Der BGH hat mit Urteil vom 15.06.1959 (Az.: II ZR 184/57) darüber entschieden, welcher Beendigungszeitpunkt für die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen maßgeblich ist.
Zwischen einem Unternehmen und einem Handelsvertreter kam es nach jahrelanger Zusammenarbeit auf der Grundlage eines Handelsvertretervertrages zu Streitigkeiten in Bezug auf Ausgleichsansprüche (siehe hierzu weiterführend auch Der Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters) und Provisionsansprüche (siehe hierzu weiterführend auch Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters).
Der Handelsvertreter vertrieb zunächst landwirtschaftliche Fahrzeuge und Maschinen für das Unternehmen. Nachdem das Unternehmen über einen Lizenzvertrag mit einem anderen Unternehmen in Streit geriet und schließlich durch Urteil dem Unternehmen untersagt wurde weiter die Erzeugnisse des anderen Unternehmens in Verkehr zu bringen, kam es zu einer außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Handelsvertreter. Als Grund für diese Kündigung nannte das Unternehmen die Einstellung des Baus der Fahrzeuge aus dem alten Lizenzvertrag. Eine vorherige Abmahnung des Handelsvertreters erfolgte nicht (vgl. Die Abmahnung im Handelsvertreterrecht).
Der Handelsvertreter erachtet diese Kündigung als unwirksam und erkläre fünf Monate später selbst eine außerordentliche Kündigung. Begründet wurde diese mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, weil das Unternehmen den Handelsvertreter wegen angeblicher Unterschlagung alter Lizenzgebühren angezeigt hatte. Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages machte der Handelsvertreter Ausgleichsansprüche und hilfsweise Provisionsansprüche gegen das Unternehmen geltend. Das Unternehmen wehrte sich gegen eine solche Inanspruchnahme u.a. mit der Begründung, die geltend gemachten Ansprüche seien inzwischen verfristet.
Der BGH hat entschieden, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs die rechtliche Beendigung des Vertragsverhältnisses ist. Auf die faktische Einstellung der Tätigkeiten käme es hingegen nicht an.
Im vorliegenden Fall wurde der Handelsvertretervertrag nicht mit der außerordentlichen Kündigung des Unternehmens beendet, da nach Ansicht des BGH für diese Kündigung kein wirksamer Kündigungsgrund vorgelegen habe. Ob die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters wirksam war, ließ das Gericht dahingestellt. Es führte vielmehr aus, dass die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs gem. § 89b Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB bereits nicht vorliegen und dem Handelsvertreter bereits deshalb kein Ausgleichsanspruch zustünde. Den Provisionsanspruch sprach das Gericht dem Handelsvertreter hingegen zu.
Viele Handelsvertreter als auch Unternehmen übersehen oftmals, dass das Handelsvertreterverhältnis nicht immer mit der faktischen Tätigkeitseinstellung beendet ist, sondern der rechtliche Beendigungszeitpunkt auch deutlich später liegen kann. Auch wenn die faktische Tätigkeitseinstellung bereits längere Zeit her ist, können daher durchaus in bestimmten Konstellationen auch noch nach längeren Zeiträumen die gesetzlichen Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruches noch nicht abgelaufen sein. Gleichwohl empfiehlt es sich natürlich regelmäßig, den Ausgleichsanspruch möglichst frühzeitig geltend zu machen und die gesetzlichen Ausschlussfristen nicht auszureizen (zu den Anforderungen an die Geltendmachung siehe auch OLG München: Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs). Bestehen Zweifel am Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfristen, so sollte natürlich ein im Handelsvertreterrecht spezialisierter Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung der Fristen beauftragt werden.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.