Beweislast für den Versicherungsfall in der Kaskoversicherung (OLG Karlsruhe)

Das OLG Karlsruhe urteile am 06.04.2021 (Az.: 12 U 333/20) zur Beweislast für den Versicherungsfall und damit zu den Anforderungen an den Nachweis, dass ein Schadensereignis als versicherter „Unfall“ in der Kaskoversicherung einzuordnen ist.

Kein Versicherungsschutz wegen falscher Angaben in der Schadensanzeige?

Der Versicherungsnehmer begehrt von der beklagten Versicherung Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung. Er behauptete, dass ein „Unfall“ eingetreten sei. Sein Sohn soll nachts mit dem Fahrzeug gefahren sein, er hatte noch einen Beifahrer dabei. Ungefähr 400 Meter vor einer Ortseinfahrt fuhr der Sohn mit 30 bis 40 km/h in einen Kreisverkehr und nahm die nächste Ausfahrt. Es soll ein Tier von links auf die Straße gesprungen sein, woraufhin der Sohn erschrak und das Fahrzeug nach rechts gegen die Leitplanke zog. Die rechte Hälfte des Fahrzeuges wurde hierdurch beschädigt.

Der Versicherer wollte die Leistung wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung verweigern, da in der Schadensanzeige der Mitfahrer nicht als Zeuge benannt wurde.

Versicherungsnehmer hat Beweislast für den Versicherungsfall erfüllt!

Das OLG wertete die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen aus. Das Fahrzeug weist eindeutig typische Beschädigungen auf, die nach den geschilderten Umständen des Sachverhalts zu erwarten wären. Die Angaben zum Hergang der zwei Zeugen (Fahrer & Beifahrer) sollen zwar in Teilen widersprüchlich sein, jedoch bestanden keine konkreten Zweifel daran, dass sich ein Unfall so wie geschildert zugetragen hat.

Der Versicherungsnehmer in der Kaskoversicherung muss zudem nur darlegen und beweisen, dass ein „Unfall“ stattgefunden hat. Dabei reicht es im Einzelfall aus, wenn die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einen Unfall im versicherten Zeitraum beruhen könnten. Dem ist hier so, die rechte Seite des Fahrzeugs war derart beschädigt, wie es nur aufgrund eines Unfalls geschehen könnte. Der Versicherer auf der anderen Seite müsste beweisen, dass der Unfall vorsätzlich (gewollt) herbeigeführt wurde, um seine Versicherungsleistung verweigern zu können.

Auf eine Leistungskürzung wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung wegen der Nicht-Benennung des Beifahrers als Zeugen, konnte sich der Versicherer nicht berufen. Die unterbliebene Benennung ist tatsächlich eine Obliegenheitsverletzung, so dass OLG. Jedoch konnte der Versicherungsnehmer die Fragestellung: „Gibt es Zeugen, die den Unfall beobachtet haben?“, derart missverstehen, dass er nur außerhalb des Fahrzeugs befindliche Personen als gemeint verstehen darf. Mithin hat er weder arglistig noch grob fahrlässig den Fragebogen falsch beantwortet, indem er den Beifahrer nicht erwähnte.

Fazit zur Entscheidung des OLG Karlsruhe

Zugunsten der Versicherungsnehmer gilt der „Unfall“-Begriff in der Kaskoversicherung als eine Vermutungsregel. Erleidet das versicherte Fahrzeug Schäden, die nur aus einem Unfall herstammen können, so gilt der Schaden als durch einen Unfall verursacht. Der Versicherer muss dagegen den Beweis führen, dass entweder kein Unfall stattfand oder der Versicherungsnehmer den Unfall in besonders schuldhafter Weise verursacht hat. Sollte die Versicherungsleistung aus einer Kaskoversicherung verwehrt werden, so sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der rechtlichen Bewertung betraut werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ zusammengefasst.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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