Hat der Vermittler eine Berufsunfähigkeitsversicherung beraten und vermittelt, so stellt sich die Frage, welche Pflichten für den Vermittler in einem BU-Leistungsfall bestehen. Muss der Vermittler nun den Leistungsantrag für den Kunden ausfüllen? Muss der Vermittler die medizinischen Unterlagen prüfen? Wie weit gehen also seine Pflichten?
Eine genaue Antwort auf die aufgeworfenen Fragen zu geben, ist mangels Vorliegens diesbezüglicher Rechtsprechung kaum möglich. Aus diesem Grunde sollte man sich der rechtlichen Beantwortung langsam nähern und dabei nicht den Einzelfall aus dem Blick verlieren. Ja, der Makler soll den Kunden umfassend beraten (vgl. Falschberatung zu einer bestehenden Gebäudeversicherung (OLG Hamm)), denn ist er ja der Sachwalter des Kunden (BGH v. 22.05.1985 – IVa ZR 190/83 „Sachwalterurteil“).
Der Versicherungsmakler hat auch darüberhinausgehende Pflichten, wie zum Bespiel die Pflicht zur weiteren Bestandsbetreuung des Kunden. Ihn trifft jedoch keine Pflicht zu ungefragtem Tätigwerden mit dem Ziel der Prüfung, ob nach Vertragsschluss eingetretene Umstände aus der Sphäre des Versicherungsnehmers eine Änderung des Versicherungsschutzes notwendig erscheinen lassen (siehe auch Falschberatung bei Änderungen in der Sphäre des Versicherten (BGH)). Dieses jedenfalls, wenn Änderungen sich in und aus der Sphäre des versicherten Kunden ergeben. Bei allen außerhalb der Sphäre des Versicherungsnehmers liegenden Veränderungen (Änderung der Rechtslage; Änderung der Geschäftslage in vergleichbaren Branchen) muss der Makler von sich aus tätig werden. Dieses gilt ebenso für die Betreuungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherten (vgl. Beratungspflicht bei Übernahme des Altvertrages (OLG Hamm)).
Neben der Haupttätigkeit der Vermittlung und den Abschluss von Versicherungsverträgen schuldet der Makler die laufende Betreuung und Verwaltung dieser Verträge für den Versicherungsnehmer (vgl. BGH v. 14.1.2016 – I ZR 107/14). Damit ist schon mal geklärt, dass die Pflichten des Versicherungsmaklers nicht mit der Vermittlung enden, sondern durchaus weitergehen.
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Im Leistungsfall hat der Makler den Versicherungsnehmer sachkundig zu beraten, für sachgerechte Schadenanzeigen zu sorgen und bei der Abwicklung die Interessen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen (vgl. Schadensregulierung für Versicherer durch den Versicherungsmakler (BGH)). Keine Verpflichtung trifft jedoch den Makler zu einer Schadensregulierung für den Versicherer, denn dieses stellt keine zulässige Nebenleistung dar. Auch die Vertretung des Kunden vor Gericht ist dem Versicherungsmakler verwehrt (siehe Prozessvertretung durch Versicherungsmakler? (OLG Düsseldorf)).
Nun handelt es sich bei einem Berufsunfähigkeits-Leistungsfall keineswegs um einen „normalen“ Leistungsfall. Mit der Meldung des Versicherungsfalls gegenüber der Versicherung ist es nicht getan. Es folgt ein – in zeitlicher und rechtlicher Hinsicht – großer Aufwand für den Versicherten und gegebenenfalls den betreuenden Versicherungsmakler. Damit ist fraglich, wie weitgehend die vorgenannten Maklerpflichten sind, oder ob die Unterstützung in einem BU-Leistungsfall nicht doch zu haftungsträchtig ist. Dieses möglicherweis auch mit der Folge, dass eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung Fehler durch den Makler, die im Leistungsverfahren geschehen, überhaupt nicht decken.
Der Leistungsantrag ist der erste Schritt zur Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Fehler, welche beim Ausfüllen des Leistungsantrages geschehen, können im Laufe des Berufsunfähigkeitsverfahrens kaum noch korrigiert werden. Derartige Fehler beeinträchtigen jedoch das weitere Verfahren gegen den Versicherer erheblich, denn der Versicherer entscheidet auf Basis des Leistungsantrages, bzw. der dort gemachten Angaben.
Beim Ausfüllen des Leistungsantrages sollte darauf geachtet werden, dass insbesondere ausreichende Angaben zum Vorliegen der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit gemacht werden. Der Versicherte trägt nämlich die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit.
