Betriebsschließungsversicherung und Corona (LG Oldenburg)

Das Landgericht Oldenburg (LG Oldenburg) hatte sich mit der Frage befasst, ob ein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie auch dann besteht, wenn der Versicherer in der Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger verspricht, jedoch in der Aufzählung die Begriffe „Corona, COVID 19“ oder „Sars-Cov2“ nicht genannt sind (LG Oldenburg, Urt. v. 14.10.2020 – 13 O 2068/20).

Der Sachverhalt vor dem LG Oldenburg

Der Kläger ist Inhaber eines Restaurants mit Außerhausverkauf und Partyservice. Er unterhält bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag, der auch eine Versicherung für die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr umfasst. Der Kläger begehrt nun von der Beklagten Leistungen aus der bestehenden Versicherung für Betriebsschließungen infolge einer Seuchengefahr, nachdem er den Betrieb des Restaurants zunächst aufgrund einer Allgemeinverfügung des Landkreises und anschließend aufgrund der Verordnung des Landes Niedersachen zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie schließen musste.

Die Beklagte beantragte die Klageabweisung. Es bestehe schon deshalb kein Versicherungsschutz, weil die Auflistung der Krankheiten und Erreger in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) abschließend sei und das Corona-Virus (COVID-19) unstreitig nicht in der Auflistung enthalten ist. Ferner bestünde nach Ansicht des Versicherers auch deshalb kein Versicherungsschutz, da es an der nach dem Wortlaut der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) erforderlichen betriebsbezogenen Schließungsverfügung durch die zuständige Behörde fehlte.

Rechtliche Wertung des LG Oldenburg

Das LG Oldenburg hat entschieden, dass der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Leistungsanspruch aus der bestehenden Betriebsschließungsversicherung wegen eines Betriebsschließungs- oder Warenschadens, der ihm durch die auf der Corona-Pandemie beruhenden Schließung seines Restaurantbetriebes entstanden ist, hat.

Dem Anspruch stehe zwar nicht entgegen, dass die Schließung des Restaurants zunächst durch Allgemeinverfügung des Landkreises und dann durch Rechtsverordnung des Landes angeordnet worden ist. Ein Anspruch scheitere nämlich nicht daran, dass die Schließung nicht auf betriebsbezogenen Schließungsverfügung beruht. Da die AVB ohne nähere Ausgestaltung verlange, dass die Behörde den Betrieb schließt und da die Versicherungsbedingungen keine verwaltungsrechtlichen Rechtsbegriffe verwendet, sei nach den Bedingungen allein entscheidend, dass die Schließung für den Kläger verpflichtend angeordnet worden ist. Ob die Schließungsanordnung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften rechtmäßig war und ob sie einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würde, sei nicht entscheidend, so das Gericht (siehe auch LG München, Urt. v. 17.09.2020 – 12 O 7208/20).

Nach Ansicht des LG Oldenburg fehle es vorliegend jedoch deshalb an einem Versicherungsfall, weil die durch das Corona-Virus ausgelöste Krankheit bzw. das Corona-Virus nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten und Erregern im Sinne der Bedingungen zähle.

Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger ist abschließend

Nach Auffassung des Gerichts liege nach den AVB kein vom Versicherungsschutz umfasster Versicherungsfall vor, da das Corona-Virus oder eine hierdurch ausgelöste Erkrankung nicht in der Auflistung der versicherten Krankheiten bzw. Krankheitserregern enthalten seien. Die Aufzählung in den AVB sei abschließend, so das LG Oldenburg.

Ziff. 1.2 AVB „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“:

 „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: (…)“.

Maßgebend bei der Auslegung des Wortlauts der AVB sei dabei ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer (VN). Dieser werde bei verständiger Würdigung schon angesichts der Verwendung des Begriffes „folgende“ davon ausgehen, dass nur die anschließend namentlich aufgeführten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz umfasst seien. Für eine abschließende Aufzählung spreche ferner, dass in den AVB keine Öffnungsklausel etwa in Form der Verwendung der Worte „insbesondere“, „u.a.“ oder „beispielsweise“ enthalten sei. Außerdem könne hier gerade aufgrund der konkreten Formulierung nicht davon ausgegangen werden, dass das Wort „namentlich“ in den AVB als Synonym für das Wort „insbesondere“ verwendet werde, so das Gericht. Denn der Begriff („namentlich“) stehe an einer Stelle, an der auf die Paragrafen des IfSG verwiesen werde, und beziehe sich eindeutig nicht auf den Teil des Satzes, der die „folgende“ Aufzählung betreffe.

Der Bezug auf die Vorschriften des IfSG

Das LG Oldenburg war der Ansicht, dass der Verweis in den AVB auf die §§ 6 und 7 IfSG nicht dafür spreche, dass sämtliche darin genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst seien. Es werde vielmehr durch das Wort „namentlich“ im unmittelbaren Anschluss an die §§6 und 7 IfSG deutlich, dass gerade nur die in der nachfolgenden Aufzählung genannten Krankheiten und Erreger versichert seien. Durch das Wort „folgende“ erfolge eine weitere Eingrenzung dergestalt, dass nur die folgenden, d.h. die in den Bedingungen genannten Krankheiten und Erreger zu bedingungsgemäßen Krankheiten zählen, so das Landgericht.

Die Klausel in Ziff. 1.2 AVB sei auch nicht etwa deshalb  intransparent im Sinne von § 307 Abs.1 S. 2 BGB, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das IfSG Bezug nimmt. Der Regelungsgehalt sei dahingehend, dass folgende aufgezählte Krankheiten und Erreger versichert sind, für einen verständigen Versicherungsnehmer eindeutig zu erkennen. Der Versicherungsschutz werde nach Auffassung des Gerichts durch die Begrenzung auf die aufgeführten Krankheiten und Erreger auch nicht ausgehöhlt.

Nachträgliche Aufnahme von Corona in § 6 IfSG unbeachtlich

Das LG Oldenburg war letztlich auch der Ansicht, dass der Umstand, dass die Coronavirus-Krankheit nunmehr durch Gesetzesänderung mit Wirkung zum 23.05.2020 namentlich als Krankheit in §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 lit.t) IfSG aufgenommen wurde, aufgrund der abschließenden Auflistung für das streitgegenständliche Verfahren unbeachtlich sei. Ein verständiger Versicherungsnehmer werde demnach nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der Vorschriften des IfSG auf den Versicherungsvertrag Anwendung finden. Die abschließend zu verstehende Auflistung in den AVB mache dem VN deutlich, dass der Versicherer nur für die aufgelisteten Krankheiten und Erreger einstehe wolle, um so das Risiko im Rahmen zu halten.

Hinweis für die Praxis

Im Rahmen von Betriebsschließungsversicherung und Corona liegen als Hauptsacheentscheidungen allerdings nur solche einiger Landgerichte vor. Daher ist davon auszugehen, dass eine einheitliche und eindeutige Entscheidung zu diesem Fallen bisher nicht vorliegt und damit das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen ist. Es empfiehlt sich daher, gegen eine solche Entscheidung eines Landgerichts vorzugehen.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil zur Betriebsschließungsversicherung und Corona.

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