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Bezug von Altersrente verhindert Versicherungsfähigkeit in Krankentagegeldversicherung (OLG Dresden)

Das OLG Dresden hat sie sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob mit dem Bezug von Altersruhegeld die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung entfällt. Dabei stellte sich die Frage, ob ein etwaiges Entfallen der Versicherungsfähigkeit auch dann gilt, wenn dem Versicherungsnehmer vertraglich die Option eingeräumt wurde, nach Maßgabe von § 196 VVG eine Verlängerung des Vertrages zu verlangen (OLG Dresden v. 23.11.2018 – 4 U 1255/18).

Der Sachverhalt vor dem OLG Dresden

Die klagende Versicherungsnehmerin unterhält bei der beklagten Versicherung eine Krankenversicherung mit einer Krankentagegeldversicherung und bezieht seit dem 01.01.2017 Altersrente. Die Beklagte hat so dann das Versicherungsverhältnis mit Schreiben vom 24.07.2017 aufgrund des ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Bezugs von Altersrente durch die Klägerin seit dem 01.01.2017 gem. § 15 Abs. I lit. c) MB/KT beendet. Die Versicherungsnehmerin begehrte daraufhin gerichtlich die Feststellung, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag mit der Krankentagegeldversicherung unverändert fortbesteht. Das LG Cottbus wies die Klage jedoch ab. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden hat entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung habe, dass der zwischen den Parteien bestehende Versicherungsvertrag unverändert fortbestehe. Denn der Versicherer habe das Versicherungsverhältnis mit Schreiben vom 24.07.2017 aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Bezugs von Altersrente durch die Versicherungsnehmerin seit dem 01.01.2017 gemäß § 15 Abs. 1c) MB/KT wirksam beendet.

Die Regelung sei nach Ansicht des OLG wirksamer Bestandteil des Versicherungsvertrages. Die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) seien durch das von dem Kläger in Bezug genommene Informationsschreiben nicht geändert worden, da das Schreiben einerseits erkennbar ausschließlich der Information der Versicherungsnehmerin dienen sollte und andererseits in dem Versicherungsschein ausdrücklich auf die Einbeziehung von geänderten AVB hingewiesen wurde. Ferner sei durch das Informationsschreiben die hier maßgebliche Versicherungsklausel in § 15 Abs. 1c) MB/KT auch inhaltlich nicht geändert worden, da ausdrücklich nur über die Möglichkeit des Fortfalls der Befristung und der Weiterführung des Vertrags bei Erreichen der Altersgrenze, aber nicht auf die infolge Altersrenten Bezug wegfallen der Versicherungsfähigkeit der Versicherungsnehmerin hingewiesen wurde, so das Gericht.

Keine Pflicht zur Vertragsfortführung durch den Versicherer

Das OLG Dresden vertritt die Auffassung, dass sich eine Verpflichtung zur Vertragsfortführung auch nicht aus § 196 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit § 15 Abs. 1c) MB/KT ergebe. Zwar habe die Klägerin grundsätzlich das Recht, nach Maßgabe von § 196 VVG den Abschluss einer neuen Krankentagegeldversicherung zu verlangen, wenn eine Beendigung der Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres tariflich unter A Nr. 2 AVB vereinbart sei. Allerdings entfalle diese Option aufgrund des Bezugs von Altersruhegeld, weil mit diesem Bezug die Versicherungsfähigkeit nach A Nr. 2 S. 2 AVB entfalle.

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Verschiedene Beendigungsgründe der Kranktagegeldversicherung

Bei der Beendigung der Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres und der Beendigung aufgrund des Bezugs von Altersruhegeld handele es sich um zwei unabhängig voneinander bestehende Beendigungsgründe, wobei das Altersruhegeld einen umstandsbedingten und das Lebensalter einen zeitlichen Beendigungsgrund darstelle, führt das OLG Dresden aus. Lediglich für den zeitlichen Beendigungsgrund sehe § 196 VVG die Möglichkeit vor, den Vertrag abweichend von den tariflichen Regelungen über das 65. Lebensjahr hinaus weiterzuführen. Zwar lassen sich dem Wortlaut des § 196 VVG keine weiteren Einschränkungen entnehmen, allerdings erschließe sich dem verständigen Versicherungsnehmer auch aufgrund der in der AVB vorgesehenen Regelung unter A Nr. 2 AVB, dass auch für die Option nach § 196 VVG weiterhin grundsätzlich Versicherungsfähigkeit vorliegen muss. Nach dieser Vorschrift sei jedoch nur versicherungsfähig, wer kein Altersruhegeld beziehe.

“Konkludente Vertragsfortführung steht Beendigung nicht entgegen”

Das OLG Dresden habe zu der vergleichbaren Problematik der Gewährung von Krankentagegeld bei gleichzeitigem Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente bereits entschieden, dass die streitgegenständliche Klausel in den Versicherungsvertrag so auszulegen sei, dass die Versicherungsfähigkeit des Versicherungsnehmers und die Leistungspflicht der Versicherung entfallen, sobald eine Rente bezogen wird. Der Versicherer habe zwar den Vertrag konkludent nach Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren weitergeführt, da er bis einschließlich Juli 2017 noch Prämien eingezogen habe. Denn die Versicherungsnehmerin habe das 65. Lebensjahr bereits im Juli 2016 vollendet, ohne dass der Vertrag zu diesem Zeitpunkt beendet worden wäre.

Jedoch stehe die konkludente Fortführung des Vertrages nach Auffassung des OLG Dresden nach Erreichen der Altersgrenze einer Vertragsbeendigung infolge Rentenbezug nicht entgegen. Denn es sei dem Versicherer unstreitig erst später bekannt geworden, dass der Vertrag wegen fehlender Versicherungsfähigkeit der Klägerin endete, nämlich erst mit dem Schreiben der Versicherten vom 13.07.2017, in dem sie auf den Rentenbezug hinwies. Damit habe es einen nachvollziehbaren Grund für den Versicherer gegeben, die Prämien weiter einzuziehen, so der Senat. Letztlich sei die Einziehung auch aus Sicht der Versicherungsnehmerin nicht als von einem Rentenbezug unabhängige Zustimmung zur Fortführung des Vertrags oder als Abschluss eines neuen Vertrags zu verstehen. Die Regelung in § 15 Abs. 1c) MB/KT verstoße demnach weder gegen die §§ 305 ff. BGB noch gegen das Befristungsverbot des § 195 Abs. 1 VVG, weil die Krankentagegeldversicherung bei Bezug einer Altersrente nicht mehr die notwendige Ersetzungsfunktion habe, abschließend das OLG.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Im Ergebnis kann die Entscheidung des OLG Dresden definitiv überzeugen. Sie hebt die entscheidende Bedeutung der zugrunde liegenden Vertragsbedingungen hervor und prüft die Wirksamkeit und Einbeziehung dieser in den Versicherungsvertrag rechtstechnisch sehr sauber. Ferner stellt das Gericht zutreffend fest, dass ein Rentenbezug zum Entfall der Versicherungsfähigkeit führt. Dabei ist ein Augenmerk darauf zu richten, dass selbst eine konkludente Fortführung des Versicherungsbeitrags der Beendigung des Versicherungsverhältnisses nicht entgegensteht. Stets ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, wann der Versicherer von den das Versicherungsverhältnis beendenden Umständen Kenntnis erlang.

Sofern ein Versicherer – zum Beispiel eine Krankentagegeldversicherung und / oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung – die vollständige Leistungsregulierung ablehnt, so sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden.

Weitere Hinweise und Urteilsbesprechungen im Versicherungsrecht können unter Versicherungsrecht nachgelesen werden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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