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Unwirksamkeit der Regelung über die Herabsetzung des Krankentagegelds (BGH)

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob die in Frage stehende Regelung über die Herabsetzung des Krankentagegelds und des Versicherungsbeitrags wegen Intransparenz unwirksam ist (BGH Urt. v. 06.07.2016 – IV ZR 44/15).

Versicherer nimmt Herabsetzung des Krankentagegelds vor

Der klagende Versicherungsnehmer, ein selbstständiger Ofensetzer- und Fliesenlegermeister, unterhält bei dem Beklagten, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, eine Krankentagegeldversicherung mit einem Tagessatz in der ursprünglichen vereinbarten Höhe von 100 Euro. Diesem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten zugrunde, die in den im Streitfall relevanten Teilen den Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KT 2009, im Folgenden: MB/KT) entsprechen.

Unter Verweis auf § 4 abs. 4 MB/KT nahm das Versicherungsunternehmen eine Herabsetzung des Krankentagegelds von der ursprünglich vereinbarten Höhe von 100 Euro auf 62 Euro vor. Der Versicherer hatte zuvor den Einkommenssteuerbescheid des Versicherungsnehmers für das vorvergangene Jahr erhalten und diesen als Berechnungsgrundlage für das maßgebliche Nettoeinkommen herangezogen. Der Versicherungsnehmer begehrt daher gerichtlich die Feststellung, dass das beklagte Versicherungsunternehmen zur Herabsetzung des Krankentagegelds nicht berechtigt war. Er bestritt insbesondere die Wirksamkeit der Regelung des § 4 Abs. 4 MB/KT.

„§ 4 MB/KT. Umfang der Leistungspflicht. (…)

(4) Erlangt der Versicherer davon Kenntnis, dass das Nettoeinkommen der versicherten Person unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde gelegten Einkommens gesunken ist, so kann er ohne Unterschied, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen. Bis zum Zeitpunkt der Herabsetzung wird die Leistungspflicht im bisherigen Umfang für eine bereits eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht berührt.“

Das LG Konstanz hatte die Klage des Versicherten abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Karlsruhe der Klage jedoch stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten Versicherers.

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Die Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte im vorliegenden Fall das Urteil des Berufungsgerichts. Jedoch hat der BGH dem Berufungsurteil in Teilen widersprochen. Im Streitfall sei eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht allein deshalb anzunehmen, dass § 4 Abs. 4 MB/KT keinen Zeitpunkt benenne, zu dem der Versicherer sein Anpassungsrecht spätestens ausüben muss, nachdem er von der Minderung des Nettoeinkommens Kenntnis erlangt hat.

Dennoch sei die Regelung des § 4 Abs.4 MB/KT intransparent im Sinne des § 307 Abs.1 S. 2 BGB. Denn das Transparenzgebot fordere vom Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Hierfür müsse die Formulierung einer Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sein, ihn die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen erkennen lassen. Auch müsse sie verdeutlichen, welchen Umfang der Versicherungsschutz hat und wodurch dieser gefährdet werden könne, so der BGH.

Vorliegend seien diese Merkmale in der Anpassungsklausel des § 4 Abs. 4 MB/KT nicht enthalten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne ihr weder hinreichend klar entnehmen, welcher Bemessungszeitpunkt und Bemessungszeitraum für den Vergleich der ursprünglichen mit den gesunkenen Nettoeinkünften maßgeblich ist, noch, wie sich dieses Nettoeinkommen bei selbstständigen Versicherungsnehmern zusammensetzt. Ferner sei für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus § 4 Abs. 4 MB/KT nicht ersichtlich, wie lang die Einkommensminderung nach Vertragsschluss andauern muss, bevor der Versicherer eine Anpassung nach §. 4 Abs. 4 MB/KT, also eine Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes, vornehmen darf.

Auch der Begriff des “Nettoeinkommens” ist intransparent

Des Weiteren sei der maßgebliche Begriff des “Nettoeinkommens” in § 4 Abs. 4 MB/KT für den durchschnittlichen Versicherten auch nicht transparent. Die Versicherungs- und Tarifbedingungen des Versicherers enthalten eine Definition nicht, so der BGH. Dadurch, dass der Begriff des Einkommens in verschiedenen Rechtsgebieten, zum Beispiel im Steuer-, Sozial- oder Unterhaltsrecht, so unterschiedlich interpretiert werde, könne von einem allgemeinen Sprachgebrauch nicht ausgegangen werden. Demnach sei der Begriff auch für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer intransparent. Verstärkt werde nach Auffassung des BGH die Intransparenz des Begriffs bei einem beruflich selbstständigen Versicherungsnehmer. Denn die Nettoeinkommensverhältnisse eines Selbstständigen unterlägen weiterer, unter anderem steuerrechtlicher Beurteilungen, die in die Berechnung eines “Nettoeinkommens” einbezogen werden müssen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BGH kann im Ergebnis überzeugen und ist rechtlich absolut nachvollziehbar. Der BGH geht zu Recht davon aus, dass diese Anpassungsklauseln intransparent sind und damit die Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen. Lesen Sie in diesem Zusammenhang hier auch zu der Frage: Kann der Versicherer das Krankentagegeld rückwirkend reduzieren?

Sofern ein Versicherer – Krankentagegeldversicherung und / oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung – die vollständige Leistungsregulierung ablehnt oder einkürzt, so sollte zeitnah fachanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, damit keine Ansprüche der Versicherten vereitelt werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Krankentagegeldversicherung“ zusammengefasst.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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