In Deutschland wurden viele Betriebe wegen des Coronavirus (COVID-19) aufgrund behördlicher Allgemeinverfügungen geschlossen. Viele Betriebe mussten somit für mehrere Wochen oder Monate schließen. Aufgrund dessen hofften viele Versicherte auf Leistungen aus den Betriebsschließungsversicherungen. Dabei haben Versicherungen den Versicherten den entsprechenden Versicherungsschutz jedoch verwehrt und vertraglich vereinbarte Leistungen verweigert. Diesen Leistungsablehnungen sind viele Versicherte entgegengetreten, unter anderem auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow, die Versicherte gegenüber Versicherungen berät und vertritt. Nunmehr liegt eine weitere gerichtliche Entscheidung zur Leistungsverpflichtung einer Versicherung vor, in diesem Fall der Versicherungskammer Bayern. Das LG München I bejaht darin Versicherungsschutz bei Betriebsschließung.
Viele Gastronomen befinden sich aktuell in Klageverfahren gegen die Versicherungen, bei welchen der Betrieb entsprechend gegen eine Betriebsschließung versichert wurde. So auch in diesem Fall vor dem LG München I, in welchem der Inhaber des Augustiner-Keller München, Herr Christian Vogler, gegen seine Betriebsschließungsversicherung, der Versicherungskammer Bayern geklagt hat.
Herr Vogler hatte kurz vor dem Corona-Lockdown noch im März eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, um sich entsprechend gegen Corona abzusichern. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte ab dem 21.03.2020 den klägerischen Betrieb aufgrund des Coronavirus geschlossen.
Die Versicherungskammer Bayern wollte jedoch dennoch nicht zahlen und lehnte die vollen Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ab. Die Begründung der Versicherung war, dass in den Versicherungsbedingungen zwar behördlich angeordnete Schließungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gedeckt seien, der Covid-19-Erreger jedoch nicht genannt werde.
Die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des Landgerichts München I hat der Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.014.000,00 € aufgrund der Corona-bedingte Betriebsschließung gegen seine Versicherung stattgegeben (LG München I v. 01.10.2020 – 12 O 5895/20). Nach Ansicht des Gerichts besteht im vorliegenden Fall eine Leistungspflicht der Versicherung.
Die Versicherungskammer könne sich nicht darauf berufen, dass die Corona-Pandemie nicht mitversichert gewesen sei, zumal der Kläger den Versicherungsvertrag erst Anfang März, also wenige Wochen vor den Zwangsschließungen, abgeschlossen hatte. Die Versicherungsbedingungen seien intransparent, so das erkennende Gericht.
Entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung komme es auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der der Allgemeinverfügung nicht an. Der Kläger habe auch nicht gegen die Anordnungen vorgehen müssen. Zudem sei es nicht erforderlich, dass das Coronavirus im Betrieb des Klägers auftrete, denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) komme es lediglich darauf an, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei. Dies sei der Fall gewesen, nachdem sich die Allgemeinverfügung des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21.03.2020 und die nachfolgende Verordnung vom 24.03.2020 ausdrücklich auf die Ermächtigungsgrundlagen in §§ 28 – 32 IfSG bezogen hätten.
Der Betrieb des Klägers sei vollständig geschlossen gewesen, nachdem in der fraglichen Zeit tatsächlich kein Außerhausverkauf stattfand und letzterer dem Kläger auch unzumutbar gewesen sei. Nach Ansicht des Gerichts stelle ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurant-betrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft sei, keine unternehmerische Alternative dar, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen müsse.
„Das rechtliche Instrumentarium der Umsetzung der Betriebsschließung kann nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungsschutz entscheiden. Ob die Betriebsschließung durch eine Einzelmaßnahme für den konkreten Betrieb oder aber durch eine Allgemeinverfügung erfolgt, ist belanglos. Auch Versicherungsbedingungen sind nach Sinn und Zweck der Regelung auszulegen.“
Der Versicherungsumfang sei auch nicht durch § 1 Ziffer 2 AVB eingeschränkt, denn die Parteien hätten den Versicherungsvertrag am 04.03.2020 – mithin während der Pandemie und im Hinblick darauf – abgeschlossen. Unabhängig davon sei § 1 Ziffer 2 AVB der beklagten Versicherung intransparent und daher unwirksam. Werde der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, müsse dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe.
