Betriebsschließungsversicherung: Versicherungsleistung bei Betriebsschließung wegen Covid-19 (LG Darmstadt)

Mit Urteil vom 10.02.2021 entschied das LG Darmstadt (Az.: 26 O 296/20), dass der Versicherer die Leistung aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen einer Covid-19 bedingter Schließung erbringen muss.

Der Sachverhalt vor dem LG

Die Klägerin betreibt eine Trampolinhalle. Zwischen Klägerin und Beklagten besteht eine Betriebsschließungsversicherung, diese begann am 28.02.2020. Der versicherte Betrieb wurde ab dem 17.03.2020 geschlossen (zwei Wochen nach Versicherungsbeginn) und öffnete wieder am 11.06.2020. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zum Stand 01.01.2019 (AVB-BS) zugrunde. Die vereinbarte Tagesentschädigung wurde mit einem Betrag von 5.000,00 € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen beziffert. Die Klägerin macht die komplette Tagesentschädigungssumme in Höhe von 150.000€ geltend. Sie behauptet die Versicherung gerade wegen des Corona-Virus abgeschlossen zu haben. Der beklagte Versicherer bestritt seine Eintrittspflicht.

Rechtliche Würdigung

Der Anspruch auf die Versicherungsleistung entsteht mit Eintritt des Versicherungsfalls, dieser ist den AVB-BS zu entnehmen:

„1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des […] Infektionsschutzgesetz – IfSG […] beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

  1. a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

[…]

  1. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

  1. a) Krankheiten

[Es folgt eine Auflistung von Spiegelstrichen mit Krankheitserregern unter denen das Corona-Virus nicht auftaucht.]

  1. b) Krankheitserreger
  • 3 AVB-BS unter der Überschrift „Ausschlüsse“ lautet auszugsweise wie folgt:

 

„4. Krankheiten und Krankheitserreger

Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“

Betriebsschließung – der Versicherungsfall

Das LG stellte fest, dass ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 1 a) AVB-BS vorliegt. Mithin eine Betriebsschließung durch die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit. Das LG Darmstadt stellte zudem fest, dass es für den Eintritt des Versicherungsfalles unerheblich ist, ob die Allgemeinverfügung aufgrund derer die behördliche Schließungsanordnung ergeht (nachträglich) nichtig ist. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes hat nicht zur Folge, dass alle mit diesem in Verbindung zu bringenden vorgenommenen Handlungen in Gänze inexistent werden. Es würde dann immer noch dabei verbleiben, dass die Behörde die Schließung befohlen hatte.

Versicherter Erreger – Covid-19-Virus?

Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Covid-19-Virus bereits in die Aufzählung meldepflichtiger Krankheiten des Infektionsschutzgesetzes in § 6 IfSG aufgenommen. Aktuell werden die Gerichte (wie auch vorliegend) mit der Frage beschäftigt, ob trotz der vermeintlich abschließenden Aufzählung von Krankheitserregern in den AVB-BS das Covid-19-Virus auch ohne dortige Erwähnung einen versicherten Krankheitserreger darstellt. Kern der rechtlichen Bewertung ist die Frage, ob durch die Wortwahl „die folgenden“ in § 1 Nr. 2 AVB-BS eine abschließende Auflistung eingeleitet wird.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird dies der Klausel nicht entnehmen können, so das LG Darmstadt. Ein erkennbarer abschließender Charakter wurde nicht hinreichend deutlich dargestellt, als Formulierungsbeispiel für eine abschließende Regelung führte das LG Darmstadt die Formulierung „ausschließlich die folgenden“ an.  Anerkannt wurde dennoch, dass die Auslegung als abschließender Katalog möglich sei, jedoch würde dann gemäß AGB-Recht die Zweifelsregel des § 305c Abs. 2 BGB gelten, wonach Auslegungszweifel zulasten des Verwenders gehen. Da beide Auslegungsalternativen rechtlich vertretbar sind, gilt die für den Versicherungsnehmer günstigere. Demnach ist der Inhalt des Versicherungsschutzes der jeweils aktuellen und im IfSG vorzufindenden Aufzählung von meldepflichtigen Krankheitserregern den Inhalt des Versicherungsschutzes zu entnehmen.

Im Übrigen würde eine für sich genommene Auslegung als abschließender Katalog zu einer Unwirksamkeit der Klausel im Sinne des Transparenzgebotes gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB führen, da die möglichen Lücken im Versicherungsschutz nicht hinreichend dargestellt wären.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Aktuell beschäftigt die Gerichte die Frage, ob Betriebsschließungen aufgrund von Covid-19 im Versicherungsschutz enthalten sind. Häufig liegen den Verträgen die AVB-BS zugrunde, diese sind zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen. Sollte im Streitfall ihr Versicherer seine Eintrittspflicht bestreiten, sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Betriebsunterbrechungsversicherung“ zusammengefasst. Sowie unter Betriebliche Versicherungen.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil zur Betriebsschließung wegen Covid-19.

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