Vertragsgenerator eines nichtanwaltlichen Legal-Tech-Anbieters stellt keine Rechtsdienstleistung dar (OLG Köln)

Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) hatte sich jüngst mit der Frage zu befassen gehabt, ob ein Vertragsgenerator eines nichtanwaltlichen Legal-Tech-Anbieters gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstößt und der Betrieb damit zu untersagen ist (OLG Köln, Urt. v. 19.06.2020 – 6 U 263/19).

Der Sachverhalt vor dem OLG Köln

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg (RAK Hamburg) verlangte in erster Instanz vor dem Landgericht Köln (LG Köln) von der Wolters Kluwer Deutschland GmbH wegen eines behaupteten Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und wegen geltend gemachter Irreführung von Werbeaussagen Unterlassung. Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte berichtete bereits über den Verfahrensgang vor dem LG Köln (Urt. v. 08.10.2019 – 33 O 35/19).

Das LG Köln hatte der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Betrieb des Vertragsgenerators „Smartlaw“ und die Werbung in diesem Rahmen mit den Aussagen Günstiger und schneller als der Anwalt“ oder „Rechtsdokumente in Awaltsqualität“ zu unterlassen.

Die Beklagte beantragte daraufhin mit Berufung das Urteil des LG Köln bezüglich des Betriebs des Vertragsgenerators aufzuheben und die Klage der RAK Hamburg abzuweisen.

Die Entscheidung des OLG Köln

Das OLG Köln hat jedoch entschieden, dass die zulässige Berufung der Beklagten begründet ist. Die Klägerin habe bezüglich des streitgegenständlichen Rechtsdokumentengenerators als solchen keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 3, § 3 UWG.

Die Klägerin berufe sich auf den Unlauterkeitstatbestand des § 3a UWG i. V. m. § 3 RDG als einer anerkannten Marktverhaltensregelung (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.2016 – I ZR 107/14) und trägt vor, dass bereits das Angebot der Rechtsdienstleistung den Unterlassungsanspruch auslösen könne. Ein Verstoß gegen §§ 3, 2 RDG liege jedoch nicht vor, so das OLG. Die Beklagte erbringe mit dem Angebot des Vertragsgenerators keine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i. S. d. § 2 Abs. 1 RDG.

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„Das rechtliche Instrumentarium der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung kann im Einzelfall berechtigt sein. Doch dazu müssen auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese müssen zwingend in jedem Einzelfall genauestens juristisch überprüft werden.“

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Ist ein Vertragsgenerator eine Rechtsdienstleistung?

Eine Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert, § 2 Abs. 1 RDG.

Der von der Beklagten angebotene digitale Vertragsgenerator erstellt auf der Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung von Textbausteinen EDV-basiert individuelle Rechtsdokumente. Dieser Vorgang könne nur mit einer großzügigen Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert“ als Rechtsdienstleistung angesehen werden, wobei nach der Rechtsprechung des BGH eine weite Auslegung nicht geboten sei (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18).

Nach Auffassung des Gerichts sei die Software als solche nämlich keine „Tätigkeit“ eines Dienstleisters. Die Tätigkeit der Beklagten beschränke sich lediglich auf das Entwickeln und Bereitstellen der Software. Die nachfolgende Inanspruchnahme des Generators durch die Nutzer sei zwar Tätigkeit in einem konkreten Einzelfall, jedoch nicht in „fremder“ Angelegenheit. Um die Tätigkeit der Nutzer in eigener Sache als eine Tätigkeit der Beklagten in konkreter fremder Angelegenheit ansehen zu können, bedürfe es einer Zurechnungs-Konstruktion. Diese käme nur dann in Betracht, wenn Sinn und Zweck des RDG eine solche Zurechnung erforderten. Das sei jedoch nicht der Fall

Das Merkmal „rechtliche Prüfung im Einzelfall“

Hätte das RDG dennoch eine solche Zurechnungs-Konstruktion vorgesehen, so würde es wiederum am Tatbestandsmerkmal „rechtliche Prüfung im Einzelfall“ scheitern, so das OLG Köln. Unter Verweis auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 müsse der Verbotsbereich des RDG auf Fälle echter Rechtsanwendung beschränkt werden. Erforderlich sei in dieser Hinsicht vielmehr, dass die Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung objektiv oder nach der Erwartungshaltung des Rechtssuchenden eine besondere Prüfung im Sinne eines juristischen Subsumtionsvorgangs voraussetzt. Keine Rechtsdienstleistung liege vor, wenn rechtliche Vorgänge nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung ohne eine individuelle rechtliche Prüfung abgewickelt werden oder die rechtliche Beurteilung einer Frage auch für juristische Laien so leicht und eindeutig ist, dass es einer besonderen juristischen Prüfung nicht bedarf.

Somit sei eine Rechtsdienstleistung eine „Tätigkeit“, die zwingend menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität voraussetzt. Dies folge aus den Ausführungen in der Gesetzesbegründung (Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts) zur rechtlichen Prüfung. Es sei stets ein juristischer Subsumtionsvorgang auf Seiten des Dienstleistenden notwendig, der auch über die bloße Anwendung von Rechtsnormen auf einen Sachverhalt hinausgehen muss. Bei einem einfachen IT-Programm der vorliegenden Art, das schematisch vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeitet, sei ein solcher mehr als rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang nicht gegeben. Dass der Softwareentwickler die Absicht habe, alle denkbaren Fallkonstellationen zu erfassen, bringe kein anderes Ergebnis mit sich, so das OLG Köln.

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Kein komplexer Sachverhalt notwendig

Dennoch sei anzumerken, dass eine Rechtsdienstleistung keinen besonders komplexen Sachverhalt erfordert. Jede spezifische Frage zu einem Einzelfall, deren Beurteilung eine juristische Subsumtion und gegebenenfalls besondere Rechtskenntnisse erfordert, beinhaltet eine Rechtsprüfung. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsprüfung keinen hohen Schwierigkeitsgrad aufweist. Auch sei es dabei nicht erheblich, mit welchen technischen Mitteln die Dienstleistung erbracht wird.

Praxishinweis

Die teilweise Änderung des erstinstanzlichen Urteils durch das OLG Köln lässt den Schluss ziehen, dass eine juristische Prüfung des avisierten Geschäftsmodells in jedem Fall vor Geschäftsaufnahme anzuraten ist, bevor eine solche Software in Form eines Rechtsdokumentengenerators in Betrieb genommen wird. Sinnvoll ist es daher, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zu vermeiden.

Das OLG Köln hat vorliegend die Revision zum BGH zugelassen, so dass sich der BGH möglicherweise noch dazu äußern wird. Über den Verfahrensgang vor dem BGH wird die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte berichten. Ob die Revision tatsächlich eingelegt wurde, ist derzeit noch nicht bekannt.

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte aus Hamburg hat sich – unter anderem – auf derartige Rechtsgebiete wie den Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbsrecht) und das Informationstechnologierecht (IT-Recht) spezialisiert. Die Rechtsanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow verfügen dabei über weitreichende Erfahrung und Kompetenz und vertreten die Mandanten bundesweit.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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