Der BGH hat sich in dem Urteil vom 23.11.2011 – Az.: VIII ZR 203/10 mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Anwendbarkeit der Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches als Schätzungsgrundlage herangezogen werden können, wenn sie vertraglich im Rahmen des Handelsvertretervertrages nicht vereinbart worden sind.
Im konkreten Fall geht es um einen Handelsvertreter, der für einen Finanzvertriebs tätig war. Die dem Handelsvertreter in der Struktur nachgeordneten Vertreter, von deren Provision er einen Anteil beanspruchen konnte, waren mit dem jeweiligen Finanzvertrieb direkt verbunden.
Nach langjähriger Zusammenarbeit hat der Finanzvertrieb den Handelsvertretervertrag mit dem Handelsvertreter zum 31.12.2007 ordentlich gekündigt. Anschließend verlangte der Handelsvertreter von dem Finanzvertrieb einen Ausgleich gem. §89b HGB. Hierbei stützt er sich auf die sog. Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches, obwohl deren Anwendung zwischen den Parteien nicht vereinbart waren. Gestritten wird darüber, ob man die sog. Grundsätze auch dann als Grundlage zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches nehmen darf, auch wenn diese vertraglich nicht vereinbart worden ist.
Dem BGH zufolge können die „Grundsätze“ selbst dann als Schätzungsgrundlage zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches herangezogen werden, wenn deren Anwendung nicht vertraglich vereinbart worden sind. Zwar wird in dem Urteil klargestellt, dass ein die „Grundsätze“ umfassender Handelsbrauch nicht besteht. Dennoch können die Grundsätze angesichts ihrer Entstehungsgeschichte als Schätzungsgrundlage herangezogen werden.
Die Anwendung der Grundsätze als Schätzungsgrundlage scheitert auch nicht an der g für den Versicherungs- und Bausparkassenvertreter geltenden Schutznorm des §89b Abs.4 HGB. Denn der Versicherungsvertreter, dessen Schutz §89b Abs.4 HGB dient, ist nicht gezwungen, seinen Ausgleichsanspruch auf der Basis der Grundsätze zu berechnen, nur weil diese als Schätzungsgrundlage dienen können. Es bleibt ihm vielmehr unbenommen, seinen Ausgleichsanspruch allein nach Maßgabe des §89b HGB sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen.
Des Weiteren lässt sich einer Heranziehung der Grundsätze als Schätzungsgrundlage zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches auch nicht entgegenhalten, dass diese die Berechnung abweichend von den gesetzlichen Maßstäben vornehmen. Denn eine nähere Betrachtung der im Rahmen der „Grundsätze“ vorzunehmenden Rechenschritte zeigt, -so der BGH- dass die gesetzlichen Maßstäbe durchaus berücksichtigt werden und lediglich eine Pauschalisierung erfolgt.
Die vorliegende Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Mit der Anwendbarkeit der Grundsätze als Schätzungsgrundlage für zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches wird für den betroffenen Handelsvertreter eine gewisse Sicherheit bzgl. der Höhe seines Ausgleichsanspruches gewährleistet. Dies erleichtert die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen auch in der Praxis.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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