Das OLG München hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Versicherungsmakler mit Mehrheitsbeteiligung einer Versicherung mit „neutral und unabhängig“ werben darf (OLG München v. 16.1.2020 – 29 U 1834/18). Die Entscheidung des Gerichts ist rein rechtlich nicht nur äußerst interessant, sondern lässt gleichfalls auch Rückschlüsse auf weitere Rechtsfragen zu (siehe am Ende des Artikels).
Die beklagte Gesellschaft (hier: 1:1 Assekuranzservice) verfügt – unter anderem – über eine Erlaubnis als Versicherungsmaklerin nach § 34 d Absatz 1 GewO. Ihre Anteile werden zu 100 % von einer Lebensversicherung (hier: WWK Lebensversicherung a.G.) gehalten. Im Rahmen ihrer Werbung weist die Beklagte auch auf diesen Umstand hin (siehe hier), warb jedoch auch mit der folgenden Aussage:
„Unabhängigkeit und Neutralität – wir sind unseren Kunden verpflichtet und vertreten ausschließlich deren Interessen.“
Die Klägerin verfügt ebenfalls über eine Erlaubnis als Versicherungsmaklerin nach § 34 d Absatz 1 GewO und vertritt die Ansicht, dass die Beklagte (1) nicht als Versicherungsmaklerin auftreten dürfe, da dieses wegen ihrer 100%igen Tochterstellung der Versicherung widersprüchlich sei und einen Interessenkonflikt darstelle. (2) Der werbliche Auftritt der Beklagten mit „unabhängig und neutral“ sei irreführend.
Das OLG München gab der Klage nur teilweise statt:
(1) Zwar sei der Auftritt eines Versicherungsmaklers, welcher über eine entsprechende Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO verfüge, zulässig, denn es liege nun mal eine entsprechende gewerberechtliche Erlaubnis tatsächlich vor. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG sei auch nicht deshalb gegeben, nur weil an dem Versicherungsmakler eine Mehrheitsbeteiligung eines Versicherers bestehe. Die Zulässigkeit des Auftritts als Versicherungsmaklers könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass mehr als 50 % der Anteile von einem Versicherer gehalten werden. Dies käme einer Marktzugangsvoraussetzung gleich, für die es jedoch keine rechtliche Grundlage gebe. Dies ergebe sich auch daraus, dass nach § 15 Abs. 1 Nr. 11 VersVermV über Beteiligungen von Versicherungsunternehmen von über 10 % gerade aufzuklären ist. Der Gesetzgeber gehe also davon aus, dass Versicherungsunternehmen an Versicherungsmaklern Beteiligungen halten, und sehe gleichwohl keine Notwendigkeit, diese der Höhe nach zu beschränken.
(2) Das OLG sah jedoch die Werbung der beklagten Versicherungsmaklerin mit „neutral und unabhängig“ als irreführend an, da diese werblichen Aussagen dazu geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise über die Beteiligungsverhältnisse zu täuschen. Es bestehe damit die potentielle Gefahr, dass sich die beklagte Versicherungsmaklerin nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch von denen des Versicherers leiten lasse. Die Werbung eines Versicherungsmaklers, der über diese Abhängigkeit täusche, erhöhe damit seine Attraktivität, so das OLG. Irrelevant sei auch die Tatsache, dass die Beklagte auf ihrer Webseite über die entsprechend Beteiligungsstruktur aufkläre, da nicht zwingend davon ausgegangen werden könne, dass der von der isoliert aufgestellten Werbebehauptung angesprochene Verkehr die an anderer Stelle gemachten Ausführungen zu den Beteiligungsverhältnissen zur Kenntnis nehme.
