Mit Beschluss vom 28.01.2021 stellte das OLG Dresden (Az.: 4 U 1691/20) fest, welche inhaltlichen Anforderungen an eine Schadensanzeige an den Versicherer zu stellen sind und welche Rechtsfolgen eine verspätete Anzeige hat.
Der Kläger verlangt von der beklagten Kaskoversicherung die Auszahlung der Versicherungsleistung, aufgrund des Diebstahls eines versicherten Fahrzeuges. Dem Versicherungsvertrag lagen allgemeine Kaskobedingungen (AKB) zugrunde, nach denen der Versicherungsfall innerhalb einer Woche anzuzeigen ist. Die Assistentin des Klägers teilte die Entwendung kurz telefonisch mit, ohne dabei Ort und Zeit näher zu bestimmen. Es bestand Streit darüber, ob der Versicherte dem Versicherer den Versicherungsfall hiermit hinreichend angezeigt hat. Der Versicherer beabsichtigte die Versicherungsleistung zu kürzen, und zwar wegen verschuldeter unzureichender Schadensanzeige.
Teil des Versicherungsvertrages wurde eine wirksam vereinbarte Bedingung (Ziff. E. 1.1.1 AKB), nach derer die Schadensanzeige innerhalb einer Woche zu erfolgen hatte. Die Anzeigeobliegenheit soll es dem Versicherer ermöglichen seine Leistungspflicht zu prüfen und unter Umständen geeignete Maßnahmen zur Schadensabwendung und -minderung zu tätigen. Dafür erforderlich ist die Mittelung der wesentlichen Umstände des Versicherungsfalleintritts, als solche, so stellt das OLG Dresden fest, sind Angaben zu Ort und Zeit des Schadenshergangs unter der Bezugnahme auf einen bestimmten Versicherungsvertrag anzuzeigen. Die kurze und ohne weitere Informationen enthaltende telefonische Anzeige der Assistentin genügte dem OLG Dresden damit im Ergebnis nicht.
Die Leistungskürzung richtet sich nach § 28 VVG. Es wird gefragt, welchen Grad an Verschulden trifft den Versicherungsnehmer hinsichtlich der Obliegenheitsverletzung, um so dann eine Kürzung anhand des Verschuldensgrades vornehmen zu können. Eine vorsätzliche (gewollte) Obliegenheitsverletzung schließt das OLG aus. Aufgrund der Annahme des Klägers, dass er durch die telefonische Mitteilung durch seine Assistentin seiner Anzeigeobliegenheit vollumfänglich genügt hat und keine weiteren Aufklärungsmaßnahmen ergriff, schloss das Gericht auf einen grob fahrlässigen Verstoß. Somit könnte der Versicherer zu einem Teil von der Leistung frei sein.
Die Leistungskürzung aufgrund einer Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit ist allerdings nur dann statthaft, wenn der Versicherungsnehmer über diese mögliche Rechtsfolge gem. § 28 Abs. 4 VVG durch den Versicherer belehrt wurde. Dem Versicherungsnehmer wurde vorliegend ein Schadensanzeigeformular zugesandt. Darin waren nur die Folgen „vorsätzlich falscher, unvollständiger oder unwahrer Angaben“ als Rechtsmittelbelehrung aufgeführt. Die Folgen einer (grob fahrlässigen) verspäteten Schadensanzeige waren darin nicht dokumentiert. Somit entfällt vorliegend die Möglichkeit des Versicherers die Leistung zu kürzen. Anders wäre dies nur verhalten, wenn der Versicherungsnehmer entgegen von Treu und Glauben selbst arglistig gehandelt hätte. Der Versicherungsnehmer handelte jedoch – aus genannten Gründen – nicht arglistig.
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Dieser vorliegende Rechtsstreit zeigt im Ergebnis die Erforderlichkeit der Mitteilung der wesentlichen Umstände, aus denen sich für den Versicherer der Eintritt des Versicherungsfalls ergibt, damit er grundsätzlich selbst noch Maßnahmen ergreifen könnte. Die Schadensmeldung ist somit an gewisse Voraussetzungen geknüpft, welche dringend eingehalten werden sollte, damit der Versicherer die Leistungen nicht einfach so kürzen kann.
Auch zeigt dieser Fall jedoch, das dem Versicherer hinsichtlich seines Leistungskürzungsrecht Grenzen gezogen sind. Im Zweifel muss der Versicherer auch konform über die Rechtsfolgen belehrt haben, was, wie dieser Fall zeigt, nicht immer korrekt geschieht.
Mithin sollte in einem Schadensfall ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Betreuung einer solchen Rechtsangelegenheit betraut werden, damit keine Ansprüche vereitelt werden. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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