Der BGH hatte die Frage zu klären, ob der Eintritt in die Freistellungsphase einer in Blöcken wahrgenommenen Altersteilzeit zum Wegfall der Voraussetzungen für die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung führt. Dabei hatte er sich auch mit der Frage zu beschäftigen gehabt, ob der Versicherungsnehmer das vom Versicherer geleistete Krankentagegeld zurück zu gewähren hat (BGH Urt. v. 27.11.2019 – IV ZR 314/17).
Der beklagte Versicherungsnehmer unterhält bei dem Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, eine Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif TA 6, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen MB/KT in der Fassung von 1984 zugrunde liegen. Darin heißt es auszugsweise:
„§ 1 Gegenstand … des Versicherungsschutzes
(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, so-weit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird.
§ 11 Anzeigepflicht bei Wegfall der Versicherungsfähigkeit
Der Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit … einer versicherten Person ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Erlangt der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis, so sind beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurück zu gewähren.
§ 15 Sonstige Beendigungsgründe
Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen) bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. …“
Ziffer 1 des vereinbarten Tarifs lautet auszugsweise:
„Nach den Tarifen TA 6 … sind versicherungsfähig die Angestellten, die als Gehaltsempfänger in einem festen Arbeitsverhältnis stehen und lohnsteuerpflichtig sind. Dabei darf die Karenzzeit des gewählten Tarifs nicht kürzer sein als die Dauer des Anspruchs auf Fortzahlung des Gehalts.“
Der Versicherungsnehmer, der als Versicherungsvermittler angestellt war, trat am 1. Juli 2012 in die passive Phase der Altersteilzeit ein. Sein Arbeitsverhältnis wurde am 09. August 2013 fristlos gekündigt. Ab dem 13. August 2013 war der Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2014 schloss er mit seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, wonach die fristlose Kündigung gegenstandslos und die passive Altersteilzeit bis 31. Januar 2015 andauerte.
Sodann forderte das Versicherungsunternehmen, welches dem Versicherungsnehmer ab November 2013 Krankentagegeld gezahlt hatte, nach Kenntnis von der passiven Altersteilzeit seine geleisteten Zahlungen zurück. Das Landgericht gab der Klage statt. Doch das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich nunmehr die Revision des Versicherers.
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Die vom OLG zugelassene Revision des Versicherers blieb jedoch erfolglos. Denn der Eintritt in die Freistellungsphase einer in Blöcken wahrgenommenen Altersteilzeit führe nach Ansicht des BGH nicht zum Wegfall der Voraussetzungen für die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung. Krankentagegeld, dass der Versicherer in der Freistellungsphase geleistet habe, müsste der Versicherungsnehmer nicht nach § 15 a) MB/KT 84 i. V. m. § 11 Satz 2 MB/KT 84 zurückgewähren. Ein Rückzahlungsanspruch des Versicherers bestünde danach hinsichtlich solcher Leistungen, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses erbracht wurden. Das Versicherungsverhältnis ende bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit, führt der BGH aus.
Allgemeine Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln seien zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Nach Auffassung des Senats werde der durchschnittliche Versicherungsnehmer daher annehmen, dass er als Arbeitnehmer versicherungsfähig bleibe, wenn im Rahmen eines Altersteilzeitmodels von der Arbeits- in die Freistellungsphase wechsle. Auch in der Freistellungsphase bestehe das Arbeitsverhältnis fort. Das Entgelt, dass in dieser Phase gezahlt wird, stelle Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit dar, die der Lohnsteuer unterliegen, so der BGH.
Die Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung stehe einer Verneinung der Versicherungsfähigkeit entgegen, obwohl Verdienstausfälle bei Erkrankungen während der Freistellungsphase regelmäßig nicht mehr in Betracht kämen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne erkennen, dass sich der versprochene Versicherungsschutz nicht unmittelbar an seinem tatsächlichen Einkommensverlust orientiert, er vielmehr im Versicherungsfall eine im Voraus bestimmte, pauschalierte Entschädigung für jeden Tag bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ohne Rücksicht darauf erhält, welchen Verdienstausfall er tatsächlich erlitten hat. Demnach sei nicht ein konkreter Verdienstausfall versichert, sondern der abstrakte Bedarf, von dem angenommen wird, dass er bei Arbeitsunfähigkeit entstehen könnte. So liege jetzt auch im Streitfall. Zwar dürfe nicht jede Anknüpfung an einen Verdienstausfall fehlen. Der Versicherungsschutz entfalle aber nicht, wenn im Einzelfall aufgrund besonderer arbeits- oder sozialrechtlicher Regelungen trotz Arbeitsunfähigkeit kein Verdienstausfall drohe, abschließend der BGH.
Im Ergebnis kann die Entscheidung des BGH überzeugen und ist rechtlich nachvollziehbar. Zu Recht hat der BGH den Wegfall der Voraussetzungen für die Versicherungsfähigkeit des Beklagten verneint und somit einen Rückzahlungsanspruch des Versicherers abgelehnt. Nicht anderes ergibt eine Auslegung der Versicherungsbedingungen, als auch die Tatsache, dass es sich bei Altersteilzeit immer noch um eine Tätigkeit handelt, welche im Rahmen einer Summenversicherung – wie der Krankentagegeldversicherung – versichert sein kann.
Sofern ein Versicherer –Krankentagegeldversicherung und / oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung – die vollständige Leistungsregulierung ablehnt, so sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Krankentagegeldversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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