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Einstellung einer Berufsunfähigkeitsrente im Nachprüfungsverfahren (KG Berlin)

Das KG Berlin stellt mit Hinweisbeschluss vom 09.10.2018 (Az: 6 U 64/18) äußerst anschaulich die formellen und materiellen Voraussetzungen einer Leistungseinstellung im Nachprüfungsverfahren der Berufsunfähigkeitsversicherung dar. Dabei werden (auch) die Kriterien für den in einem Nachprüfungsverfahren vorzunehmenden Vergleich zwischen dem Gesundheitszustand bei vertraglichem Anerkenntnis und demjenigen im Nachprüfungsverfahren verdeutlicht.

Leistungseinstellung im Nachprüfungsverfahren

In dem zugrunde liegenden Fall wurde eine Versicherungsnehmerin, die als Altenpflegerin tätig war, berufsunfähig. Ihr Berufsunfähigkeitsversicherer gab auf der Basis des von ihr eingereichten Leistungsantrages (siehe hierzu Berufsunfähigkeit beantragen) ein entsprechendes Leistungsanerkenntnis ab und verpflichtete sich damit die vertragsgemäßen Leistungen zu erbringen.

Im Rahmen des von dem Versicherer durchgeführten Nachprüfungsverfahrens erklärte dieser jedoch die Einstellung seiner zuvor erbrachten Leistungen. In seinem Einstellungsschreiben gab der Versicherer den – von Gutachtern festgestellten – Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin nicht im Einzelnen wieder. Er bezog sich jedoch in dem Schreiben auf den Inhalt der Gutachten und fügte diese in Kopie bei. Weiterhin beschrieb er die sich aus den gesundheitlichen Verbesserungen ergebenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit, indem er die einzelnen ausführbaren Teiltätigkeiten benannte.

Die Versicherungsnehmerin wandte ein, dass sich aus dem Verweis auf die beigefügten Anlagen nicht ergebe, welche beiden Stadien des Gesundheitszustands der Versicherungsnehmerin miteinander verglichen worden sei. Sie begehrte von ihrem Berufsunfähigkeitsversicherer weitere Leistungen aus dem bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag.

Die Entscheidung des KG Berlin

Das Kammergericht Berlin stellte in seiner Entscheidung klar, dass in dem zugrunde liegenden Fall die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung des Versicherers vorlagen. Der Versicherer hatte nach Ansicht des Gerichts formell und materiell wirksam eine Leistungseinstellung erklärt. Der Versicherer erbrachte infolgedessen zu Recht keine weiteren vertraglichen Leistungen mehr.

Für das Gericht stand insbesondere aufgrund der vom Versicherer vorgenommenen Vergleichsbetrachtung fest, dass die Berufsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin sich im Sinne der Besonderen Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BB-BUZ) im Zeitraum zwischen Leistungsanerkenntnis und Nachprüfungsverfahren auf weniger als 50 % gemindert hatte.

Formelle Voraussetzung einer Leistungseinstellung

In formeller Hinsicht muss der Versicherer für eine wirksame Leistungseinstellung der Versicherungsnehmerin nachvollziehbar mitteilen und begründen, dass und aufgrund welcher Umstände seine zunächst anerkannte Leistungspflicht wieder endet. Damit soll ein Versicherungsnehmer mit den erforderlichen Informationen ausgestattet werden, um sein Prozessrisiko für eine Klage auf Fortsetzung der Leistungen abschätzen zu können. Laut KG Berlin genügt das vorliegende Einstellungsschreiben des Versicherers diesen formellen Anforderungen. Für die Versicherungsnehmerin war (dadurch) nachvollziehbar, weshalb die Leistungspflicht des Versicherers wieder enden sollte.

Das KG Berlin stellt klar, dass es unschädlich ist, dass der Versicherer den Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin nicht im Einzelnen in dem Einstellungsschreiben wiedergegeben hat. Die Bezugnahme auf den Inhalt der beigefügten Gutachten genügt. Eine explizit vergleichende Darstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses bedurfte es laut KG ebenfalls nicht. Es genügt die Beschreibung der sich aus den gesundheitlichen Verbesserungen ergebenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Versicherungsnehmerin durch Benennung der einzelnen ausführbaren Teiltätigkeiten.

