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Spontane Anzeigeobliegenheit bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung (LG Offenburg)

Das Landgericht Offenburg hatte zu entscheiden, ob den Versicherungsnehmer im Rahmen des § 19 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) eine vorvertragliche Anzeigepflicht nur hinsichtlich solcher Umstände trifft, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat oder diese Anzeigeobliegenheit weiter zu fassen ist (LG Offenburg v. 21.02.2020 – 2 S 6/18).

Der Sachverhalt vor dem LG Offenburg

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine private Krankenversicherung (PKV). Im Streitfall beantragte der Kläger die Erweiterung seiner PKV auf sein minderjähriges Pflegekind, bei dem eine kombinierte Entwicklungsstörung diagnostiziert war. Den Antrag hat der Kläger dabei als Versicherungsvermittler der Beklagten selbst in das Computersystem der beklagten Versicherung aufgegeben. Hierbei beantwortete der Kläger für den Versicherten (Pflegekind) die Fragen im Antragsformular der Beklagten nach dem Bestehen einer Pflegebedürftigkeit, einer Ataxie in den letzten 5 Jahren sowie nach ambulanten und stationären Behandlung wegen psychischen Erkrankungen in den letzten 12 Monaten mit „Nein“. Daraufhin wurde der Antrag auf Versicherung von der Beklagten angenommen und ein entsprechender Versicherungsschein ausgestellt.

Wenige Monate danach wurde bei der versicherten Person ein fetale Alkoholsyndrom mit Mikrozephalie diagnostiziert. Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Der Kläger habe das fetale Alkoholsyndrom im Antragsformular nicht angegeben.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Kläger Berufung zum Landgericht Offenburg ein.

Die Entscheidung des LG Offenburg

Das LG Offenburg hat der Berufung stattgegeben. Das Versicherungsverhältnis im vorliegenden Streitfall sei weder durch die Rücktrittserklärungen der Beklagten, noch aus sonstigem Grund beendet worden. Es bestehe demnach fort. Der Rücktritt des Versicherers, den dieser auf das vorgebliche Verschweigen des fetalen Alkoholsyndroms sowie der Mikrozephalie beim Versicherten stützte, sei unwirksam.

Keine Verletzung der Anzeigepflicht

Gemäß § 19 Abs. 2 VVG setzt das Rücktrittsrecht des Versicherers eine Verletzung der Anzeigepflicht i. S. v. § 19 Abs. 1 VVG durch den Versicherungsnehmer voraus. Nach dieser Regelung habe der Versicherungsnehmer bis zu Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen,

Eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit liege in diesem Fall jedoch nicht vor. Der Versicherungsnehmer sei nämlich nach den oben genannten Maßstäben bei Antragstellung nicht nach § 242 BGB spontan zur Anzeige der bereits vor Antragstellung diagnostizierten Entwicklungsstörung sowie des Verdachts einer irgendwie gearteten Alkoholspektrumstörung verpflichtet gewesen, da im Rahmen des § 19 VVG angesichts der gesetzlichen Vorgaben auch über erkennbar gefahrerhebliche Umstände keine Angaben zu machen seien, nach denen nicht gefragt wurde. Das LG Offenburg führte weiter aus, dass der Versicherer es nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr in der Hand habe, sich vorvertraglich durch konkrete Fragen an den späteren Versicherungsnehmer vor einer ihm als unsachgemäß empfundenen Inanspruchnahme zu schützen.

Vorliegend komme es nach Auffassung des Gerichts bei der Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen allein auf die Frage an, inwieweit von der beklagten Versicherung gestellte Gesundheitsfragen schuldhaft falsch durch den Versicherungsnehmer beantwortet wurden. Sei dies geschehen, stelle sich außerdem die Frage, ob die Beklagte gemäß § 21 VVG ihren Rücktritt innerhalb der Monatsfrist erklärt und hinreichend begründet hatte.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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