LV 1871 a.G. erbringt eine Vergleichszahlung im Rechtstreit um Berufsunfähigkeit vor dem LG Hamburg

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte erwirkt in einem gerichtlichen Verfahren vor dem LG Hamburg im Rahmen eines Streits um Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den Versicherten die Zahlung einer hohen Vergleichssumme durch die Lebensversicherung von 1871 a.G. München (nachfolgend – LV 1871 a.G. – genannt).

LV1871 a.G. kündigte Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ)

Die Mandantschaft war als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Zunächst war dieser in kaufmännischer Weise tätig. Aufgrund des Ausscheidens von Mitarbeitern musste der Mandant neben der kaufmännischen Tätigkeit auch weitere Tätigkeiten ausüben, zu denen auch das „Baggerfahren“ gehörte. Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der LV 1871 a.G., um seine Arbeitskraft abzusichern. Nachdem es beim Versicherten zu gesundheitlichen Problemen kam, war bzw. ist ihm die Ausübung des bisherigen Berufes nicht mehr möglich. Vor diesem Hintergrund beantragte die Mandantschaft Leistungen aus dem Versicherungsvertrag (siehe hierzu Berufsunfähigkeit beantragen).

Der Versicherte war zudem noch bei anderen Versicherungen gegen den Verlust der Arbeitskraft abgesichert, welche eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit unproblematisch anerkannten (siehe hierzu auch Wann liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor). Lediglich die LV1871 a.G. lehnte jedoch Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ab und kündigte ferner den Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherungsvertrag (BUZ), überraschender Weise sogar außerordentlich. Grund für die außerordentliche Kündigung soll die Vortäuschung eines Versicherungsfalles durch den Versicherten gewesen sein. Konkret ging es nach Auffassung des Versicherers dabei um Kündigungsgründe im Rahmen von Angaben zum Tätigkeitsbild, zu den bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und um das Freizeitverhalten des Versicherten.

Rechtliche Würdigung der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Der Mandantschaft wurde im Rahmen der Kündigung des BUZ-Vertrags durch die LV 1871 a.G. mit einer – nach Ansicht der Kanzlei Jöhnke & Reichow – völlig fadenscheinigen Begründung ein unplausibler Vortrag hinsichtlich der Tätigkeit der Mandantschaft im Unternehmen vorgeworfen. Es sei richtig gewesen, dass damalig eine kaufmännische Tätigkeit angegeben wurde, weil dies den Tatsachen entsprochen hat. Dass der Mandant nunmehr auch aufgrund des Ausscheidens von Mitarbeitern selbst den Bagger „bedienen“ musste, habe nichts mit einem falschen Tatsachenvortrag zu tun. Es bestand einerseits keine vertragliche Nachmeldepflicht. Andererseits werde die gesamte Tätigkeit des Versicherungsnehmers zu bewerten sein, wozu auch in diesem Fall das Baggerfahren gehöre. Dies sei demnach plausibel, so die Kanzlei.

Gesundheitliche Würdigung dieses Einzelfalls

In Anbetracht der gesundheitlichen Probleme des Mandanten sei die Selbstbeschreibung der konkreten Einschränkungen des Versicherten seit August 2015 ärztlich nachgewiesen. Hierbei handelt es sich konkret um körperliche Beeinträchtigungen beim Gehen, Stehen, Heben, Tragen, Sitze, Autofahren, Baggerfahren und auch im Hinblick auf die Konzentration. Zusätzlich wurde beim Mandanten eine Therapie auf Fersensporn (beidseitig) vorgenommen. Dies spreche zusätzlich für das schmerzhafte Gehen, so die Kanzlei. Des Weiteren sei das Sprunggelenk im linken Fuß aufgespalten und in unregelmäßigen Abständen rheumatisch entzündet gewesen sein. Deshalb erfolgte in regelmäßigen Abständen eine Behandlung mit Kortison und Hyaluron (Flüssigkeit zur Behandlung von Hautfalten).

Durch eine Medikamentenumstellung sei dem Versicherten schmerzfreie Bewegungen möglich gewesen, jedoch war dies nur „Tagesformabhängig“ und nicht von Dauer. Mal sei ein Gehen von 200m möglich, mal sei es nicht möglich gewesen nur 50m zu gehen. Diese Angaben habe der Mandant nochmals gegenüber dem Versicherer bestätigt, fügte die Kanzlei Jöhnke & Reichow hinzu. Aus diesem Grund stoße der Vortrag des Versicherers diesbezüglich auf Unverständnis. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit habe hier vorgelegen, so die Kanzlei Jöhnke & Reichow.

