unterschreiben Sie nicht die beigefügte Unterlassungserklärung, bevor ein versierter Rechtsanwalt diese juristisch geprüft hat.

Nehmen Sie gern unsere langjährige Erfahrung und Kompetenz im Wettbewerbsrecht in Anspruch. Wir empfehlen bei Abmahnungen sich stets von einem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz vertreten zu lassen. Selbstverständlich verfügt die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte über einen entsprechenden  Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.

Überregionale Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte aus Hamburg hat sich – unter anderem – auf derartige Rechtsgebiete wie den Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht) spezialisiert. Die Rechtsanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow verfügen dabei über weitrechende Erfahrung und Kompetenz und vertreten die Mandanten bundesweit.

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Weitere Informationen zum Thema Wettbewerbsrecht finden Sie Wettbewerbsrecht.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil zur Zulässigkeit der Bewertung von eigenen Versicherungsprodukten.

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