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Berufsunfähigkeit eines selbständigen Tennislehrers (OLG Saarbrücken)

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG Saarbrücken) hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, wann bei einem selbständigen Tennislehrer eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt. Insbesondere hatte das OLG Saarbrücken hierbei zu beurteilen, ob eine Unternehmensbeteiligung eine Berufsausübung darstellt und damit den Leistungsanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung entfallen lässt (OLG Saarbrücken, Urt. vom 12.02.2020 – 5 U 42/19).

Der Sachverhalt vor dem OLG Saarbrücken

Der Kläger ist selbständiger Tennislehrer. Er unterhält bei der Beklagten zwei Lebensversicherungsverträge mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen (BUZ), aus denen er Leistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit begehrt. Seine Tätigkeit musste der Kläger nach ärztlichen Behandlungen wegen verschiedener orthopädischer sowie psychiatrischer Beschwerden einstellen. Überdies erzielte der Kläger Einnahmen aus einer 37,5%igen Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft.

Das Landgericht Saarbrücken hat der Klage jedoch stattgegeben. Die Beklagte hat sich gegen dieses Urteil gewendet. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung des OLG Saarbrücken

Das OLG Saarbrücken folgte dem Urteil des LG Saarbrücken und hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die in den Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen vorgesehenen Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte hat gemäß § 1 BB-BUZ dem Kläger in beiden Verträgen versprochen, ihn für den Fall einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht zu gewähren und ihm monatliche Berufsunfähigkeitsrenten zu zahlen. Gemäß § 2 BB-BUZ ist die vollständige Berufsunfähigkeit ein Zustand, in dem der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Überdies sieht § 2 Nr. 3 BB-BUZ eine Fiktion der Berufsunfähigkeit vor. Demnach wird die Berufsunfähigkeit für den Fall fingiert, dass ein solcher Zustand für mindestens sechs Monate ununterbrochen vorlag und fortdauert.

Wie wird der „Beruf“ definiert?

Bezugspunkt im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen ist der Beruf des Versicherten:

„Beruf ist eine auf Dauer angelegte, dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit, die dazu geeignet ist, die Lebensstellung des Versicherten zu prägen und die diese auch bereits geprägt hat. Auf den zeitlichen Umfang kommt es grundsätzlich nicht an (OLG Saarland Urt. v. 14.1.2004 – 5 U 437/03).“

Die Höhe des Verdienstes steht ebenfalls nicht im Mittelpunkt, weil die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht vor dem Ausfall eines den Lebensbedarf deckenden Einkommens schützt.

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Wann tritt der Versicherungsfall ein?

Nach ständiger Rechtsprechung sei für den Eintritt des Versicherungsfalls grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend, so wie sie „in gesunden Tagen“ mit noch uneingeschränkter Leistungsfähigkeit des Versicherten ausgestaltet war (BGH v. 14.12.2016 – IV ZR 527/15). Diese Tätigkeit müsse krankheitsbedingt zu mindestens 50 % unmöglich geworden seien sein. Die Arbeitszeit sei dabei nicht maßgeblich. Vielmehr sei maßgeblich, ob der Versicherte mit den noch ausführbaren Tätigkeiten weiterhin ein sinnvolles Arbeitsergebnis erzielen kann. Die Fähigkeit zur Berufsausübung entfalle insgesamt dann, wenn ein prägendes Kernelement der Berufstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Das sei auch dann der Fall, wenn der auf das Kernelement der Tätigkeit entfallende zeitliche Aufwand weniger als die Hälfte der gesamten Tätigkeit beträgt.

LG und OLG Saarbrücken sind einer Meinung

Es sei von einer Sachverständigen festgestellt worden, dass ein Sporttrainer seine Sportart selbst beherrschen und die erforderliche Fitness aufweisen muss, um Übungen demonstrieren zu können. Im Hinblick auf die Arbeitsanforderungen an einen Tennislehrer habe die Sachverständige dargelegt, eine normale Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände zähle zu den wesentlichen gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen. Insbesondere werde das Handgelenk stark und intensiv beansprucht. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Befunde sei der Beruf des Tennislehrers daher nicht mehr auszuüben. Auch bestehe aus der Sicht des Senats kein Zweifel daran, dass ein Tennislehrer, der wegen einer chronisch entzündlichen, fortschreitenden Erkrankung des rechten Handgelenks nicht einmal mehr zu einem einzigen längeren Ballwechsel imstande ist, seinen Schülern das Tennisspiel nicht mehr beibringen kann. Ob er sie einzeln oder in Gruppen unterrichtet und ob sie jünger oder älter sind, sei hierfür entgegen der Ansicht der Beklagten nicht maßgeblich.

Lässt eine Unternehmensbeteiligung den Leistungsanspruch entfallen?

Die Versicherung hatte ferner in der Berufung vorgetragen, dass dem Kläger, der an einer Grundstücksgesellschaft beteiligt ist, eine Berufsausübung ungeachtet von Gesundheitsbeeinträchtigungen weiterhin möglich sei. Das Vorbringen des Versicherers sei jedoch substanzlos, so das Gericht. Erzielen Berufstätige zusätzliche Einkünfte aus ihrem Vermögen, insbesondere etwa aus vermieteten Immobilien, sei dies zunächst keine Berufsausübung. Etwas Anderes könne ausnahmsweise gelten, wenn der Umfang einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert, da es sich dann nicht mehr um eine reine Freizeitbeschäftigung handelt. Sind unter diesem Gesichtspunkt mehrere Berufe des Versicherten zu bewerten, kann der erforderliche Grad der Berufsunfähigkeit, der etwa im „Hauptberuf“ mit körperlicher Tätigkeit vorläge, unter Umständen „herab gedrückt“ werden, wenn die verwaltende Tätigkeit noch voll möglich ist, da es dann auf die Gesamtbetrachtung ankommt.

Vorliegend gebe es jedoch keine Anhaltspunkte für die Mutmaßung der Beklagten, dass der Kläger seinen beruflichen Schwerpunkt von der Tätigkeit als Tennistrainer offenbar auf das Betreiben eines Squashcenters verlagert habe. Der Kläger habe substantiiert dargetan, an der Grundstücksgesellschaft bloß beteiligt gewesen zu sein.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Diese Entscheidung zeigt deutlich, dass die Aufarbeitung der Tätigkeiten eines Versicherten zwingend notwendig sind und einen Schwerpunkt des Prüfungsverfahrens bei Berufsunfähigkeit darstellen. Werden hierbei Fehler gemacht, ziehen sich diese durch das gesamte Leistungsprüfungsverfahren. Bei Berufsunfähigkeit ist stets anzuraten sich kompetente Unterstützung zu suchen. Gerade Leistungsablehnungen von Berufsunfähigkeitsversicherungen sollten juristisch überprüft werden.

Daher ist es für Vermittler und Versicherte von Vorteil, sich mit dem Ablauf eines typischen BU-Verfahrens mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung vertraut zu machen, bevor Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Auch an dieser Entscheidung ist zu erkennen, dass es sinnvoll ist frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige Anspruchsvereitelungen zu vermeiden. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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