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Die Einstellungsmitteilung der Berufsunfähigkeitsversicherung im Nachprüfungsverfahren (LG Offenburg)

An eine Einstellungsmitteilung des Versicherers sind strenge Anforderungen zu stellen, dies hat das LG Offenburg in seinem Urteil vom 28.02.2020 (Az: 2 O 312/18) deutlich gemacht. Insbesondere zeigt das Urteil, dass die Einstellungsmitteilung eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten muss.

Keine Leistung aus BU-Versicherung nach Zurückbildung einer Depression?

Die Versicherungsnehmerin unterhält bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Als bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, erhielt sie vom Berufsunfähigkeitsversicherer die vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen (weitere Infos siehe hierzu Berufsunfähigkeit wegen Depression).

Im Rahmen einer Leistungsprüfung stellte ein von der Versicherung beauftragter Psychiater fest, dass die Versicherungsnehmerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit wieder vollschichtig ausüben könne. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Zwischenzeitlich hat sich die depressive Symptomatik zurückgebildet.“ Außerdem mutmaßt der Sachverständige in dem Gutachten, dass die posttraumatische Belastungsstörung seinerzeit in fehlerhafter Weise diagnostiziert worden sei.

Aufgrund dieser gutachterlichen Feststellungen stellte der Versicherer die Zahlungen ein. Als Begründung wurde in der Einstellungsmitteilung des Versicherers insbesondere auf das psychiatrische Gutachten verwiesen. Der Text der Einstellungsmitteilug lautete:

„[…] Im Rahmen unserer Leistungsprüfung haben wir […] begutachten lassen. Aus dem Gutachten vom […] geht hervor, dass sich die depressive Symptomatik zwischenzeitlich zurückgebildet hat. […] Eine mindestens 50%-ige Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen liegt somit nicht mehr vor.

Einstellungsmitteilung muss eine nachvollziehbare Begründung enthalten

Das LG Offenburg legt in seinem Urteil dar, dass an den Inhalt der Einstellungsmitteilung strenge Anforderungen zu stellen seien. So müsse die Mitteilung eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis geändert hat. Die Mitteilung müsse eine vergleichende Betrachtung der aus der Sicht des Versicherers maßgeblichen Umstände enthalten, die sich einerseits auf den Zeitpunkt des früheren Anerkenntnisses bezieht und andererseits auf den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung. Es müsse deutlich werden, aus welchen Gründen nun die Leistungspflicht entfallen soll.

Das Landgericht betont, dass die Anforderungen an die Einstellungsmitteilung aufgrund der Bedeutung der Berufsunfähigkeitsrente für den Versicherungsnehmer besonders hoch seien.

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Die Entscheidung des LG Offenburg

Das Landgericht urteilte, dass die Einstellungsmitteilung in dem konkreten Fall den dargestellten formellen Anforderungen nicht genüge. Die Versicherungsnehmerin könne daher weiterhin Zahlung der vereinbarten monatlichen Rente verlangen.

Das LG führt aus, dass die Begründung der Versicherung nicht in für die Versicherte nachvollziehbarer Weise deutlich mache, inwieweit sich die dem ursprünglichen Anerkenntnis zugrunde liegende psychische Beeinträchtigung aus medizinischer Sicht gebessert haben soll. Auch aus dem beigefügten Gutachten wird dies für die Versicherungsnehmerin nicht ersichtlich. Insbesondere reiche die Aussage im Gutachten, „dass sich die depressive Symptomatik zwischenzeitlich zurückgebildet hat“, nicht aus. Auf die von dem Sachverständigen aufgestellten Mutmaßungen müsse sich die Versicherungsnehmerin als Begründung auch nicht verweisen lassen. Der Verweis auf das schriftliche Gutachten begründe die Leistungseinstellung daher nicht hinreichend.

Fazit und Praxishinweis

Das Urteil verdeutlicht, dass nicht jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers rechtlich haltbar ist. Die Entscheidung liefert wichtige Hinweise zu den formellen Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Urteil des OLG Saarbrücken v. 07.04.2017 – 5 U 32/14 (Jöhnke & Reichow berichtete über das Urteil hier) verwiesen, in dem das Gericht deutlich macht, dass Leistungseinstellungen im Nachprüfungsverfahren bei Berufsunfähigkeit formalen und materiellen Voraussetzungen unterliegen.

Für die Praxis ist damit festzustellen, dass es im Bereich der Berufsunfähigkeit sinnvoll ist, jede Leistungsablehnung eines Berufsunfähigkeitsversicherers juristisch überprüfen zu lassen und frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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