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Tätigkeitswechsel in der Krankentagegeldversicherung (OLG Hamm)

Das OLG Hamm hatte die Frage zu klären, ob die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung entfällt, wenn zu einem versicherten Beruf ein weiterer nicht versicherter Beruf, wenn auch gleichwertig, hinzutritt (OLG Hamm Urt. V. 29.08.2018 – 20 U 52/18).

Tätigkeitswechsel vom Gastronom zum Automatenaufsteller

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine Krankentagegeldversicherung. Dieser lagen die MB/KT 2009 zugrunde. Der Versicherte ist als Gastronom tätig. Diese Tätigkeit ist dabei versichert und genießt Versicherungsschutz. Zu der Tätigkeit als Gastronom tritt ein weiter Beruf, nämlich die Tätigkeit als Automatenaufsteller hinzu.

“MB/KT 2009 § 1 Abs. 2 und 3:

(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. […]

(3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.“

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Versicherungsfall im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 MB/KT 2009 begann, weil wegen einer Burn-Out- und Depressionserkrankung eine medizinisch notwendige Heilbehandlung des Klägers erfolgte und in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde. Sodann begehrte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht die Zahlung von Krankentagegeld. Das LG hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich nunmehr die Berufung des Versicherungsunternehmens.

OLG Hamm urteilt zum Tätigkeitswechsel in der Krankentagegeldversicherung

Die zwar zulässige Berufung der Versicherung ist jedoch nicht begründet. Das LG habe den Versicherer zu Recht zur Zahlung von Krankentagegeld verurteilt. Dem Versicherungsnehmer stehe der Anspruch auf Zahlung weiteren Krankentagegeldes für den genannten Zeitraum aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu.

Das Versicherungsverhältnis sei entgegen der Auffassung des Versicherers nicht gemäß   § 15 Abs. 1a) MB/KT 2009 beendet worden. Danach ende das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats, indem eine Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit wegfällt. Dies könne unter anderem dann der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer zu einer Tätigkeit wechselt, die nach dem bisherigen Tarif nicht versicherbar ist. Vorliegend habe der Versicherer zwar unwidersprochen vorgetragen, dass eine Tätigkeit als Automatenaufsteller bei ihr nicht versicherbar sei. Dennoch habe der Versicherungsnehmer nicht im vorstehenden Sinne zu einer nicht versicherbaren Tätigkeit gewechselt. Denn seine Tätigkeit als auf Automatenaufsteller trat vielmehr lediglich neben die nach dem Versicherungsvertrag versicherte Tätigkeit des Klägers als Gastronom, so das Gericht.

Dieser Fall sei jedenfalls dann nicht von § 15 Abs. 1a) MB/KT 2009 erfasst, wenn die neu hinzutretende Tätigkeit nicht einmal den Schwerpunkt bilde, sondern wir hier allenfalls gleichberechtigt neben der bereits bestehenden Tätigkeit ausgeübt werde. Dass seine Tätigkeit als Gastronom weiterhin die Hälfte seiner beruflichen Tätigkeit ausmachte, habe der Kläger glaubhaft erläutert.

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Welche Tätigkeit bildet den Schwerpunkt für den Versicherten?

Der Versicherungsnehmer habe ferner bewiesen, dass er bedingungsgemäß arbeitsunfähig war, nämlich seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben konnte und auch nicht ausübte. Nach Auffassung des Senats kann dabei offengelassen werden, ob Anknüpfungspunkt für diese Beurteilung ausschließlich der im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ausgeübte Beruf des Versicherungsnehmers als Gastronom oder das zuletzt ausgeübte Nebeneinander der Tätigkeiten als Gastronom und Automatenaufsteller sei. Es stehe zu Überzeugung des Gerichts fest, dass der Versicherte zunächst selbstständig als Gastronom tätig war und in dieser Zeit sämtliche damit verbundenen Verrichtung wie die Erledigung der Einkäufe, die Bedienung der Gäste, die Reinigung der Räumlichkeiten, den Kassenabschluss und die allgemeine Buchführung erledigte. Ebenso sei der Senat überzeugt, dass die Tätigkeit des Versicherten im weiteren Verlauf in einem Nebeneinander dieser Gastronomietätigkeit und einer Tätigkeit als Automatenaufsteller bestand, wobei zu letzterem insbesondere die Wartung und Reparatur sowohl eigener als auch fremde Geräte gehörte.

Kein “Berufswechsel” des Versicherten

Unabhängig davon, ob auf die Tätigkeit ausschließlich als Gastronom oder auf das Nebeneinander von Gastronomie und Automatenaufsteller abzustellen sei, sei der Versicherungsnehmer vollständig außer Stande gewesen, seine berufliche Tätigkeit auszuüben. Dies ergebe sich aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen. Auf eine Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers könne sich der Versicherer nicht mit Erfolg berufen. Denn eine Obliegenheitsverletzung liege wohl schon tatbestandlich nicht vor. Zwar sehe § 9 Abs. 5 MB/KT 2009 vor, dass “jeder Berufswechsel der versicherten Person unverzüglich anzuzeigen ist.” Im Streitfall habe den Versicherungsnehmer eine solche Pflicht aber wohl nicht getroffen, da er nicht im Sinne von § 9 Abs. 5 MB/KT 2009 den Beruf gewechselt habe, so das Oberlandesgericht. Denn es spreche viel für die Auffassung, wonach von einem “Berufswechsel” dem Wortlaut nach nicht gesprochen werden könne, wenn der Versicherte neben dem fortbestehenden ursprünglichen beruflichen Einsatz lediglich zusätzlich eine weitere Tätigkeit aufnimmt.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm kann im Ergebnis überzeugen. Zutreffend geht der Senat nämlich davon aus, dass kein Berufswechsel im Sinne der Versicherungsbedingungen stattgefunden hat. Zu Recht liegt lediglich ein Hinzutreten einer weiteren Tätigkeit vor. Dies muss der Versicherte demnach dem Versicherer nicht mitteilen. Lehnt ein Versicherer die Leistungsregulierung ab, sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden. Weitere Hinweise und Urteilsbesprechungen im Versicherungsrecht können unter Versicherungsrecht nachgelesen werden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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