Wirksamkeit einer Heuballen-Kontrollklausel in der Betriebsversicherung (OLG Braunschweig)

Mit Beschluss vom 29.09.2020 hat das OLG Braunschweig (Az.: 11 U 68/19) die Wirksamkeit einer Heuballen-Kontrollklausel zu entscheiden. Nach der entsprechenden Versicherungsklausel traf den Versicherungsnehmer die Sorgfaltspflicht regelmäßig die Heuballen auf Selbstentzündung zu kontrollieren.

Der Sachverhalt vor dem OLG Braunschweig

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes und macht Ansprüche aus seiner Landwirtschaftsbetriebsversicherung gelten. Versichert sind die Gebäude des landwirtschaftlichen Betriebes und deren Inhalte. Grundlegend für den Versicherungsschutz sind die Besonderen Bestimmungen zu den ABL 2008 und die AVB zur Sachversicherung. Darin vereinbart wurde, dass getrocknetes Erntegut so zu lagern ist, dass jeder Punkt des Stapels mit einem Messgerät kontrolliert werden kann. Darüber hinaus seien ständige Kontrollen auf Selbstentzündung vorzunehmen – sogenannte Heuballen-Kontrollklausel.

Eine Halle des Klägers brannte ab und es wurde das darin befindliche Erntegut samt der Halle vernichtet. Die Versicherung übernahm jedoch nur einen Teil des Schadens. Der Kläger begehrt Zahlung des entsprechenden Restbetrages.

Rechtliche Bewertung des OLG Braunschweig

Der Versicherungsfall einer Sachversicherung, die Zerstörung, ist unstreitig eingetreten. Der Versicherer macht eine Leistungskürzung(-freiheit) aus § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geltend. Zur Kürzung berechtigt ist der Versicherer, sofern der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit grob fahrlässig verletzt hat. Zum Nachteil des Versicherungsnehmers wirkt sich die Verschuldensvermutung des § 28 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 VVG aus, wonach per Gesetz vermutet wird, dass die Sorgfaltspflicht grob fahrlässig missachtet wurde. Dem entgegen muss sich der Versicherungsnehmer entlasten. Dies gelang vorliegend nicht, denn der Landwirt stapelte die Heuballen so, dass diese einer regelmäßige Überprüfung nicht zugänglich waren. Das Fehlverhalten wurde ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls.

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Inhaltskontrolle der Obliegenheit – Unwirksamkeit?

So dann prüfte das OLG, ob die vereinbarte Obliegenheit an sich unwirksam ist. Eine Inhaltskontrolle ergab, dass keine Unwirksamkeit aufgrund unangemessener Benachteiligung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt. Eine wesentliche Abweichung von gesetzlichem Leitbild sei nicht zu erkennen, ein Widerspruch zur Sozialversicherung für Landwirtschaft ist nicht zu erkennen, dort wird in § 6 der „Unfallverhütungsvorschrift Lagerstätten“ sogar die gleichen Erwägungen zur Einlagerung von Erntegut.

Eine Vertragszweckgefährdung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Mit der Konkretisierung von Sorgfaltspflichten wird der Versicherungsvertrag nicht zur leeren Hülle ausgehöhlt, vielmehr werden die gegenseitigen Interessen deutlicher und der Zweck greifbarer.

Auch ist die Klausel nicht intransparent gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Es wird geprüft, ob ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer klar erkennen kann, welches Verhalten von ihm abverlangt wird. Dem ist hier so, der Versicherungsnehmer hätte die Ballen so lagern müssen, dass er jeden einzelnen hätte überprüfen können.

Aus der Gesamtschau ließ sich auch keine unangemessene Benachteiligung im generellen Sinne gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB feststellen. Die Klausel sollte das Brandgefahrenrisiko minimieren und legt deshalb dem Versicherten etwaige darauf gerichtete Sorgfaltspflichten auf. Das es dem einzelnen Versicherungsnehmer mitunter aufgrund von Platzmangel schwer fällt, die Ballen der Obliegenheit entsprechend zu lagern, vermag noch keine unangemessene Benachteiligung zu begründen. Der Versicherer will auf angemessene Art sein Einstandsrisiko minimieren.

Die Klausel ist wirksam und der Versicherer darf die Leistung im Ergebnis kürzen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Im Versicherungsrecht gelten solche Sorgfaltspflichten, die im Versicherungsvertrag vereinbart werden. Bei Nichteinhaltung kann der Versicherer seine Leistung kürzen. Im Einzelfall kann allerdings die Obliegenheitsklausel unwirksam sein oder der Versicherte muss sich gar kein Verschulden anrechnen lassen, was zur vollständigen Leistungspflicht führt.

Bei Schadensfällen im Sachversicherungsrecht sollte immer der jeweilige Einzelfall juristisch überprüft werden. Anhand bereits ergangener Rechtsprechung sollte überprüft werden, ob der eingetretene Schaden von der Versicherung, bzw. den Versicherungsbedingungen gedeckt ist. Alsdann sollte eine Strategie zur Rechtsverfolgung geplant werden, um die Ansprüche aus der Versicherung zu verfolgen. Damit die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht vereitelt werden, sollte zwingend ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden. Die Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow stehen gern für ein kostenfreies telefonisches Erstgespräch zur Verfügung!

Weitere interessant Rechtsfälle im Bereich der Wohngebäudeversicherung können Sie hier nachlesen: Versicherungsfälle in der Wohngebäudeversicherung und Versicherungsfälle aus der Betriebsversicherung. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ zusammengefasst.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil zur Heuballen-Kontrollklausel.

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