„Das rechtliche Instrumentarium der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung kann im Einzelfall berechtigt sein. Doch dazu müssen auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese müssen zwingend in jedem Einzelfall genauestens juristisch überprüft werden.“
Die Entscheidung des OLG München ist nachvollziehbar, zumal Vermittler in der Branche relativ häufig mit „Neutralität und Unabhängigkeit“ werben. Diese Entscheidung rückt damit ein wenig mehr „Licht ins Dunkle“. Vorliegend gab es jedoch die Besonderheit, dass ein Versicherungsunternehmen die Mehrheitsbeteiligung an dem Versicherungsmakler innehat. Die Beklagte verfügt zwar objektiv über eine gewerberechtliche Erlaubnis als Versicherungsmakler, kann jedoch gerade nicht mit „Neutralität und Unabhängigkeit“ werben, da das Gericht eine Interessenskollision befürchtet und im Rahmen einer Interessenabwägung zu einer wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit dieser Art der Werbung kam.
Diese Entscheidung erinnert auch an die Entscheidung des LG Hannover zum AWD, welchem untersagt wurde mit dem Wort „unabhängiger“ in seinem Claim „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ zu werben (LG Hannover v. 30.06.2009 – 18 O 193/08). Das LG Hannover begründete das Urteil damit, dass aus wirtschaftlicher Sicht Swiss Life als beherrschendes Unternehmen einen Einfluss auf den AWD nehmen könnte.
Fakt ist, dass Gerichte die „Neutralität und Unabhängigkeit“ von Versicherungsmaklern kritisch sehen und dieses im Einzelfall auch stringent überprüfen. Aus diesem Grunde sollten Versicherungsmakler genauestens prüfen, ob die Verwendung entsprechender Claims zu Problemen führen kann. Im Umkehrschluss zu den vorgenannten Urteilen könnte man jedoch die Ansicht vertreten, dass Versicherungsmakler ohne Beteilungen von Versicherungen sehr wohl mit „Neutralität und Unabhängigkeit“ werben dürfen, da der Versicherungsmakler – anders als der Versicherungsvertreter – in der Tat – und auch nur – die Interessen des Kunden vertreten kann, ohne dass es zu Interessenskollisionen kommen könnte.
Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt im Fall von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen. Wurden Sie abgemahnt, ist schnelle juristische Hilfe erforderlich. Die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke Reichow stehen Versicherungsvermittlern als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Wir vertreten Ihre Interessen!
Letztendlich muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach bestehen. Eine umfassende Einzelfallprüfung ist daher von erheblicher Bedeutung und zwingend erforderlich. Wichtig ist hierbei die Einhaltung der in der Abmahnung gesetzten Fristen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, drohen weitere, kostenpflichtige, rechtliche Schritte.
Dem Abgemahnten könnten in diesem Falle also weitere Kosten entstehen, wenn im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragt wird und / oder ein Hauptsacheverfahren vor dem zuständigen Gericht angestrengt wird.
Nehmen Sie gern unsere langjährige Erfahrung und Kompetenz im Wettbewerbsrecht in Anspruch. Wir empfehlen bei Abmahnungen sich stets von einem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz vertreten zu lassen. Selbstverständlich verfügt die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte über einen entsprechenden Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.
Sollten Sie eine Abmahnung, einen Mahnbescheid, eine einstweilige Verfügung oder bereits eine Klage erhalten haben, so stehen wir Ihnen als kompetente Ansprechpartner im Wettbewerbsrecht (Gewerblicher Rechtsschutz) gern persönlich zur Verfügung.
Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte aus Hamburg hat sich – unter anderem – auf derartige Rechtsgebiete wie den Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Die Rechtsanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow verfügen dabei über weitrechende Erfahrung und Kompetenz und vertreten die Mandanten bundesweit.
Selbstverständlich überprüfen wir gern die Ihnen gegenüber ausgesprochene Abmahnung und teilen Ihnen dazu unsere juristische Einschätzung mit. Hierzu benötigen wir im Einzelfall zeitnah die Ihnen vorliegende Abmahnung, um entsprechend fristgerecht handeln zu können. Gern planen wir mit Ihnen die strategischen Schritte einer Abmahnungsverteidigung im Einzelfall. Senden Sie uns gern Ihre Abmahnung an info@joehnke-reichow.de oder rufen uns unter 040-34809750 an. Wir freuen uns auf Sie!
Weitere Informationen zum Thema Wettbewerbsrecht finden Sie unter „Wettbewerbsrecht„, sowie in unserem „News“ Bereich.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.