Das LG Hamburg hatte sich mit der rechtlichen Frage zu befassen gehabt, ob Finanzvertriebe, die eine gewerberechtliche Erlaubnis für die Vermittlung von Versicherungen als Mehrfirmenvertreter (sog. Mehrfachagenten) haben, mit einer „Unabhängigkeit“ werben dürfen (LG Hamburg v. 27.09.2018 – Az. 315 O 418/17). Gegen eine solche Werbung hatte sich ein Versicherungsmakler gewendet.
Namens und im Auftrag der Mandantschaft wurde dem Finanzvertrieb als Mehrfachagent gegenüber mit Datum vom 31.07.2017 eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen unlauterer Handlungen ausgesprochen, denn nach Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow lag ein Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor. Dieser Abmahnung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Finanzvertrieb hatte als Mehrfachagent gegenüber Dritten auf dem Firmenlogo des Unternehmens und im Internet mit dem folgenden Claim geworben: „Unabhängigkeit aus Prinzip!“.
Nach Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow werden mit dieser vorgenannten Darstellung Verbrauchern – bzw. Versicherten – falsche Informationen zur Verfügung gestellt und führt diese damit in die Irre (§ 5 Abs. 1 UWG). Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dieses ist nach Auffassung der Kanzlei bei dieser Darstellung „Unabhängigkeit aus Prinzip!“ der Fall, denn die vermittelten Informationen führen dazu, dass der Versicherte annimmt es würde durch den Versicherungsvertreter eine „unabhängige“ Beratung angeboten. Diese Informationen sind jedoch nach Auffassung der Kanzlei falsch, da Versicherungsvertreter (Mehrfachagenten, Mehrfirmenvertreter) nach der gesetzlichen Definition des § 59 Abs.2 VVG im Auftrag der verschiedenen Versicherungsgesellschaften tätig sind. Damit sind Vertreter ihren Auftraggebern, also den Versicherungsgesellschaften, verpflichtet und eben nicht unabhängig.
Nach Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow ist Wettbewerbsverstoß auch geeignet die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Das Verhalten ist somit wettbewerbswidrig im Sinne §§ 3a, 4, 5 UWG, so die Kanzlei Jöhnke & Reichow. Mangels Abgabe einer diesbezüglichen außergerichtlichen Unterlassungserklärung durch den Finanzvertrieb war Klage zum Landgericht Hamburg geboten.
„Um den wettbewerbsverzerrende Maßnahmen schnell zu beenden, kann eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung durchaus ein adäquates Mittel darstellen, um Wettbewerbsverstöße zu beenden. Werden die Wettbewerbsverstöße außergerichtlich nicht abgestellt, bleibt nur der Weg durch die Instanzen.“
Mit Urteil vom 27.09.2018 (Az. 315 O 418/17) stellte die Kammer (Zivilkammer 15) des LG Hamburg fest, dass der beklagte Finanzvertrieb verurteilt wird, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000.-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Versicherungsvertreter mit der Bezeichnung „Unabhängig“ zu werben.
Das erkennende Gericht folgte damit der Ansicht der Kanzlei Jöhnke & Reichow und wies die Beklagte auf diese Rechtsauffassung hin mit der Empfehlung, den Klageanspruch vollumfänglich anzuerkennen. Mit Schriftsatz vom 21.09.2018 erkannte die Beklagte so dann den Klageanspruch der Klägerin vollumfänglich an, so dass das Verfahren mit einem Anerkenntnisurteil erledigt werden konnte.
Nach Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow, als auch nach Auffassung des LG Hamburg, sind Versicherungsvertreter, respektive Mehrfachagenten / Mehrfirmenvertreter, nicht unabhängig.
Gegenstand der Klage war unter anderem das Verbot, sich unter Bezugnahme auf die konkreten Darstellungen als unabhängig zu bezeichnen, weil hierdurch der falsche Eindruck erweckt werde, dass die Beklagte rechtlich im Lager des Kunden tätig sei, während sie als Mehrfachagentin tatsächlich im rechtlichen Lager des Versicherers stehe. Die in Rede stehenden Darstellungen sind geeignet, Verbraucher über die Eigenschaften des Unternehmens zu täuschen. Die Angabe „Unabhängigkeit aus Prinzip!“ ist irreführend, da dadurch eine rechtliche Unabhängigkeit suggeriert wird, die in Versicherungsangelegenheiten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.
„Unabhängig“ bedeutet aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, dass der Vermittler allein dem Versicherungsnehmer gegenüber vertraglich verpflichtet ist und in dessen Interesse rechtlich unabhängig tätig werden kann. Diese Erwartung wird jedoch enttäuscht, wenn der Vermittler vom Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beauftragt ist und für die Versicherung tätig wird. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob der Vermittler von einer oder 100 Versicherungen beauftragt worden ist, denn er steht bei Abschluss des Versicherungsvertrags, für den sich der Versicherungsnehmer am Ende entscheidet, im Lager der Versicherung, so die Auffassung der Kanzlei Jöhnke & Reichow.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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