Betriebsschließungsversicherung und Corona (LG Stuttgart)

Das Landgericht Stuttgart hatte zu entscheiden, ob in einer Betriebsschließungsversicherung, in der Deckungsschutz ausdrücklich „nur (für) die im Folgenden aufgeführten“ meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger vereinbart ist, ohne dass dort die Begriffe „COVID 19“ oder „Sars-Cov2“ genannt werden, Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie besteht (LG Stuttgart, Urt. v. 30.09.2020 – 16 O 305/20).

Der Fall vor dem LG Stuttgart

Die Klägerin betriebt eine Gaststätte und unterhält bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag, der eine Betriebsschließungsversicherung umfasst. Die Klägerin begehrt nun von der Beklagten Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung, nachdem sie den Gaststättenbetrieb aufgrund der Verordnung des Landes Baden-Württemberg zur Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus schließen musste. Bei dem neuartigen Coronavirus handele es sich um eine meldepflichtige Krankheit im Sinne der Besonderen Vereinbarung über die Betriebsschließungsversicherung (BV-BS). Es sei den in den BV-BS aufgeführten Influenzaviren zuzuordnen. Die Klägerin war der Auffassung, dass es sich bei den in der BV-BS genannten meldepflichtigen Krankheiten um eine nicht abschließende Aufzählung handele.

Die Beklagte beantragte die Klageabweisung. Der Versicherungsschutz beziehe sich nur auf die in den BV-BS namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Zu diesen zählen „Corona, COVID-19 oder Sars-Cov2“ nicht. Ferner liege deshalb kein Versicherungsfall vor, da es zu bezweifeln sei, dass es sich bei den Maßnahmen der Landesregierung um eine bedingungsgemäße Betriebsschließung handele. Es fehle nach Ansicht des Versicherers an dem erforderlichen Einzelfallbezug der Maßnahmen.

Die Entscheidung des LG Stuttgart

Das LG Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch aus der Betriebsschließungsversicherung, weil die Klage unbegründet sei. Aus der BV-BS ergebe sich nämlich eindeutig, dass der Versicherungsnehmer nur dann Versicherungsschutz genieße, wenn die Anordnung zur Schließung auf Grundlage der in dem Bedingungswerk abschließend aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger erfolge, so das Gericht.

Kein Verweis auf das Infektionsschutzgesetz

„2. Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten:

2.1 meldepflichtige Krankheiten (…)

2.2 meldepflichtige Krankheitserreger (…)“

Die oben aufgeführte Regelung sei nach Ansicht des LG Stuttgart aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (VN) so zu verstehen, dass sich der Versicherungsschutz auf die dort ausdrücklich genannten Krankheiten und Erregern beschränke. COVID-19 und SARS-CoV-2 seien dort unstreitig nicht genannt. Es komme daher eine Auslegung dahingehend, dass auch in den Bedingungen nicht genannte, aber im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgeführte Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, nicht in Betracht, so das Gericht. Zwar liege ein Bezug auf das IfSG in der Form vor, dass es um hierauf gestützte Betriebsschließungen gehe. Jedoch sei eine Verweisung auf die in §§ 6 und 7 IfSG aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger nicht enthalten. Letztlich stelle sich damit auch nicht die Frage, ob eine solche Verweisung als statisch oder als dynamisch zu verstehen sei. Zweifelsfrei ergebe sich aus der Formulierung „nur die im Folgenden aufgeführten“, dass es sich bei der Regelung um eine abschließende Aufzählung handele.

Sind die Beschränkungen in Ziff. 2 BV-BS wirksam?

Das Gericht vertritt in dieser Hinsicht die Auffassung, dass gegen die Wirksamkeit der Beschränkung in Ziff. 2 der BV-BS keine Bedenken bestünden. Insbesondere handele es sich dort um keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Es bestehe keine deutliche Diskrepanz zwischen dem Klauselinhalt und dem, was ein durchschnittlicher verständiger VN erwarten dürfe. Ein solcher könne und müsse damit rechnen, dass der Versicherer den Versicherungsschutz auf im Vertrag ausdrücklich genannte Fälle beschränke und gerade keinen Versicherungsschutz für künftig auftretende, jedoch bei Vertragsschluss unbekannte meldepflichtige Krankheiten bzw. Krankheitserreger bieten wolle, deren Gefahrenpotential er bei Vertragsschluss gar nicht kalkulieren könne. Das Landgericht war auch der Ansicht, dass die Klausel nicht mehrdeutig, sondern klar und eindeutig formuliert sei und mithin nicht gegen § 305c Abs. 2 BGB verstoße.

Des Weiteren könne offenbleiben, ob die Klausel einer Inhaltskontrolle unterliege. Jedenfalls halte sie einer solchen Stand, so das Gericht. Ein Verstoß der Klausel gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liege ebenfalls nicht vor, da sie klar und verständlich sei und die sich aus ihr für den Versicherungsnehmer ergebenden wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen hinreichend erkennen lasse.

Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die in Ziff. 2 der BV-BS genannten Krankheiten und Krankheitserreger führe nach Auffassung des LG Stuttgart auch nicht zu einer Gefährdung des Vertragszwecks im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Grundsätzlich dürfe nach ständiger Rechtsprechung ein Versicherer den Umfang der Leistung begrenzen, solange er den Vertrag damit nicht aushöhle und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos mache. Vorliegend bleibe im Hinblick auf die versicherten Krankheiten und Erreger ein weiter Anwendungsbereich des Vertrages bestehen.

Keine unangemessene Benachteiligung durch abschließende Aufzählung

Eine unangemessene Benachteiligung liege ebenfalls nicht vor, so das LG. In seiner Entscheidung, in welchem Umfang er Versicherungsschutz anbieten wolle, sei der Versicherer grundsätzlich frei. Die Regelung trage auch dem berechtigten Interesse des Versicherers Rechnung, das versicherte Risiko nicht zuletzt in Bezug auf die Prämienhöhe seriös einschätzen zu können. Insbesondere ein «Alles-oder-nichts-Prinzip», dass der Versicherer nur Versicherungsschutz für alle im IfSG genannten Krankheiten und Erreger anbieten dürfe oder für gar nichts, sei rechtlich nicht erforderlich.

Hinweis für die Praxis

Vorliegend ist der Entscheidung des LG Stuttgart zuzustimmen, da die Besondere Vereinbarung über die Betriebsschließungsversicherung gänzlich eindeutig ist. Dass es sich um eine abschließende Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger handelt, liegt auf der Hand. Außerdem enthalten die hier genannten Bedingungen keine Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz. Damit kann sich auch nicht die Frage stellen, ob der Verweis als statisch oder als dynamisch zu verstehen ist.

Im Rahmen von Betriebsschließungsversicherung und Corona liegen als Hauptsacheentscheidungen allerdings nur solche einiger Landgerichte vor. Daher ist davon auszugehen, dass eine einheitliche und eindeutige Entscheidung zu diesem Fallen bisher nicht vorliegt und damit das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen ist. Es empfiehlt sich daher, gegen eine solche Entscheidung eines Landgerichts vorzugehen.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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