Das Landgericht Köln (LG Köln) hat sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob ein Vertragsgenerator eines nichtanwaltlichen Legal-Tech-Anbieters gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstößt und der Betrieb damit zu untersagen ist (LG Köln v. 08.10.2019 – 33 O 35 / 19).
Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg (RAK Hamburg) verlangt von der Wolters Kluwer Deutschland GmbH, ein in Köln ansässiger Verlag mit Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern, wegen eines behaupteten Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und wegen geltend gemachter Irreführung von Werbeaussagen Unterlassung.
Die Wolters Kluwer GmbH ist zur Rechtsanwaltschaft nicht zugelassen. Auch besitzt die Beklagte keine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Zu den von ihr vertriebenen Produkten gehört das Produkt „Smartlaw“ (Smartlaw.de). Es handelt sich hierbei um einen elektronischen Vertragsgenerator für Rechtsdokumente unterschiedlichster Rechtsgebiete, den die Beklagte als „digitale Rechtsabteilung für Ihr Unternehmen“ anpreist. Der Generator soll durch ein Frage-Antwort-System den Verbraucher zu dem von ihm gewünschten Vertragsdokument führen. Im Rahmen der Bewerbung des Produkts „Smartlaw“ im Internet trifft die Beklagte u.a. die folgenden Aussagen:
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.09.2018 mahnte die klagende RAK Hamburg den beklagten Verlag ab. Die Beklagte gab hieraufhin mit Schreiben vom 28.09.2018 eine Teil-Unterlassungserklärung ab, verweigerte jedoch die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung im Übrigen. Ferner verteidigt sich die Beklagte unter Berufung auf den Hinweis in den AGB, dass Ihr Produkt keineswegs Rechtsberatung sei.
Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 08.10.2019 entschieden, dass der Vertragsgenerator „Smartlaw“ gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstößt und damit unzulässig ist. Dem Informationsdienstleister Wolter Kluwer Deutschland GmbH wird damit untersagt, den Vertragsgenerator in seiner bisherigen Form zu betreiben und dafür zu werben.
„Das rechtliche Instrumentarium der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung kann im Einzelfall berechtigt sein. Doch dazu müssen auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese müssen zwingend in jedem Einzelfall genauestens juristisch überprüft werden.“
Das Gericht sieht in der Anwendung des Generators eine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG:
§ 2 RDG
Begriff der Rechtsdienstleistung
(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
§ 3 RDG
Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen
Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
2 Abs. 1 RDG bestimmt, dass als Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten zu verstehen ist, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Allgemein anerkannt sei in diesem Zusammenhang, dass die bloße Überlassung bzw. Veröffentlichung von standardisierten Vertragsmustern keine Rechtsdienstleistung darstellt, da hiermit regelmäßig keine juristische Prüfung im Einzelfall verbunden ist. Andererseits sei die (menschliche) Anfertigung von individualisierten Vertragsentwürfen ohne weiteres als Rechtsdienstleistung zu bewerten. Hier handele es sich nicht bloß um eine erweiterte digitale Formularsammlung, so das Gericht.
Das LG Köln sah vorliegend jedoch den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 RDG eröffnet. Die Beratungsleistung sei hier nämlich auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet. Zwar würden Software und den dazugehörigen Textbausteinen zum Zeitpunkt ihrer Programmierung für eine Vielzahl von verschiedenen, abstrakten Fällen entwickelt. Doch der Nutzer erhält im Zeitpunkt der Anwendung ein konkret auf ihn zugeschnittenes Produkt. Die abgefragten Angaben beziehen sich dabei nicht nur auf allgemeine Daten wie Name und Adresse, sondern beträfen auch spezifische Fragen hinsichtlich des zu erstellenden Vertrages.
Schon in objektiver Hinsicht seien die angebotenen Rechtsdokumente komplex, sodass es über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgehe. Daher bedarf das Vertragsangebot einer rechtlichen Prüfung im Sinne von § 2 RDG, so das Gericht. Die Beklagte erbringe im Zusammenhang mit dem entgeltlichen Anbieten eines Generators zur Erstellung von Rechtsdokumenten eine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung iSv § 2 Abs. 1 RDG, ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen.
Eine weitere vom Gericht zu beurteilende Frage betraf die Formulierungen wie „Günstiger und schneller als der Anwalt“ oder „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“. Diese ließen die angesprochenen Verkehrskreise mehr als eine bloße Hilfestellung beim eigenständigen Erstellen eines Vertragsformulars erwarten und sind demnach irreführen im Sinne der §§ 3, 5 UWG. Die Beklagte schaffe dadurch gezielt eine Alternative zum Rechtsanwalt. Dies ergebe sich aus der Verkehrsanschauung und der erkennbaren Erwartung des Rechtssuchenden. Auch ein ausdrücklicher Hinweis in den AGB, u.a. dass „Smartlaw“ keine Rechtsberatung umfasst, ändere die Bewertung des Gerichts nicht.
Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer befürchtet letztendlich eine unqualifizierte Konkurrenz im Bereich rechtsberatender Tätigkeit. Die RAK Hamburg, die als berufsständische Organisation der im Bezirk des OLG Hamburg zugelassenen Rechtsanwälte die Aufgabe hat, die beruflichen Belange ihrer Kammermitglieder zu wahren und zu fördern, verfolgt damit – was auch der Schutzzweck des RDG vorsieht – ein Ziel: Schutz der Rechtsordnung, des Rechtsverkehrs und der Rechtssuchenden.
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