Wichtig ist dabei vor Allem die genaue Darstellung des bisherigen Berufs. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit. Als Sachvortrag genügt dazu jedoch nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit. Der Versicherte muss vielmehr eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung erstellen, mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs wie ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden (vgl. Sachverständiger ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung auf Arbeitsbeschreibung angewiesen! (BGH)).
Entscheidend ist auch die genaue Beschreibung des Gesundheitszustandes des Versicherten. Die Krankheit, Körperverletzung bzw. der Kräfteverfall müssen objektivierbar sein (vgl. Nur Schmerzen zu haben reicht für Berufsunfähigkeit nicht aus!). Eine Ausnahme gibt es bei psychiatrischen Erkrankungen (vgl. Nachweis von psychiatrischen Erkrankungen bei Berufsunfähigkeit (OLG Hamm); LG München I v. 20.03.2013 – 23 O 23302/09). Die Vorlage einer etwaigen Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeit ist dabei regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr muss der Versicherte im Leistungsantrag darlegen, dass der vereinbarte Berufsunfähigkeits-Grad erreicht ist. Um diesen Nachweis zu erbringen, müssen entsprechende ärztliche Behandlungsberichte /Atteste / Gutachten der Berufsunfähigkeitsversicherung eingereicht werden.
Wirkt der Versicherungsmakler hierbei mit, besteht natürlich ein großes Haftungspotential, sofern sich Fehler im Leistungsantrag „einschleichen“ und der Versicherer möglicherweise auf einer falschen Grundlage entscheidet.
Das sogenannte „Berufsunfähigkeits-Verfahren“ beginnt bereits mit dem Leistungsantrag. Aus diesem Grund sollte frühzeitig kompetente und qualifizierte Unterstützung in diesem frühen Stadium des BU-Verfahrens in Anspruch genommen werden, damit „unvorhersehbare Risiken und Probleme“ des BU-Verfahrens vorhersehbar und damit kalkulierbar werden.
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Sind die bisherigen ärztlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand des Versicherten unzureichend, so kann der Versicherer auch ärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand des Versicherten einholen. Der Versicherte hat im Rahmen des Leistungsantrages der Berufsunfähigkeitsversicherung an dieser Begutachtung auch grundsätzlich mitzuwirken (vgl. Versicherungsschutz trotz Ablehnung einer ärztlichen Untersuchung? (OLG Saarbrücken)). Hintergrund ist, dass dem Versicherer die Möglichkeit gegeben werden soll, die zur Prüfung seiner Einstandspflicht erforderlichen Umstände festzustellen. Anderenfalls dürfte bis dahin keine Fälligkeit von Leistungen gegeben sein, vgl. § 14 Abs. 1 VVG.
Auf der Grundlage des vom Versicherten/Versicherungsmakler eingereichten Leistungsantrages und ggf. zusätzlich eingeholter ärztlicher Gutachten entscheidet der Versicherer so dann über seine Leistungspflicht. Danach erkennt er diese entweder an und zahlt die in der Berufsunfähigkeitsversicherung u. a. vereinbarte monatliche Rente an den Versicherten, oder aber er lehnt die Leistungen ab. Lehnt der Berufsunfähigkeitsversicherer die Leistungen des Versicherten ab, so sollte die Leistungsablehnung unbedingt zeitnah von einem spezialisierten Fachanwalt überprüft werden. Gegebenenfalls müssten die Ansprüche des Versicherten außergerichtlich und gerichtlich eingefordert werden. Nicht selten machen Versicherungen im Rahmen der Leistungsprüfung auch Fehler.
Der Versicherungsmakler sollte vor dem Hintergrund vorgenannter rechtlicher Fallstricke wohlüberlegt an derartige biometrische Fälle herangehen. Fakt ist, dass eine Unterstützung im „Schadensfall“ geschuldet wird. Doch bezieht sich diese auch auf das Ausfüllen des Leistungsantrags und das Sichten aller medizinischer Unterlagen verbunden mit der Prüfung, ob der Beweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit erbracht worden ist? Dieses dürfte nicht mehr geschuldet sein, denn der Versicherungsmakler würde damit verpflichtet sein zu beraten, damit auch zu haften. Insbesondere müsste eine entsprechende rechtliche Expertise vorhanden sein.
Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die Zeiträume der Berufsunfähigkeit in Gänze mittels des Leistungsantrages geltend gemacht werden sollten, da diese als sog. „Stammrecht“ der normalen Verjährung unterliegen (siehe hierzu auch Verjährung des Stammrechts in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BGH)). Von daher ist an dieser Stelle ebenfalls – neben dem umfangreichen Tätigkeitsbericht und den medizinischen Unterlagen – mit großer Sorgfalt vorzugehen, denn die Haftungsrisiken sind hoch.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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