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Materielle Voraussetzung einer Leistungseinstellung

Die materielle Voraussetzung einer Leistungseinstellung bedeutet, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin seit dem Leistungsanerkenntnis so gebessert hat, dass die Berufsunfähigkeit weggefallen ist oder sich ihr Grad mindestens auf unter 50% gemindert hat (zur Bestimmung des BU-Grades siehe auch Berufsunfähigkeit: Urteil des BGH zur Bemessung des BU-Grades)

Das KG Berlin stellt klar, dass es für den Nachweis einer Gesundheitsbesserung unschädlich ist, wenn der tatsächlich bestandene Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin nicht mehr rückwirkend festgestellt werden kann. Vergleichsmaßstab ist der Gesundheitszustand, auf deren Grundlage der Versicherer das Anerkenntnis erklärt hat und nicht der etwaig abweichende, tatsächliche Gesundheitszustand. In diesem Zusammenhang kann sich ein Versicherter nachträglich auch nicht auf die Unrichtigkeit der dem Anerkenntnis zugrunde liegenden ärztlichen Befunde berufen.

Vorliegend hatte der Versicherer sein Leistungsanerkenntnis auf Grundlage der von der Versicherungsnehmerin vorgelegten Unterlagen erklärt, wonach diese aus orthopädischer und psychiatrischer Sicht in ihrem Beruf als Altenpflegerin arbeitsunfähig war. Hiervon ist in der Vergleichsprüfung auszugehen. Für den Zeitpunkt der Nachprüfungsentscheidung legte der Versicherer Gutachten zugrunde, wonach die Arbeitsfähigkeit der Versicherungsnehmerin bescheinigt wurde.

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Fazit und Praxishinweis

Eine Leistungseinstellung des Versicherers nach Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unterliegt formalen und materiellen Voraussetzungen. Im Rahmen der materiellen Voraussetzung trägt der Versicherer die Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit. Der Beweis ist dem Versicherer in dem vorliegenden Fall jedoch gelungen. Dieses ist nicht immer der Fall, betrachtet man gerade das Urteil des OLG Saarbrücken vom 07.04.2017 – Az. 5 U 32/14.

Für die Praxis ist folglich festzustellen, dass es sinnvoll ist, jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers anwaltlich überprüfen zu lassen. Dieses gerade auch in Hinsicht eines durch den Versicherer durchgeführten Nachprüfungsverfahrens. Wie eine solche Überprüfung der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren aussehen kann, haben wir für Sie unter „Berufsunfähigkeitsversicherung: das BU – Nachprüfverfahren“ zusammengefasst. Das Nachprüfungsverfahren ist dabei nur ein Teil des gesamten BU-Verfahrens. Der genaue Ablauf eines BU-Verfahrens kann unter „Berufsunfähigkeitsversicherung: Der Ablauf des BU – Verfahrens“ eingesehen werden.

Wie man an dieser vorliegenden Entscheidung sieht, ist jedes Nachprüfungsverfahren ein Einzelfall. Sowie auch jedes BU-Verfahren an sich. Gerade, wenn der Versicherte wieder neue Tätigkeiten aufnimmt und diese tatsächlich ausübt, könnte der Versicherer im Zweifel sogar auch im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eine konkrete Verweisung aussprechen. Diese natürlich nur, wenn die neue Tätigkeit der vormaligen Lebensstellung entspricht (vgl. OLG Jena v. 21.12.2017 – Az. 4 U 699/13) und zum Beispiel keine unzulässige Verweisung auf neu erworbene Fähigkeiten im Nachprüfungsverfahren vorliegt (vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 14.12.2017 – Az. 2 O 3404/16). Diese Verweisung des Versicherers sollte wiederum im Einzelfall genauestens anwaltlich überprüft werden, da sonst die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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