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Berufsunfähigkeit im Sinne der Krankentagegeldversicherung bestimmt sich nach der zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit (BGH)

Der BGH befasste sich mit der Frage, ob in der Krankentagegeldversicherung bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Versicherungsnehmers in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich ist. Dabei hatte er zu prüfen, ob bei der Bestimmung der Berufsunfähigkeit die Möglichkeit einer Umorganisation des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen ist (BGH Beschl. v. 14.12.2016 – IV ZR 422/15).

Der Fall vor dem BGH

Der Klägerin ist Versicherungsnehmerin und unterhält bei der beklagten Versicherung eine Krankentagegeldversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen 2008 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KT 2008, im Folgenden: MB/KT) zugrunde.

Die Versicherungsnehmerin war als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Im April 2007 erlitt sie eine Hirnblutung. Daher konnte sie keine chirurgischen Eingriffe und kosmetische Behandlungen mehr durchführen. Aus diesem Grund sollte die Gemeinschaftspraxis so umstrukturiert werden, dass die Versicherungsnehmerin nur noch Beratungen und ähnliches durchzuführen hätte. Die Wiederaufnahme der nunmehr geänderten Tätigkeit war geplant für Januar 2011. Doch die Wiederaufnahme konnte aus anderen gesundheitlichen Gründen nicht erfolgen. Ferner zog sich die Klägerin im April 2011 eine Schultergelenkläsion und eine Fraktion des Daumengrundgelenks zu.

Die zuständige Versorgungsanstalt bewilligte sodann mit Bescheid vom 17. November 2011 der Versicherungsnehmerin rückwirkend zum 1. Oktober 2011 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit. Der Versicherer erbrachte zunächst die vereinbarten Tagegeldleistungen aus der Krankentagegeldversicherung. Im Oktober 2010 kündigte der Versicherer an, die Zahlungen zum 18.11.2010 wegen Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 lit. b MB/KT einzustellen.

Mittels Klage begehrte die Versicherungsnehmerin die Verurteilung der beklagten Versicherung zur Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum vom 19. November 2021 bis zum 30. September 2011 mit der Begründung, dass es für eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 MB/KT auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit ankomme.

Die Versicherungsnehmerin hatte in den ersten beiden Instanzen jedoch keinen Erfolg. Gegen das Berufungsurteil richtet sich nunmehr die Revision der Klägerin.

Die rechtliche Wertung des BGH

Der BGH beabsichtigte, die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Zulassungsvoraussetzungen der Revision lägen nämlich nicht vor, teilt der BGH in seinem Beschluss mit. Denn zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass in der Krankentagegeldversicherung bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 lit. b MB/KT die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich und die Möglichkeit einer Umorganisation nicht zu berücksichtigen sei. Unter dem “bisher ausgeübten Beruf” verstehe der durchschnittliche Versicherungsnehmer dasselbe wie unter der “beruflichen Tätigkeit” im Sinne des § 1 Abs. 3 MB/KT, das heißt den Beruf in seiner konkreten Ausprägung, so wie die Versicherte ihn zuletzt ausgeübt habe.

In diesem Zusammenhang betont der BGH, dass das Verständnis des Versicherungsfalls in der Krankentagegeldversicherung keine Gleichsetzung des Begriffs der beruflichen Tätigkeit mit dem des Arbeitsplatzes bedeute. Nach Auffassung des BGH sei eine abweichende Definition der Berufsunfähigkeit damit nicht verbunden gewesen. Jedoch könne der Versicherer die Versicherungsnehmerin nicht darauf verweisen, durch Umorganisation die Voraussetzungen für die Wiederausübung ihres Berufs zu schaffen.

Die Revision habe damit in der Sache auch auch keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht habe das Berufungsgericht nämlich angenommen, dass der Versicherer leistungsfrei sei, weil die Versicherungsnehmerin in ihrem bisher ausgeübten Beruf zu mehr als 50% erwerbsunfähig sei.

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Fazit und Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BGH kann im Ergebnis überzeugen. Das Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Auslegung ist angesichts des Wortlauts des 15 Abs. 1 lit. b MB/KT, der auf den “bisher ausgeübten Beruf” abstellt, rechtlich nicht zu beanstanden. Dieselbe Auffassung wird überwiegend auch in der juristischen Literatur vertreten. Letztlich kommt es nicht auf das allgemeine Berufsbild, sondern auf den zuletzt konkret ausgeübten Beruf an.

Sofern ein Versicherer – zum Beispiel eine Krankentagegeldversicherung und / oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung – die vollständige Leistungsregulierung ablehnt, so sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Krankentagegeldversicherung“ zusammengefasst.

EXKURS: Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung

Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung sind nicht auf Dauer angelegt. Es soll damit eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit über einen gewissen Zeitraum überbrückt werden. Liegen jedoch dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen vor, so könnte die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung in Frage stehen (s.o.).

Aus diesem Grunde ist Versicherten anzuraten darüber hinaus Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung – sofern vorhanden – in Anspruch zu nehmen. Unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsnehmer einen Leistungsanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hat und welche rechtliche Fallstricke dabei zwingend zu beachten ist, kann nachfolgend nachgelesen werden:

“Fallstricke Berufsunfähigkeitsversicherung”.

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen Versicherung – Krankentagegeldversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung – ist anzuraten einen Fachanwalt für Versicherungsrechts zu konsultieren um umfassend über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beraten zu werden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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