Das OLG Celle hatte sich mit der Leistungsdauer nach einem fingiertem Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) auseinanderzusetzen gehabt (Urteil vom 09.04.2018, Az. 8 U 250/17).
Der Kläger forderte von der beklagten Berufsunfähigkeitsversicherung vertragliche Leistungen aus seiner BUZ. Er stellte im März 2013 einen Leistungsantrag bei seiner Versicherung und trug vor, seit April 2012 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung/Burnout sowie aufgrund einer von seinem Vorgesetzten ausgeübten Mobbingsituation bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein (weitere Infos siehe hierzu Berufsunfähigkeit wegen Depression). Der Kläger war angestellt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Ihm sei nur noch möglich täglich ca. 2 Stunden zu arbeiten.
Die beklagte Versicherung ließ zunächst ein Gutachten über den Gesundheitszustand des Klägers erstellen. Anschließend lehnte der Versicherer auf der Grundlage des Gutachtens hin im Februar 2014 die vertraglichen Leistungen aus der BUZ ab. Er behauptete, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vorliege würde.
Zunächst beantragte der Versicherungsnehmer klagweise Leistungen ab Mai 2012. So dann erklärte er jedoch im Prozess gegen den Versicherer, dass er seit September 2015 wieder berufsfähig sei und einer Tätigkeit als SAP-Anwendungsbetreuer nachgehe.
Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ergab sodann, dass der Kläger zwar seit April 2012, aber nur bis April 2013 berufsunfähig gewesen sei. Das Landgericht Verden gab mit Urteil vom 15.11.2017, Az. 8 O 335/14, der Klage nur für diesen Zeitraum statt. Beide Parteien legten Berufung ein. Das OLG Celle wies die Berufung der Beklagten jedoch mit Urteil vom 09.04.2018, Az. 8 U 250/17 zurück und gab der Berufung des Klägers statt.
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Das OLG Celle kam zu dem Ergebnis, dass wenn ein Versicherer seine Leistungspflicht ablehnt, das bedingungsgemäß abzugebende Anerkenntnis im Fall einer tatsächlich eingetretenen Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers fingiert wird. Klagt der Versicherungsnehmer auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen und endet seine Berufsunfähigkeit noch während des Rechtsstreits oder bereits vor Klageerhebung, so bleibt der Versicherer bis zu einer ordnungsgemäßen Einstellungsmitteilung zur Leistung verpflichtet.
Die Leistungsverpflichtung des Versicherers endet dabei jedoch gerade nicht automatisch mit dem Zeitpunkt, an dem aufgrund einer Feststellung eines Sachverständigen der Versicherungsnehmer seine Berufsfähigkeit wiedererlangt hat. Das gilt auch dann, wenn der Versicherer nach Abschluss der aufgrund des Erstantrags durchgeführten notwendigen Erhebungen sein Anerkenntnis hätte befristen können, er aber sowohl von einem befristeten als auch von einem unbefristeten Anerkenntnis abgesehen hat. In einem solchen Fall kann der Versicherer das fingierte Anerkenntnis auch nicht nachträglich durch ein zeitlich befristetes Anerkenntnis ersetzen und so die Regeln des Nachprüfungsverfahrens umgehen.
In dem vorliegenden Fall stehe fest, dass der Kläger von April 2012 bis April 2013 berufsunfähig gewesen sei und die Berufsfähigkeit ab Mai 2013 wiedererlangte. Die Beklagte durfte die Leistungen jedoch nicht ablehnen. Hierfür hätte es nämlich eines förmlichen Nachprüfungsverfahren durch den Versicherer bedurft. Ein solches Verfahren wurde aber nicht durchgeführt.
Das Anerkenntnis des Versicherers wurde daher fingiert, da der Versicherer vorliegend eine Berufsunfähigkeit – trotz Vorliegen einer eben solchen – pflichtwidrig nicht anerkannte. Der Versicherer kann sich also jedenfalls nur mittels eines Nachprüfungsverfahrens von dem Anerkenntnis lösen. Das Recht zur Nachprüfung steht dem Versicherer bedingungsgemäß zu. Vorliegend hatte er davon keinen Gebrauch gemacht, weswegen er zu weiteren Leistungen zu verurteilen war.
Der Versicherer ist auch nicht schutzwürdig, wenn ihm frühzeitig eine Prüfung seiner Leistungspflicht ermöglicht wird, er gleichwohl von einem befristeten Anerkenntnis absieht und stattdessen seine Leistungspflicht insgesamt verneint. Insbesondere kann er sich von seiner einmal getroffenen Entscheidung nicht nachträglich wieder lösen, indem er im Laufe des Rechtsstreits auf der Grundlage einer veränderten Faktenlage ein befristetes Anerkenntnis abgibt. In solchen Fällen bleibt er an das fingierte Anerkenntnis gebunden.
Das Urteil überzeugt im Ergebnis, denn es zeigt nachvollziehbar auf, dass ein Versicherer selbstverständlich auch Pflichten in einem BU-Leistungsfall hat. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, muss der Versicherer dazu verurteilt werden. Der Versicherer hätte vorliegend seine vertragliche Leistungsverpflichtung anerkennen müssen, denn spätestens mit dem gerichtlich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten war bekannt, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag. Warum der Versicherer so dann ein Anerkenntnis nicht ausgesprochen hat, erschließt sich nicht. Auch erschließt sich nicht, warum das von dem Versicherer eingeholte medizinische Gutachten von dem gerichtlich eingeholten Gutachten derartig abweicht, dass der Versicherer im Ergebnis Leistungen ablehnt, gerichtlich jedoch dazu verurteilt wurde. Dieses lässt jedenfalls entsprechende Rückschlüsse zu.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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