Das LG Cottbus hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob dem Kranktagegeldversicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer ein Rückzahlungsanspruch bei gleichzeitigem Bezug von Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrenten zusteht (LG Cottbus v. 09.01.2020 – 6 O 444/18).
Der beklagte Versicherungsnehmer unterhielt bei dem klagenden Versicherungsunternehmen eine Krankentagegeldversicherung mit einem täglichen Anspruch in Höhe von 107,00 EUR. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen AVB RB/KT 2009 bzw. die vorherigen Bedingungen AVB RB/KT 1994 zu Grunde.
Der Beklagte war seit Ende 2009 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld bis einschließlich 30.09.2012. Mit Urteil vom 17.01.2017 hat das LG Bad Kreuznach die Berufsunfähigkeit des Beklagten festgestellt. Die Krankentagegeldversicherung erhielt in der Folge Kenntnis darüber, dass der Beklagte also seit dem 01.10.2011 BU-Renten aus mehreren BU-Versicherungen bezog, woraufhin sie zur Rückzahlung des erhaltenen Krankentagegeldes aufforderte. Der Beklagte wies diese Forderung jedoch zurück. Die Parteien streiten somit über eine Rückzahlung in Höhe von 28.350,92 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.09.2012.
Das Gericht gab dem Versicherer Recht und verurteilte den Versicherungsnehmer zur Rückzahlung der ab dem 01.01.2012 bis zum 30.09.2012 geleisteten Krankentagegelder in voller Höhe.
Gemäß § 8 Abs. 2 und § 19 Abs. 1 lit c) RB/KT 2009 endet nämlich der Versicherungsschutz mit dem Bezug einer BU-Rente. Die AVB sind im Übrigen wirksam und auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Der Beklagte war als Versicherungsnehmer zudem verpflichtet der Klägerin den Eintritt des Bezugs einer BU-Rente gem. § 15 S. 1 RB/KT 2009 bzw. RB/KT 1994 unverzüglich anzuzeigen. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Daher hat die Klägerin aufgrund der erst im Jahr 2017 erlangten Kenntnis von dem Bezug der BU-Rente einen vertraglichen Anspruch auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen unter Verrechnung der geleisteten Versicherungsbeiträge.
Der gleichzeitige Bezug von Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrente schließt sich aus. Ein Parallellauf beider Versicherungsleistungen ist rechtlich nicht gewollt (vgl. KG Berlin: Führt auch ein rückwirkender Bezug von Berufsunfähigkeitsrenten zur Beendigung des Versicherungsvertrages? Hat der Versicherer diesbezüglich eine gesonderte Hinweispflicht?). § 15 S. 2 und § 19 Abs. 1 lit c) RB/KT 2009 sehen den Bezug einer BU-Rente als solche bereits als einen gesonderten Beendigungsgrund vor. Dieser Beendigungsgrund steht zudem gleichwertig neben dem des Eintritts der Berufsunfähigkeit. Der Versicherer hat die Möglichkeit sich auf diesen Beendigungstatbestand allein zu berufen. Andernfalls hätte das Kriterium des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrenten in den Tarifbedingungen als Beendigungsgrund keine eigenständige Bedeutung neben dem der Berufsunfähigkeit.
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Der Anspruch der Klägerin war vorliegend auch nicht gem. § 7 RB/KT 2009 bzw. §§ 195, 199, 214 BGB verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt diese erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Es liegt hier keine grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherers mit Blick auf eine etwaige Verjährung des Rückzahlungsanspruches vor, denn eine positive Kenntnis bestand erst mit dem Urteil des LG Bad Kreuznach vom 17.01.2017; für eine fahrlässige Unkenntnis ist daher kein Raum.
Die Ansicht des Versicherungsnehmers, er könne beide Leistungen, KTG und BU parallel empfangen und dann auch behalten, ist gem. § 242 BGB zudem treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, so das LG Cottbus. Es handelt sich dabei um eine unzulässige Rechtsausübung, denn der gleichzeitige Bezug von KTG und BU schließt sich ja gerade aus (vgl. KG Berlin v. 04.04.2017 – 6 U 130/15).
Das Urteil überzeugt und ist rechtlich nachvollziehbar. Es reiht sich in viele ähnliche Gerichtsentscheidungen rein. Die Gerichte sind sich dahingehend einig, dass ein paralleler Bezug der vorgenannten Versicherungsleistungen nicht funktioniert. Problematisch wird es jedoch dann, wenn beide Versicherungen unterschiedlich prüfen, also zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ist keine Leistungs- und Servicegarantie vereinbart (wie dies vorliegend der Fall war), welche also zunächst zur Zahlung des Krankentagegeldes verpflichtet, bis die Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliege, endgültig geklärt ist, so könnte dieses zu Deckungslücken beim Versicherungsnehmer führen. Dieser könnte sich so dann diverser Rückforderungsansprüche ausgesetzt sehen:
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Krankentagegeldversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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