Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob der Versicherungsnehmer den Versicherer nach einem Brandschaden über seine wirtschaftliche Lage arglistig getäuscht und eine Obliegenheit (sog. „spontane Anzeigeobliegenheit“) verletzt hat (OLG Braunschweig v. 20.11.1995 – 3 U 61/95).
Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine Hausratversicherung. Nach einem Brandschaden in einer vom Versicherungsnehmer betriebenen Diskothek begehrte dieser Leistungen aus der Hausratversicherung. Im Rahmen der Regulierung des Schadens erklärte der Kläger der Beklagten, dass sich die Diskothek seit 25 Jahren im Familienbesitz befinde und gut laufe. Es gebe keine geschäftlichen Probleme. Diese Erklärung hat der Versicherer in das vom Versicherungsnehmer unterzeichnete Verhandlungsprotokoll aufgenommen.
Festgestellt werden konnte jedoch, dass der Umsatz der Diskothek im Vorjahr stark zurückgegangen war, der Versicherungsnehmer in diesem Zusammenhang Kredite in hohen Summen aufnahm, mehrere Mitarbeiter entlassen musste und gegenüber dem Finanzamt Schulden hatte. Daraufhin ist der Versicherer wegen arglistiger Täuschung und Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer leistungsfrei geworden. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Der Kläger legte daraufhin Berufung zum OLG ein.
Das OLG Braunschweig wies die Berufung zurück. Der Versicherungsnehmer könne sich nicht darauf berufen, dass er von dem Versicherungsagenten des Versicherers ausdrücklich weder nach seiner finanziellen Lage noch nach seinem Vermögensstand oder seinen Schulden gefragt worden ist, so das Gericht. Der Versicherungsnehmer habe nämlich bei schlechter Vermögenslage, insbesondere Schulden, auf die Frage nach seinem wirtschaftlichen Status eine Pflicht zur Offenbarung („spontane Anzeigeobliegenheit“) des Vorhandenseins derartiger Schulen. Diese Frage nach seinem wirtschaftlichen Hintergrund sei im Streitfall von der Frage des Versicherers nach etwaigen geschäftlichen Problemen umfasst.
Der Versicherungsnehmer habe den Versicherer im Rahmen der Schadensregulierung arglistig getäuscht. Das Gericht führte aus, dass es für die arglistige Täuschung nach den Versicherungsbedingungen jede vorsätzliche falsche Angabe oder das Verschweigen offenbarungspflichtiger Tatsachen genüge, sofern dadurch die Feststellung des Schadens oder die Entschließung des Versicherers über die Entschädigungsauszahlung in irgendeiner Weise beeinflusst werden kann. Dies gelte dabei insbesondere für die Frage nach der Vermögenslage bei schlechten Vermögensverhältnissen, unter anderem Schulden. Die Beweislast trage dabei der Versicherer.
Die vom Kläger in das Protokoll aufgenommene Information, die Diskothek laufe gut, stelle sich nach dem unstreitigen Sachverhalt als bewusste Bagatellisierung der wahren Verhältnisse dar. Der Kläger hätte bei wahrheitsgemäßer Darstellung einräumen müssen, dass es zu einem Rückgang der Besucheranzahl und Umsatzeinbußen gekommen war, wenn auch Maßnahmen für eine Verbesserung der Ertragslage durch Entlassung von Mitarbeitern ergriffen worden waren. Nach Auffassung des OLG Braunschweig war das Verschweigen dieser Umstände auch für die Entschließung des Versicherers relevant, weil derartige Umstände auf den wirtschaftlichen Hintergrund des Versicherten Rückschlüsse zuließen.
Darüber hinaus stelle auch die Angabe „keine geschäftlichen Probleme” eine vorsätzliche Irreführung über die wirtschaftliche Situation des Klägers da, so feststellend das OLG Braunschweig.
Der Beklagte sei ferner leistungsfrei wegen Verletzung einer Obliegenheit durch den Kläger. Nach den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen werde dabei eine vorsätzliche Verletzung der Verpflichtung zur Beibringung jeder dienlichen Auskunft zu Ursachen und Höhe des Schadens sowie den Umfang der Einstandspflicht voraus, soweit dies für die Feststellung dieser Einstandspflicht relevant war. Dazu gehören insbesondere Informationen über den wirtschaftlichen Hintergrund des Versicherten, so das OLG. Dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht nachgekommen.
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Nach Auffassung des OLG Braunschweig entlaste es insoweit den Versicherungsnehmer nicht, dass er die Ausfüllung des Schadenprotokolls dem Versicherungsagenten überlassen und dieses nur unterzeichnet hat. Denn Arglist liege in diesem Zusammenhang nur dann nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherungsagenten alles klargelegt hat. Im Streitfall habe der Kläger indessen, wie er selbst einräumte, weder seine Vermögenssituation noch seine sonstige finanzielle Lage, insbesondere seinen Schuldenstand, zumindest in großen Zügen, dem Versicherungsagenten gegenüber klargestellt.
Das Problem der arglistigen Täuschung kommt sehr häufig vor, bzw. der Vorwurf der Versicherung, der Versicherungsnehmer hätte „auf Zuruf“ Dinge mitteilen müssen, ist ein sehr praktisches Problem. Denn im Einzelfall muss stets geprüft werden, ob die Vorwürfe der Versicherung überhaupt gerechtfertigt sind.
In der Vermittler-Praxis stellt sich relativ häufig die Frage, was denn nun in einem Versicherungsantrag – unaufgefordert – anzugeben ist. Denn den Versicherungsnehmer könnte auch eine Anzeigepflicht für gefahrerhebliche Umstände treffen, nach denen der Versicherer nicht in Textform gefragt hat (vgl. BGH v. 19.05.2011 – IV ZR 254/10 „Hausratversicherung“; OLG Hamm v. 27.02.2015 – 20 U 26/15 „Dread-Disease-Versicherung“; OLG Celle v. 09.11.2015 – 8 U 101/15 „Pflegetagegeldversicherung“; OLG Karlsruhe v. 20.04.2018 – 12 U 156/16 „Berufsunfähigkeitsversicherung“; LG Offenburg v. 21.02.2020 – 2 S 6/18 „Private Krankenversicherung“.
Damit bleibt festzuhalten, dass es unabdingbar ist, jeden Versicherungsfall anwaltlich überprüfen zu lassen und frühzeitig eine kompetente Beratung durch versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht in Anspruch zu nehmen, um eine spätere Leistungsablehnung im Rahmen der vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten bestenfalls zu vermeiden.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Hausratversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.