Anrechnung von Gewinnen aus einem anderen Investment nach falscher Anlageberatung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit Urteil vom 18. Oktober 2018 (Aktenzeichen: III ZR 497/16) damit zu befassen, ob bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches eine Anrechnung von Gewinnen aus einem anderen Investment zu erfolgen hat. Grundlage war eine fehlerhafte Anlageberatung.

Sachverhalt vor dem BGH

In dem zugrunde liegenden Fall legte ein für die Bank als selbstständiger Handelsvertreter tätige Anlageberater einem Anleger vier verschiedene Anlagevorschläge vor. Der Anleger folgte dreien dieser Anlagevorschläge, darunter war ein kanadischer sowie ein holländischer Immobilienfonds. Der niederländische Fonds entwickelte sich negativ, während der kanadische Fonds erhebliche Gewinne abwarf.

Der Anlageberater hatte die gezeichneten Anlagen als „absolut sicher“ dargestellt. Tatsächlich waren die beiden Anlagen hoch spekulativ und mit einem Totalverlustrisiko verbunden. Weiterhin hatte der Anlageberater den Anleger über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung sowie über das Währungsrisiko nicht aufgeklärt. Auch bei dem kanadischen Immobilienfonds war der Anleger über die gleichartigen Risiken nicht aufgeklärt worden. Bei Kenntnis der Risiken hätte der Anleger beide Anlagen nicht gezeichnet. Der Anleger begehrte von der Bank jedoch Schadensersatz nur wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem niederländischen Immobilienfonds.

Anrechnung von Gewinnen aus einem anderen Investment

Ob auf den infolge einer fehlerhaften Anlageberatung entstandenen Schaden Gewinne aus anderen Anlagegeschäften angerechnet werden können, wurde bislang unterschiedlich unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung erörtert. Zum einen wurde argumentiert, dass dann, wenn eine Kapitalanlage aus selbständigen Anlageformen besteht, eine Anrechnung von Gewinnen bzw. Vorteilen aus der anderen Anlage nicht erfolgen soll. Nach anderer Auffassung kommt eine Anrechnung von Gewinnen bei gleichartigen Aufklärungspflichtverletzungen bei den Anlageprodukten in Betracht. Eine Vorteilsanrechnung ist vorzunehmen, wenn eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Verlustgeschäft zugleich eine solche über das gewinnbringende Geschäft beinhaltet hätte. Der Anleger muss sich dann bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches die Gewinne aus dem positiv verlaufenen Geschäft auf den Schaden aus dem verlustbringenden Geschäft anrechnen lassen.

BGH: Vorteilsanrechnung bei einheitlichem Beratungsgespräch

Bei der Anrechnung von Gewinnen aus einem anderen Investment muss laut dem BGH jeweils der Einzelfall betrachtet werden. Hier entschied der BGH, dass die Grundsätze der Vorteilsanrechnung Anwendung finden.

Entscheidend war hier, dass beide Immobilienfonds Gegenstand eines einheitlichen Beratungsgesprächs waren.  Die Investments waren in ihrer Struktur gleichartig und in ihren Risiken vergleichbar, sodass sie sich als ein „Paket“ darstellten. Im Ergebnis traf der Anleger eine einheitliche Anlageentscheidung, auch wenn die Beteiligungserklärungen separat unterzeichnet wurden. Zudem beging der Anlageberater eine – beide Anlagen betreffende – Aufklärungspflichtverletzung. Daher beruhten beide Anlageentscheidungen auf demselben Beratungsfehler. Aufgrund dieser Umstände darf die Rückabwicklung der beiden Geschäfte nicht getrennt voneinander erfolgen, so der BGH. Die Entwicklung beider Fonds muss in die Schadensberechnung einbezogen werden.

Eine Anrechnung von Gewinnen entlastet die Bank auch nicht unbillig. Die Anlageberatung kam dem Anleger ja aufgrund der positiven Entwicklung des einen Fonds teilweise zugute.

Fazit

Aufgrund dieses Urteils müssen bei derselben Beratungssituation, gleichartigen Kapitalmarktprodukte, Identität des Aufklärungsfehlers und einheitlicher Anlageentscheidung des Anlegers beide Beteiligungen in die Schadensberechnung einbezogen werden. Es erfolgt dann eine Anrechnung von Gewinnen aus dem positiv verlaufenden Investment auf den geltend gemachten Schaden.

Das vorliegende Urteil ist somit bedeutend, wenn ein Anleger, der mehrere Investments gezeichnet hat, nur das verlustbringende Geschäft einklagt und an dem gewinnbringenden Geschäft festhält. Nach dem BGH ist dann unter den genannten Umständen eine Gesamtsaldierung der eingeklagten und der nicht eingeklagten Investments gerechtfertigt.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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