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Arbeitsunfähigkeit in Krankentagegeldversicherung bei möglicher Umorganisation (OLG Dresden)

Das OLG Dresden hat sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen einer Krankentagegeldversicherung auch dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer bei einer Umorganisation seines Arbeitsbereichs imstande wäre, ganz oder teilweise seiner Arbeit nachzugehen. Daneben hatte das Gericht ferner Beweisfragen hinsichtlich einer Berufsunfähigkeit zu klären (OLG Dresden Urt. v. 21.08.2018 – 4 U 1573/17).

Was war der Sachverhalt vor dem OLG Dresden?

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine Krankentagegeldversicherung. Dieser liegen die MB/KT 2009 zugrunde. Er war im Jahr 2012 als selbstständiger Projekt-Entwickler für die Entwicklung von Windkraftanlagen tätig. Im Mai 2015 bescheinigte der Versicherer dem Kläger die bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit. Dem war ein Haftaufenthalt des Versicherungsnehmers von Dezember 2012 bis Mai 2014 vorausgegangen. Ferner war der Bescheinigung vorausgegangen ein stationärer Aufenthalt des Versicherten in einem psychiatrischen Krankenhaus von Januar 2015 bis Mai 2015. Während des stationären Aufenthalts wurde beim Versicherten eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine Abhängigkeit von Sedativa (Beruhigungsmittel) oder Hypnotika (Schlafmittel), eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie (Platzangst) mit Panikstörung diagnostiziert.

Nachdem der Versicherte seit Mai 2014 von dem Versicherer bereits Krankentagegeld erhalten hatte, forderte ihn der Versicherer im Mai 2015 auf, sich zu Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch einen von dem Versicherer benannten Gutachter untersuchen zu lassen. Die Untersuchung sollte im Juni 2015 stattfinden. Der Versicherungsnehmer nahm diesen Termin mit der Begründung nicht wahr, hier zu gesundheitlich nicht in der Lage zu sein. Daraufhin stellte der Versicherer die Krankentagegeldzahlung ein. Im Juli 2015 kam es dann tatsächlich doch zur Begutachtung durch den vom Versicherer benannten Sachverständigen. Dieser Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht arbeitsunfähig ist. Jedoch kamen zwei Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der behandelnde psychologische Psychotherapeut zu einem anderen Ergebnis.

Sodann kam es durch das erstinstanzliche Gericht zur Anordnung einer fachpsychiatrischen Untersuchung. Das Gutachten erachtete den Versicherungsnehmer für arbeitsunfähig. Das Landgericht kam nunmehr infolge der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer zwar nicht berufs-, aber für den beantragten Leistungszeitraum als arbeitsunfähig anzusehen sei und sprach die begehrten Leistungen dem Kläger vollumfänglich zu. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Krankentagegeldversicherers.

Die Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden hat entschieden, dass die zulässige Berufung des Versicherers gegen das Urteil des LG Dresden in der Sache ohne Erfolg bleibe. Das Landgericht habe dem Kläger das begehrte Krankentagegeld zu Recht zugesprochen, so das OLG Dresden.

Der Versicherungsnehmer habe einen Anspruch auf Gewährung von Krankentagegeld auf der Grundlage von § 1 Abs. 1, Abs. 3 MB/KT 2009, weil er nachgewiesen habe, im geltenden Zeitraum arbeitsunfähig im Sinne von § 1 Abs. 3 MB/KT 2009 gewesen zu sein. Der Senat sei aufgrund der Ausführungen des Gerichtssachverständigen davon überzeugt, dass der Versicherte seine Geschäftstätigkeit nicht, auch nicht teilweise, ausführen konnte.

Darüber hinaus sei der Kläger im geltend gemachten Zeitraum auch nicht berufsunfähig gewesen. Daher komme nach Ansicht des OLG Dresden eine Leistungskürzung oder gar Reduzierung auf Null wegen einer Obliegenheitsverletzung ebenfalls nicht in Betracht.

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Besonderheiten der Krankentagegeldversicherung

Eine Arbeitsunfähigkeit nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 MB/KT 2009 liege nach Ansicht des Senats zwar nur dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Vorliegend sei allerdings wegen der Besonderheiten der Krankentagegeldversicherung zu berücksichtigen: Es spiele keine Rolle, ob der Kläger durch eine Verlegung seines Arbeitsplatzes in den häuslichen Bereich ganz oder teilweise seine Arbeit nachgehen könnte. Denn ein Wechsel der Arbeitssituation werde dem Versicherungsnehmer im Rahmen einer Krankentagegeldversicherung nicht zugemutet, weil diese den erkennbaren Zweck habe, einen vorübergehenden Ausfall der Arbeitskraft auszugleichen.

Daher komme es auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer seine damals ausgeübte Tätigkeit so hätte umorganisieren können, dass sie noch ihre wesentliche Ausprägung im Kern behalten hätte. Letztendlich bleibt es bei der Frage nach der Berufsunfähigkeit exakt bei der geschilderten Tätigkeit. Im Streitfall sei der Kläger damit als vollständig arbeitsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen, so das OLG.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Im Ergebnis kann die Entscheidung des OLG Dresden durchaus überzeugen. Denn sie hebt die Erheblichkeit der richtigen Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit hervor. Diese Erheblichkeit ist insbesondere entscheidend für eine Abgrenzung zwischen einer Krankentagegeldversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung. In der Krankentagegeldversicherung ist ein Versicherungsfall bei Arbeitsunfähigkeit gegeben. Für einen Leistungsanspruch zur Berufsunfähigkeitsversicherung muss eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorliegen. Zutreffend hat der Senat betont, dass der Zweck der Krankentagegeldversicherung darin besteht, einen nur vorübergehenden Ausfall der Arbeitskraft auszugleichen. Die Berufsunfähigkeit hingegen setzt voraus, dass der arbeitsunfähige Versicherte auf nicht absehbare Zeit in dem ausgeübten Beruf erwerbsunfähig bleiben wird. Dies hat das OLG Dresden technisch hervorragend ausgearbeitet.

Sofern ein Versicherer – gleich ob Krankentagegeldversicherung und / oder Berufsunfähigkeitsversicherung – die vollständige Leistungsregulierung ablehnen, so sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden.

Weitere Hinweise und Urteilsbesprechungen im Versicherungsrecht können unter Versicherungsrecht nachgelesen werden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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