Diesen Anforderungen werde § 1 Ziffer 2 AVB nicht gerecht. Denn der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts von § 1 Ziffer 1 AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend sei und sich mit dem IfSG decke. Er gehe aufgrund des Wortlauts und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 AVB zudem davon aus, dass in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolge, und nur in § 3 AVB Einschränkungen enthalten seien. Die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger sei jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig. Außerdem sei das Infektionsschutzgesetz seit dessen Einführung vor 20 Jahren bereits mehrfach geändert und um weitere Krankheiten und Erreger ergänzt worden.
Dies bliebe dem Versicherungsnehmer verborgen und damit müsse er auch nicht rechnen. Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar sei, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt sei, sei intransparent.
Die in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde
aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und
Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
(Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger
in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger
a) den versicherten Betrieb […] schließt; […]
2. Versicherungsschutz besteht für die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG
namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren
Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000:
a) Krankheiten
[…]
b) Krankheitserreger
[…]
§ 3 Ausschlüsse
1. Der Versicherer haftet nicht
[…]
b) für andere als die in § 1 Ziffer 2 genannten Krankheiten und
Krankheitserreger, insbesondere nicht für […].“
Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele.
In diesem Verfahren vor dem Landgericht München I wurden Ansprüche des Versicherten aus der Betriebsschließungsversicherung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens geltend gemacht.
In anderen Gerichtsverfahren wurden die Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht. Das Landgericht Mannheim bestätigte nach den dort zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen den Versicherungsschutz aus der Betriebsschließungsversicherung. Jedoch gab es für den Versicherten am Ende des Prozess keine Leistungen an dem Versicherungsvertrag (LG Mannheim v. 29.04.2020 – Az. 11 O 66/20).
Das OLG Hamm hat mit einer weiteren gerichtlichen Entscheidung zur Betriebsschließungsversicherung eine für Versicherte ungünstige Entscheidung getroffen. Zwar hätte die Versicherte auch in diesem Verfahren wegen der Vorwegnahme der Hauptsache keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ehedem bekommen. Jedoch verneinte das Gericht hier auch den Anspruch an sich (OLG Hamm v. 15.07.2020 – 20 W 21/20).
Die Kanzlei Jöhnke & Reichow berichtet über die beiden Fälle und die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (AVB), da diese in der vorliegenden Entscheidung des OLG Hamm eine Besonderheit darstellen.
Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt im Fall von Leistungsablehnungen der Versicherungen. Lehnt der Versicherer Leistungen ab, ist schnelle juristische Hilfe erforderlich. Die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke Reichow stehen den Versicherten und Versicherungsvermittlern als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Wir vertreten Ihre Interessen!
Das LG München I hat damit eine für Versicherungsnehmer günstige und wegweisende Entscheidung getroffen. Zum einen ist dieses die erste Entscheidung im eines Hauptsachverfahrens. Zum anderen wurden auch hierbei alle Tatbestandsmerkmale der AVB rechtlich sauber und nachvollziehbar durchgeprüft. Das Urteil ist absolut begrüßenswert und dürfte die Versicherten weiterhin auf Ihre Ansprüche hoffen lassen.
Aus diesem Grunde sollten Versicherte natürlich weiterhin ihre Ansprüche verfolgen. Hierfür steht die Kanzlei Jöhnke & Reichow mit ihren Fachanwälten gern zur Verfügung. Die Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt viele Versicherte in Fällen von Leistungsablehnungen aufgrund einer Betriebsschließung. Weitere Informationen zur Betriebsschließungsversicherung sind hier zu finden. Gern können Vermittler und Versicherte den kostenlosen Erstberatungsservice der Kanzlei Jöhnke & Reichow nutzen.
Liegt bereits eine Leistungsablehnung durch eine Versicherung vor, sollte ebenfalls zeitnah juristischer Rat aufgesucht werden. Hierzu stehen die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow gern zur Verfügung. Wir beraten und vertreten Ihre Interessen bundesweit.
Mit unserer Schadens- und Beratungshotline 040-34809750 stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Ihre Leistungsablehnung senden Sie gern an unsere Email-Adresse info@joehnke-reichow.de. Wir sind gern für Sie da!
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Betriebsunterbrechungsversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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