Außerordentliche Kündigung wegen des Freizeitverhaltens?

Die Kanzlei vertritt ferner die Auffassung, dass der Versuch mit einem „Freizeitverhalten“ der Mandantschaft die Leistungen aus dem Berufsunfähigkeitsvertrag abzulehnen, völlig neben der Sache liege. Es sei einem Versicherungsnehmer nämlich selbstverständlich möglich trotz Erhalt von Berufsunfähigkeitsrenten in seiner Freizeit aktiv zu sein. Es sei ausschließlich nur relevant, ob der Versicherte seine zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübte Tätigkeit noch ausüben kann. Dieses war hier evident nicht der Fall, so die Kanzlei Jöhnke & Reichow.

Demnach liege auch kein Grund für eine außerordentliche und fristlose Kündigung des Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrages durch den Versicherer vor und die Leistungsanerkennung sei mithin vom Versicherer auszusprechen.

Vorwurf der Vortäuschung eines Versicherungsfalles

Der Versicherer hatte dem Versicherten vorgeworfen, den Versicherungsfall vorgetäuscht zu haben. Die seitens des Versicherungsnehmers beschriebenen Einschränkungen hätten in erheblichem Widerspruch mit dem bei dem Versicherungsnehmer beobachteten Freizeitverhalten gestanden, so die LV 1871 a.G.

Der Versicherer bezog sich dabei insbesondere auf Beobachtungen im Rahmen einer Teilnahme des Versicherten an einem Golfturnier, eines Einkaufs in einem Baumarkt, einer längeren Fahrt mit dem Auto und einer Fahrt mit dem Fahrrad. Speziell ginge es nach Auffassung des Versicherers um folgende Beobachtungen:

  • Trotz Nutzung eines Golfbuggys hätten weite Gehstrecken zum Bestreiten des Turniers bewältigt werden müssen
  • Erhöhte Anforderungen an das Konzentrationsvermögen beim Golfsport, obwohl ausweislich der Angaben des Versicherten dieses erheblich eingeschränkt sei
  • Kein durchgängiges Stützen an einem Einkaufswagen während des Einkaufs
  • Längere Fahrt über eine Strecke von ca. 78 km (hin und zurück)

Zusammenfassend seien die von der Mandantschaft geltend gemachten Beeinträchtigungen nicht mit dem beobachteten Freizeitverhalten in Einklang zu bringen. Entsprechend § 314 BGB könne ein Versicherungsvertrag außerordentlich und ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, so der Versicherer. Ein entsprechender Kündigungsgrund liege insbesondere vor, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber Beschwerden bewusst vortäuscht.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Observation des Versicherten durch die LV 1871 a.G.

Im Hinblick auf die Frage, wie vorliegend die LV 1871 a.G. die Beobachtungen des Freizeitverhaltens des Versicherungsnehmers angestellt hatte, ergibt sich folgende Antwort: Durch eine Observation des Versicherten mittels eines Privatdetektivs.

OLG Köln zur Observation eines Versicherungsnehmers

Es stellt sich demgemäß die Frage, ob eine Observation des Versicherungsnehmers rechtlich zulässig war. Diese Frage hat das Oberlandesgericht Köln im Jahr 2012 beantwortet:

Grundsätzlich sei die Überprüfung der Auskünfte des Versicherungsnehmers mit verdeckten Ermittlungsmethoden wie der Observierung mit dem im Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme grundsätzlich nicht vereinbar, so das Gericht. Der Vertragspartner müsse es nicht hinnehmen, dass der andere ihn grundlos bespitzelt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte aber dann, wenn der über bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hinausgehende begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers besteht, fügte das OLG Köln hinzu. Insbesondere bei Verdacht auf ein arglistiges Vorgehen müsse es dem Versicherer möglich sein, durch verdeckte Ermittlungen Erkenntnisse zu gewinnen. Bei Arglist bestehe nämlich für den Fall der offenen Nachfrage beim Versicherungsnehmer die Gefahr, dass dieser Beweismittel unterdrückt oder auf andere Weise sein vertragswidriges Verhalten verschleiert.

Beabsichtige nun der Versicherer verdeckte Ermittlungsmethoden wie eine Observation anzuwenden, müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt habe, wobei Art und Umfang der verdeckten Ermittlungen im Hinblick auf das zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Versicherungsnehmers am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen seien, also geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen angemessen sein müssen. Die gegenläufigen Belange seien im Rahmen einer umfassenden Abwägung einander gegenüberzustellen, abschließend das Gericht. (OLG Köln, Urt. V. 3.8.2012 – 20 U 98/12).

Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte: Die Observation war rechtswidrig

Nach Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow war die seitens des Versicherers in Auftrag gegebene Observation des Mandanten rechtswidrig und verletzte diesen in seinen Grundrechten. Der Mandant sei dadurch in seinem Recht auf informelle Selbstbestimmung und in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG verletzt, so die Kanzlei. Der Versicherer habe hier offensichtlich Bewegungsprofile der Mandantschaft ohne ihre Zustimmung gefertigt. Die Privatsphäre sei schützenswert und auch von dem Versicherer zu beachten. Letztendlich sei die Observation des Versicherungsnehmers durch den Versicherer mit dem auch im vorliegenden Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme nicht vereinbar, fügte die Kanzlei Jöhnke & Reichow hinzu.

Die Auffassung der LV 1871 a.G.

Bezüglich der Berufsunfähigkeit sei zu berücksichtigen, dass die Darlegungs- und Beweislast vollständig beim Versicherten liege. Nach Ansicht des Versicherers sei bereits durch den Versicherten auf eine Umorganisation im Betrieb hingewiesen worden, weshalb ihm nunmehr der Nachweis der Unmöglichkeit einer Umorganisation sicherlich nicht möglich sein werde. Auch das „Abbügeln“ der erfolgten Kündigung des BUZ-Vertrages mit dem bloßen Hinweis darauf, dass hierfür die Voraussetzungen nicht vorliegen würden, stelle keine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt dar. Der Versicherer war vor Klageerhebung der Kanzlei Jöhnke & Reichow dennoch dazu bereit, den Rechtsstreit und den Vertrag gegen eine nicht angemessene Einmalzahlung von Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu beenden. Die Kanzlei Jöhnke & Reichow lehnte dieses außergerichtliche Angebot jedoch im Sinne des Versicherten ab.

Klage vor dem Landgericht Hamburg

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte sah im Rahmen der außergerichtlichen Verhandlungen eine weitere Einlassung nicht als notwendig an, da der Versicherer keine neuen Argumente im Hinblick auf die Leistungsablehnung und der außerordentlichen Kündigung des Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrags vorgetragen habe, so die Kanzlei. Sie hielt damit an ihrer Rechtsauffassung fest und sah die außergerichtlichen Verhandlungen für gescheitert an. So dann erhob die Kanzlei im Auftrag der Mandantschaft Klage vor dem Landgericht Hamburg.

Kein ausreichender Sachvortrag zur fristlosen Kündigung

In dem Versicherungsprozess vor dem Landgericht Hamburg teilte das Gericht dem Versicherer jedoch in der mündlichen Verhandlung mit, dass es das Vorgehen des Versicherers hinsichtlich der Observation nicht billige. Das Gericht hielt damit den Sachvortrag des Versicherers zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des BUZ-Vertrages nicht für ausreichend. Das Gericht machte damit ebenso deutlich, dass es diesbezüglich der Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow folge und die Observation für rechtswidrig erachte.

LV 1871 a.G. zahlt beträchtliche Vergleichssumme

Vor dem Hintergrund des Vorbringens der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und ihrer Rechtsauffassung im Hinblick auf die Ablehnung der Leistungen aus dem Versicherungsvertrag und auf die außerordentliche fristlose Kündigung des Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrages vor dem Landgericht Hamburg erschien die Ablehnung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit rechtlich nicht gerechtfertigt.

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow konnte jedoch im Rahmen einer gerichtlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg über die Leistungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag die Zahlung einer beträchtlichen Vergleichssumme durch den Versicherer an den Mandanten erwirken. Die hohe Vergleichssumme stellte eine sehr gute Lösung für den Versicherten dar, so dass diese Angelegenheit erfolgreich erledigt werden konnte.

Fazit zu dem Leistungsverfahren

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow freut sich, dass für den Mandanten die Zahlung einer hohen Vergleichssumme erstritten und verhandelt werden konnte. Die gerichtliche Verhandlung über die Ansprüche der Mandantschaft hat gezeigt, dass bei einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der Versicherung und einer guten Verhandlung vor dem Gericht in Berufsunfähigkeitsangelegenheiten unzureichende Darlegungen aufgedeckt und dadurch die zunächst abgelehnte Leistung einer Versicherung aus dem Versicherungsvertrag wieder erwirkt werden kann, respektive Vergleichslösungen erarbeitet werden können.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

Zum Anwaltsprofil

Rechtsanwalt Björn Jöhnke

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.