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Angabe von Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert in der Berufsunfähigkeitsversicherung? (OLG Dresden)

Das OLG Dresden hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob der künftige Versicherungsnehmer in einem Antragsformular auch Beeinträchtigungen anzugeben hat, die noch keinen Krankheitswert haben, sofern diese nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (OLG Dresden, Beschluss v. 29.04.2021 – 4 U 2453/20).

Der Fall vor dem OLG Dresden

Die klagende Versicherungsnehmerin unterhält bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung, aus welcher sie Leistungen geltend macht. Die Klägerin ist inzwischen wieder voll berufsfähig. Das Landgericht hatte nach informatorischer Anhörung die Klage abgewiesen. Es hielt die vorprozessual erklärte Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin für berechtigt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Versicherungsnehmerin.

Die Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden war der Ansicht, dass die Berufung der Versicherungsnehmerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg biete. Denn das Landgericht habe zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin wegen wirksamer Anfechtung des Vertrages durch die Beklagte verneint. Die Versicherungsnehmerin habe zunächst mehrere der Gesundheitsfragen des Versicherers objektiv falsch beantwortet. Die Möglichkeit der Anfechtung sei dem Versicherer nach § 22 VVG i. V. m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung hierfür sei, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann, so der Senat.

Der Senat führte weiter aus, dass der künftige Versicherungsnehmer die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten habe. Er dürfe sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigung verschweigen. Daher seien nach Auffassung des OLG Dresden auch solche Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben, denn die Bewertung die Gesundheitsbeeinträchtigung sei Sache des Versicherers, so das Gericht. Diese weitgefasste Offenbarungspflicht finde ihre Grenzen nur bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder als bald vergehen. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliege, sei unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Hierbei sei auf das Gesamtbild abzustellen, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermittelten.

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Kein allgemeiner Satz der Lebenserfahrung

Weiter führt der Senat aus, dass es zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahingehend gebe, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand von früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht abgegeben wird, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Umgekehrt gelte aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handele, so dass der Beweis nur durch Indizien geführt werden könne. Dabei sei auch auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen.

Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziere die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen. Stehe fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, treffe den Versicherungsnehmer zudem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen müsse, wie und weshalb es dazu gekommen ist, abschließend das OLG Dresden. Nach diesen Grundsätzen habe die Klägerin bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen die ihr obliegende Offenbarungspflicht arglistig verletzt.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Dresden kann im Ergebnis überzeugen. Sie zeigt deutlich, dass die Offenbarungspflicht eines Versicherungsnehmers im Rahmen der Beantwortung von Gesundheitsfragen im Antragsformular einen wesentlichen Schwerpunkt des  Prüfungsverfahrens  bei Berufsunfähigkeit bildet. Werden hierbei Fehler gemacht, ziehen sich diese durch das gesamte Leistungsprüfungsverfahren. Bei Berufsunfähigkeit ist stets anzuraten, sich  kompetente Unterstützung  zu suchen. Gerade Leistungsablehnungen von Berufsunfähigkeitsversicherungen sollten juristisch überprüft werden.

Zwar ist dieses Urteil rechtlich nur wenig überraschend. Dennoch ist es für Versicherungsvermittler wichtig zu kennen. Gerade weil Versicherungsvermittler mit den Kunden die Gesundheitsfragen des Versicherers im Versicherungsantrag häufig gemeinsam ausfüllen. Dabei dürften häufig Fragen des Kunden in Bezug auf die Beantwortung der Fragen aufkommen. Nicht selten werden die Angaben „bagatellisiert“. Dieses kann sowohl dem Vermittler als auch dem Versicherten „auf die Füße fallen“.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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