Dynamisierung der Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Hamm)

Das OLG Hamm befasste sich mit der Frage, ob der Umfang der Erhöhung der Leistungen aus der Versicherung der Erhöhung der Prämie folgt, wenn bei einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eine Dynamisierung und Leistung vereinbart ist und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen regeln, dass sich die Erhöhung der Versicherungsleistungen nach dem Alter des Versicherungsnehmers, der restlichen Beitragszahlungsdauer und einem eventuell vereinbarten Beitragszuschlag errechnet (OLG Hamm, Urt. v. 04.09.2020 – 20 U 182/19).

Der Fall vor dem OLG Hamm

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei dem beklagten Versicherer zwei Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen (BUZ). Vereinbart wurde in beiden Versicherungsverträgen eine Dynamisierung sowohl der Prämie als auch der Versicherungsleistung. Die Prämienzahlungen wurden jeweils um 10% erhöht, die Versicherungsleistung um Sätze zwischen 8,0 und 9,8 %. Die Parteien streiten vorliegend um die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Renten aus den beiden BUZ. Der Versicherungsnehmer ist hierbei der Ansicht, dass die Beklagte auch zu einer Erhöhung der Rente um einen festen Satz von 10% p.a. verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte hingegen macht geltend, dass nach dem Vertragswerk eine Dynamisierung der Leistungen um einen festen Satz von 10% nicht vereinbart sei.

Das Landgericht hatte die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen. Daraufhin legte der Versicherungsnehmer Berufung zum OLG Hamm ein.

Die rechtliche Wertung des OLG Hamm

Die Berufung des Klägers hatte jedoch keinen Erfolg. Das OLG Hamm hat entschieden, dass die beklagte Versicherung die Rentenzahlungen nach den vertraglichen Regelungen zutreffend dynamisiert habe, so dass alle Ansprüche des Klägers erfüllt seien. Es sei nach den vertraglichen Regelungen wirksam vereinbart worden, dass lediglich die Prämie mit einem festen Satz von 10% erhöht werden solle, während die Erhöhung der Leistungen davon abweichen könne, so das OLG. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne dies ohne juristische Kenntnisse erkennen.

Wortlaut der Besonderen Bedingungen (BB) der Versicherungsverträge

3 Abs. 1 der den Versicherungsverträgen zugrunde liegenden Besonderen Bedingungen (BB) regele ausdrücklich, dass sich „die Erhöhung der Versicherungsleistungen (…) nach dem am Erhöhungstermin erreichten Alter der versicherten Person, der restlichen Beitragszahlungsdauer und einem eventuell vereinbarten Beitragszuschlag errechnet.“ Es werde schon daraus unmissverständlich klar, dass die Erhöhung der Versicherungsleistung nicht zu einem Prozentsatz erfolge, sondern von verschiedenen Faktoren abhängig sei. Außerdem werde deutlich, dass der vereinbarte Beitragszuschlag nur einer von mehreren solche Faktoren sein, so das Gericht.

„Planmäßige Erhöhung von Beitrag und Leistung“

Nach Auffassung des OLG Hamm ändere es sich am Ergebnis der vorangegangenen Auslegung nach dem Wortlaut auch nichts dadurch, dass in den Vertragsunterlagen an anderen Stellen (u.a. im Versicherungsschein und in den Tarifinformationen) mehrfach von einer „planmäßigen Erhöhung von Prämie und Leistung“ die Rede sei, ohne dass dort ausdrücklich deutlich gemacht werde, dass die Erhöhung jeweils unterschiedlichen Regelungen folge. Es finde sich in keiner dieser Regelungen eine Aussage dahingehend, dass die Versicherungsleistungen jährlich um einen festen Satz von 10 % steigen sollen, führte das Gericht weiter aus.

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Wirksamkeit der Regelungen

Die den Versicherungsverträgen zugrunde liegenden Regelungen seien auch wirksam. § 3 Abs. 1 der Besonderen Bedingungen (BB) sei weder bezogen auf den Inhalt noch auf den Standort im Bedingungswerk überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Das Oberlandesgericht vertritt demnach die Auffassung, dass die Klausel weder objektiv ungewöhnlich sei noch ihr Inhalt von den berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers abweiche. Auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer liege es nahe, dass der Versicherer den sukzessive um jeweils 10 % erhöhten Beitrag wegen der begrenzten Vertragslaufzeit umso kürzer erhalte, je weiter die Dynamisierung voranschreite. Bereits daraus ergebe sich, dass die Erhöhung der Versicherungsleistung nicht ohne weiteres der Erhöhung der Beiträge entsprechen könne.

Vielmehr müsse die Erhöhung der Versicherungsleistung selbstständig berechnet werden. Daher müsste ein Versicherungsnehmer damit rechnen, dass der Versicherer entweder die Steigerung der Prämie festschreiben werde – dann aber die Erhöhung der Leistung gesondert versicherungsmathematisch kalkulieren müsse (sog. „Prämienprimat“) – oder eine feste Erhöhung der Leistung vorsehen könne – dann aber die sich daraus ergebende Prämiensteigerung in der Höhe unterschiedlich sein könne (sog. „Leistungsprimat“), so das Gericht.

Keine unangemessene Benachteiligung des VN

Nach diesen Erwägungen benachteilige die Regelung den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB und verstoße auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S.2 BGB. Es sei zwar nicht möglich, dass der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss ausdrücklich erkennen könne, in welcher genauen Höhe er Leistungen aus der Versicherung erhalten werde. Doch aufgrund der Komplexität der anzustellenden versicherungsmathematischen Berechnungen und der verschiedenen möglichen Entwicklungen könne dies auch nicht verlangt werden, abschließend das Gericht.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm kann im Ergebnis überzeugen. Gegen diese Entscheidung wurde die Revision nicht zugelassen, obwohl in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass die genannten Begrifflichkeiten für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht durchschaubar und häufig überraschend seien. Nach Auffassung des Gerichts habe die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn maßgeblich für die Frage, ob es zu dem Streitfall unterschiedliche Auffassungen gebe, sei zunächst die Rechtsprechung. Da allerdings in der Rechtsprechung keine unterschiedlichen Auffassungen zu dem vorliegenden Fall vorliegen, mache eine einzelne Literaturansicht die rechtliche Frage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn der BGH über sie noch nicht entschieden habe.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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