Offenlegungspflichten bezüglich Nachhaltigkeit (Offenlegungs-VO)

Im Rahmen erweiternder Nachhaltigkeitserwägungen wurden in der EU-Verordnung 2019/2088 (Offenlegungs-VO) neue Offenlegungspflichten im Vermittlersektor beschlossen. Als Verordnung entfaltet dieser Beschluss unmittelbar Rechtskraft und muss nicht in deutsches Recht umgesetzt werden. Kerngehalt der Regelung ist die Anpassung des Homepage-Auftritts. Die EU-Verordnung 2019/2088 tritt zum 10.03.2021 in Kraft.

An wen richtet sich diese Verordnung?

Die Regelungen betreffen nach Artikel 1 Offenlegungs-VO alle Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Nach Art. 2 Nr. 1 Offenlegungs-VO sind „Finanzmarktteilnehmer“ all jene Versicherungsunternehmen, welche Versicherungsanlageprodukte anbieten. Auf sie finden weite Offenlegungsvorschriften Anwendung.

Zudem sind „Finanzberater“ gem. Art. 2 Nr. 11 Offenlegungs-VO solche Versicherungsvermittler und -unternehmen, die Versicherungsberatung für Versicherungsanlageprodukte (kurz, engl.: IBIP) erbringen. Auf sie werden weniger Offenlegungsverpflichtungen angewendet. Die Anlageprodukte sind in Artikel 2 Abs. 1 Nr. 17 der Versicherungsvertriebs-RL aufgezählt. Insbesondere gelten die Altersvorsorgeprodukte (betriebliche Altersvorsorge, Riester- und Basisrentenprodukte) als Versicherungsanlageprodukt. Die Vermittler dieser Produkte unterliegen den neuen Regelungen.

Da Versicherungsvermittler als solche betroffen sind, gilt dies für Mehrfach- und Ausschließlichkeitsvertreter gleichermaßen.

Gibt es Ausnahmen? Kleinstvermittler!

Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind nach Art. 17 Abs. 1 Offenlegungs-VO die „kleinen“ Versicherungsvermittler. Damit sind solche Berater gemeint, für die weniger als drei Personen tätig werden. Die EU-Staaten können die Offenlegungspflichten auf diese ausweiten gem. Art. 17 Abs. 2. Es bleibt abzuwarten, ob für den deutschen Raum eine solche Abweichung vorgenommen wird.

Nachhaltigkeitserwägungen

Die Offenlegungs-VO tritt neben die Taxonomie-VO und ergänzt diese. In Artikel 9 der Taxonomie-VO werden die Umweltziele bestimmt, zu deren Erreichung eine wirtschaftliche Tätigkeit einen Beitrag leisten kann.

Der Begriff des Nachhaltigkeitsrisikos ist in Artikel 2 Nr. 22 der Verordnung bestimmt, es ist ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte. Darunter sind klimabetreffende Maßnahmen, die sozialen Infrastruktur möglicherweise nachteilig betreffenden Umstände und die Gerechtigkeitsstrukturen des Unternehmens selbst betreffende Entscheidungen aufzuführen. Vergleichend kann auf die Ausführungen zur Erreichung der Umweltziele in der Taxonomie-VO abgestellt werden.

Ebenfalls unterliegen die Erwägungen zur Vergütungspolitik gem. Artikel 5 Offenlegungs-VO dem Nachhaltigkeitsaspekt. Solche Erwägungen sind variable Vergütungen für die Bewerbung unterschiedlicher Versicherungsprodukte, es soll erkennbar werden, ob dem Kunden ein bestimmtes Produkt aufgrund höherem Prämienerhalt des Vermittlers angeboten wird. Die Vergütungserwägungen haben ihren Ursprung in der Versicherungsvertriebs-Richtlinie und sind durch die neuen Erwägungen zu erweitern. Übermäßige Risikobereitschaft hinsichtlich der Förderung von Nachhaltigkeitsrisiken soll für den Kunden erkennbar sein und die Unternehmensführung sowie Vergütungspolitik transparent werden.

Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeitsversicherung

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Offenlegungspflichten

Grundsätzlich ist in Artikel 3 Abs. 2 geregelt, dass Finanzberater (Versicherungsvermittler) auf ihren Internetseiten Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Anlageberatungs- oder Versicherungsberatungstätigkeiten veröffentlichen müssen.

Nach Artikel 4 Abs. 5 lit. a) sollen Finanzberater etwaige Informationen darüber veröffentlichen, ob die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren nach Umfang und Art der Finanzprodukte in der Versicherungsberatung berücksichtigt werden. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Proportionalitätsabwägung. Entscheiden sich Vermittler gegen eine Einbeziehung dieser Abwägung, so haben sie nach Artikel 4 Abs. 5 lit. b) eine Information zu veröffentlichen, warum sie die Faktoren bei der Beratung nicht erwägen und ob und ab wann sie dies tun würden.

Für den Vermittler bedeutet das, dass im ersten Schritt abzuwägen ist, ob und inwieweit Nachhaltigkeitserwägungen seine Produktvermittlung beeinflussen. Im zweiten Schritt ist dann eine Veröffentlichung über die Nachhaltigkeitsstrategie zu tätigen, welche den Umfang dieser Erwägungen wiedergibt. Die Darstellung hat verpflichtend auf der Homepage des Vermittlers zu erfolgen, sie kann im Impressum erfolgen. Insofern kann produktbezogen auf die Erwägungen des ausstellenden Versicherers verwiesen werden, sollten darüber hinaus eigenständige Erwägungen in der Vermittlersphäre aufgekommen sein, ist die dahinterstehende Abwägung darzustellen.

Vorvertragliche Informationen

Die Einbeziehung der Nachhaltigkeitserwägung in die Produktinformation ist verpflichtend (Artikel 6 Abs. 2 & 3 Offenlegungs-VO). Da Versicherungsvermittler ihre Vertriebsprodukte direkt von den Versicherern erhalten, ist ein Verweis auf die bereits vorgenommenen Erwägungen des Versicherers ausreichend. Sofern Nachhaltigkeitsrisiken nicht berücksichtigt worden sind, ist auf die Erklärung über das Unterlassen der Einbeziehung durch den Versicherer zu verweisen. Erweiterter Handlungsbedarf besteht nur, wenn der Kunde seinen Beratungsbedarf hinsichtlich der Nachhaltigkeitserwägungen signalisiert hat, dies ist wie üblich zu dokumentieren.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Müssen Vermittler mit weiteren Sanktionen rechnen?

Grundsätzlich wären auch wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen denkbar, sofern ein Verstoß gegen Informationspflichten vorliegt. Aus diesem Grunde wird zwingend angeraten die gesetzgeberischen Pflichten für Vermittler zeitnah umzusetzen.

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Was droht bei Verstößen gegen die Informationspflichten?

Für den Fall, dass Vermittler ihre Informationspflichten nicht erfüllen, könnten bekanntermaßen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen drohen sowie auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde.

Versicherungsvermittler sind gesetzlich sehr weitgehenden Informationspflichten unterworfen. Dieses hat der Gesetzgeber bewusst gemacht. Denn er möchte den Verbraucher damit schützen. Dieser soll sich Zweifel immer und überall über einen Vermittler informieren können, um zu prüfen, ob er eine Beratung durch den jeweiligen Vermittler in Anspruch nehmen möchte. Aus diesem Grunde sollten die gesetzlichen Informationspflichten nicht unterschätzt werden. Es wird – aus anwaltlicher Vorsicht – stets dazu angeraten sich über gesetzliche Änderungen informiert zu halten.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Der europäische Gesetzgeber bewegt sich weiter in Richtung Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Für die Versicherungsvermittler kann dies mitunter eine Anpassung ihrer Homepage oder des Versicherungsprospektes notwendig machen. Dieses richtet sich einen nach den zu beratenden Produkten des Vermittlers (s.o.). Zum anderen aber auch nach der Größe des Vermittlerunternehmens (s.o.).

Weitere Informationen und Rechtsprechungen finden Sie unter „Vertriebs- und Vermittlerrecht„, sowie in unserem „News“ Bereich.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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