Das Landgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung unter den Privat-Rechtsschutz für Selbständige fällt (LG Düsseldorf v. 14.08.2017 – 9 O 30/17). Die Entscheidung ist von äußerster praktischer Relevanz, denn bekanntermaßen berufen sich Rechtsschutzversicherungen im Rahmen von Deckungsanfragen häufig auf den wechselseitigen Ausschluss.
Der Kläger betrieb selbstständig eine Druckerei und unterhielt eine private Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Er beantragte wegen einer Augenerkrankung Leistungen aus der BU. Diese Leistungen wurden jedoch abgelehnt, da eine Berufsunfähigkeit nach Ansicht der BU-Versicherung nicht vorliege. Dem Kläger wurde jedoch 50 % der Berufsunfähigkeitsrente aus Kulanz angeboten bei voller Beitragsfreiheit.
Der Kläger hatte jedoch eine Rechtsschutzversicherung (RSV) vom 23.10.2003, welche den Tarif „Kompaktrechtsschutz für Selbstständige gemäß § 28 ARB“ umfasste. Dem Vertrag lagen die ARB 2000/2 1.0 (10.2002) zu Grunde. Der Vertrag sieht in Klausel 4 zu § 28 ARB eine zusätzliche Versicherungsmöglichkeit vor, wonach gegen Zahlung einer erhöhten Prämie nach Vereinbarung auch der Bereich des nicht privaten Vertragsrechts umfasst wäre. Diese zusätzliche Vereinbarung schlossen die Parteien jedoch nicht.
Der Kläger beantragte bei der RSV so dann eine Deckungszusage hinsichtlich der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus der BU. Dies lehnte die RSV jedoch mit der Begründung ab, die personenbezogene Vorsorge eines Selbstständigen sei nicht von dem geschlossenen Rechtsschutzvertrag umfasst, da es sich hierbei um eine vertragsrechtliche Streitigkeit aus dem nicht privaten Bereich handele. Der Kläger verfolgte sein Deckungsbegehren so dann klageweise weiter.
Das LG Düsseldorf kam zu der folgenden Entscheidung:
Die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung fällt in der Rechtsschutzversicherung unter den Rechtsschutz für Vertragsrecht im privaten Bereich, und zwar auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit hinsichtlich einer selbstständigen Tätigkeit geltend machen will.
Die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer BU durch den Kläger fällt unter den Rechtsschutz für Vertragsrecht im privaten Bereich nach § 28 Abs. 3 ARB. Die beklagte RSV ist daher verpflichtet, dem Kläger Versicherungsschutz für die Durchsetzung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu gewähren.
§ 28Abs. 1 ARB definiert den Bereich, für den im Rahmen des „Kompakt-Rechtsschutz für Selbstständige“, welcher zwischen den Parteien unstreitig vereinbart ist, Rechtsschutz gewährt wird. Nach § 28 Abs. 1 b ARB besteht nach diesem Vertrag auch Rechtsschutz für den VN im privaten Bereich, was nach § 28 Abs. 3 auch grundsätzlich den Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht umfasst, wobei hinsichtlich der Definition auf § 2 b ARB verwiesen wird, der wie folgt lautet:
„Rechtschutz im Vertrags- und Sachenrecht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, […]“
Die Leistungen aus einer BU und deren Geltendmachung sind jedenfalls dem privaten Bereich zuzuordnen und deshalb vom Versicherungsschutz nach § 28 Abs. 3 ARB umfasst. Die ARB unterscheiden zwischen dem Bereich der selbstständigen Tätigkeit des VN und seinem privaten Bereich. Maßgeblich für die Zuordnung der Interessenwahrnehmung zum selbstständigen Bereich ist, dass ein innerer, sachlicher Zusammenhang von nicht nur untergeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Hierbei ist es nicht ausreichend, wenn die Interessenwahrnehmung durch die selbständige geschäftliche Tätigkeit lediglich verursacht oder motiviert ist. Auch ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus. (BGH v. 28.06.01978 – IV ZR 1/77).
Hinsichtlich der Zuordnung der BU führt beispielsweise das OLG Karlsruhe aus:
„Entscheidend für den Senat ist, dass in der Berufsunfähigkeit nicht die Fähigkeit zur Ausübung eines bestimmten Berufes versichert ist, sondern immer auf den jeweils zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird. Wer als Selbständiger eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, genießt auch dann Versicherungsschutz, wenn er später abhängig tätig ist und umgekehrt. Außerdem liegt Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht notwendig bereits dann vor, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht weiter ausgeübt werden kann; vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß auch zumutbare andere Tätigkeiten nicht ausgeübt werden können. Diese Verweigerungstätigkeiten können aber auch bei einem Selbständigen unter Umständen eine unselbständige Tätigkeit sein. … Aufgrund all dieser Umstände fehlt nach Ansicht des Senates der auch vom BGH (VersR 1978, 816) geforderte innere sachliche Zusammenhang von nicht bloß untergeordneter Bedeutung zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und der zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit.“ (OLG Karlsruhe v. 02.12.1992 – 13 U 83/92, NJW-RR 1993, 539)
Das OLG führt zutreffend aus, dass es an einem inneren Zusammenhang zwischen der selbstständigen Tätigkeit und der Berufsunfähigkeitsversicherung fehlt. Hinzu kommt, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung grade der Abdeckung der privaten Kosten und der Sicherung des privaten Lebensstandards dient und eine Leistung hieraus erst zu einem Zeitpunkt greift, der jenseits der ausgeübten beruflichen Tätigkeit liegt (vgl. LG München I v. 03.12.2004 – 23 O 300/04, VersR 2005, 1073).
Der VR wird bei einer solchen Versicherung erst dann zahlungspflichtig, wenn der VN auf Dauer außer Stande ist, seine Tätigkeit weiterhin auszuüben. Die Berufsunfähigkeitsversicherung fällt nicht deshalb aus dem privaten Bereich heraus, da mit dieser Versicherung der befürchtete Ausfall des Verdienstes aus selbstständiger Tätigkeit ausgeglichen werden soll („Einkommensersatzfunktion“). Versichert ist die dauerhafte Berufsunfähigkeit, wobei für die Höhe des Anspruchs allein die vereinbarte Versicherungsleistung maßgeblich ist. Schließlich ist nach den Versicherungsbedingungen die Berufsunfähigkeit nur anzunehmen, wenn die versicherte Person auch nicht in der Lage ist, einen Vergleichsberuf auszuüben. Dieser Vergleichsberuf kann aber für einen Selbstständigen auch eine unselbstständige Tätigkeit sein (LG München I, aaO), so dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Selbstständigkeit nicht besteht.
Die Entscheidung ist nachvollziehbar und stärkt die Rechte der Verbraucher, denn nunmehr steht fest, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in der Rechtsschutzversicherung unter den Rechtsschutz für Vertragsrecht im privaten Bereich fällt. Dieses auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit hinsichtlich einer selbstständigen Tätigkeit geltend machen will.
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Demnach ist festzustellen, dass es im Bereich der Rechtsschutzes sinnvoll ist, jede Deckungsablehnung eines Rechtsschutzversicherers juristisch überprüfen zu lassen und frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten durch – möglicherweise – ungerechtfertigte Leistungsablehnungen durch Versicherungen vereitelt werden könnten.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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