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Wegfall des Krankentagegeldes bei Berufsunfähigkeit (OLG Frankfurt a. M.)

Das OLG Frankfurt a. M. hatte zu klären, wann es zu einem Wegfall des Krankentagegeldes wegen Berufsunfähigkeit kommt. Dabei hatte sich das Gericht auch mit der Frage zu befassen gehabt, ob für die Annahme von Berufsunfähigkeit eintretende Heilungschancen zu berücksichtigen sind (OLG Frankfurt a. M. v. 14.09.2017 – 3 U 98/17).

Der Sachverhalt des OLG Frankfurt a. M.

Der Versicherungsnehmer unterhält eine Krankentagegeldversicherung. Aus dieser ist der Versicherer verpflichtet ab dem 43. Tag der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld zu zahlen.  Der Versicherungsnehmer war bis 2015 als selbstständiger X von C-Anlagen tätig mit einem Anteil an Außendiensttätigkeit von 85%.

Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde.

„§ 15. Sonstige Beendigungsgründe

I.1 Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen, (…)

  1. b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.“

Im Februar 2015 wurde beim Versicherten ein Hirntumor diagnostiziert. Er beantragte der bei der Beklagten wegen Arbeitsunfähigkeit die Leistung von Krankentagegeld, das die Beklagte zunächst vertragsgemäß auszahlte. Nach einem Jahr holte jedoch die Beklagte ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Zweck der Überprüfung der Berufsunfähigkeit des Klägers ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer im zuletzt ausgeübten Beruf als selbstständiger X von C-Anlagen zu mehr als 50% erwerbsunfähig war, da er an einer nicht mehr zu heilenden, palliativ zu behandelnden Tumorerkrankung litt. Der Versicherer informierte daraufhin den Kläger über diesen Befund und wies auf die daraus folgende Vertragsbeendigung hin. Der Versicherte hat jedoch behauptet, es bestünde eine Heilungsmöglichkeit, auch wenn die Erkrankung lang andauere. Der Versicherer vertritt hingegen die Ansicht, dass der Kläger berufsunfähig sei, so dass der Vertrag beendet sei.

Das Landgericht hat die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen. Dagegen richtet sich nunmehr die Berufung des Versicherten.

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Die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M.

Die zulässige Berufung des Klägers habe in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, so das OLG. Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Zurecht und mit zutreffender Begründung sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein weiterer Anspruch aus § 192 Abs. 5 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag zustehe, da der Versicherungsvertrag nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers beendet sei. Der Kläger sei jedenfalls seit dem 25. Februar 2016 berufsunfähig, also im Sinne des § 15 I 1 b) AVB nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50 % erwerbsunfähig.

Dies habe die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte unter Vorlage des Sachverständigengutachtens schlüssig vorgetragen. Diese komme zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer im zuletzt ausgeübten Beruf als Selbstständiger zu mehr als 50 % erwerbsunfähig sei, nämlich wegen einer nicht mehr zu heilenden, nur noch palliativ zu behandelnden Tumorerkrankung. Das OLG vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Gutachten um einen für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ausreichenden medizinischen Befund im Sinne des § 15 I 1 b) AVB handele. Denn das zum Zweck der Überprüfung der Berufsunfähigkeit des Versicherten in Auftrag gegebene Gutachten enthalte sowohl zutreffend aufgrund der Patientendokumentation des Krankenhauses erhobene Befunde, als auch die im Ergebnis zutreffende Feststellung der Berufsunfähigkeit des Klägers. Das LG habe zu Recht von der Einholung eines durch den Versicherten bereits erstinstanzlich angebotenen medizinischen Sachverständigengutachtens abgesehen, nachdem der Kläger dem durch die Beklagte eingeholten medizinischen Befund nicht substantiiert entgegengetreten sei.

Ferner kam das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit allein von dem zuletzt konkret ausgeübten Beruf auszugehen sei. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde den Begriff der Berufsunfähigkeit § 15 I 1 b) AVB nicht anders verstehen als denjenigen der Berufsunfähigkeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung und sich an deren Regelungen orientieren. Dann werde er aber auf § 172 Abs. 2 VVG stoßen und dort eine vergleichbare Formulierung finden. Danach ist berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung war, infolge Krankheit ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann, führte der Senat weiter aus.

Da im Streitfall die gesetzliche Definition der Berufsunfähigkeit aus § 172 Abs. 2 VVG zugrunde zu legen sei, könne auch dahinstehen, wie sich das Wachstum des Tumors nach Feststellung der Berufsunfähigkeit entwickelt hatte und ob inzwischen eine realistische Heilungsmöglichkeit bestehe. Denn Berufsunfähigkeit im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG bedeute, dass eine günstige Prognose für die Wiederherstellung von verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum nicht gestellt werden kann. Es müsste demnach ein Zustand erreicht sein, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft ex ante nicht mehr zu erwarten sei. Dies sei vorliegend der Fall. Demnach liege hier eine Berufsunfähigkeit vor, abschließend das OLG Frankfurt a. M.

Fazit und Hinweis Praxis

Im Ergebnis kann die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. durchaus überzeugen. Dieser Entscheidung sowie anderen Entscheidungen ist zu entnehmen, dass es zahlreiche Gründe geben kann, die die Versicherungsfähigkeit entfallen lassen können. Dazu gehört beispielsweise der Bezug von Altersrente, Berufsunfähigkeitsrente, das Vorliegen einer Arbeitslosigkeit oder aber auch wie in dem vorliegenden Fall das Ergebnis, dass eine nicht mehr zu heilende Erkrankung und damit Berufsunfähigkeit vorliegt, so dass der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung behält.

Lehnt ein Versicherer die Leistungsregulierung ab, sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden. Weitere rechtliche Hinweise und wichtige Urteilsbesprechungen können hier nachgelesen werden: Versicherungsrecht.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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