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Verminderte Leistungsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit als Normalzustand des Versicherten?

Der BGH hat sich jüngst (Urteil vom 14.12.2016, Az. IV ZR 527/15) wieder einmal zu dem Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung geäußert. Dabei hatte sich der BGH mit einer beendeten Verweisungstätigkeit des Versicherten zu befassen gehabt. Auch hatte der BGH über eine verminderte Leistungsfähigkeit als Normalzustand des Versicherten zu befinden.

Der Sachverhalt vor dem BGH (verkürzt)

Der Kläger hat bei der Beklagten eine bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ). Er ist HNO-Arzt und war in einer Gemeinschaftspraxis und so dann in einer Einzelpraxis selbständig tätig.

Ab dem Jahr 2000 kam es bei ihm zu einer kompletten Arthrose des rechten Schultergelenks. Hieraus folgten Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit. Seit 2005 führte der Kläger keine ambulanten chirurgischen Eingriffe und Operationen mehr selbst durch. Er stellte im Februar 2006 eine Assistenzärztin ein. Die Assistenzärztin übte diejenigen Tätigkeiten aus, zu denen der Kläger selbst aufgrund seiner Gesundheit nicht mehr in der Lage war. Der Kläger erhielt im Jahre 2006 Leistungen aus der BUZ mittels Anerkenntnis des Versicherers.

Im August 2010 teilte der Kläger der beklagten Versicherung mit, dass seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum übergegangen und er bei dem Träger angestellt und zum ärztlichen Leiter bestellt worden sei. Die Beklagte kündigte im April 2011 an, ihre Leistungen im Nachprüfungsverfahren zum 31. Mai 2011 einzustellen, da eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege, weil die vom Kläger seit August 2010 ausgeübte Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung wahre.

Der Kläger stützt seine Klage für den Zeitraum ab April 2013 ebenfalls darauf, dass seine Tätigkeit aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung zum 31. März 2013 geendet hat. Seit Mai 2013 ist der Kläger gegen ein monatliches Honorar als Praxisvertreter in einer Gemeinschaftspraxis in tätig.

Das LG Kiel wies die Ansprüche des Klägers zurück. Das OLG Schleswig hat dem Kläger Leistungen aus der BUZ ab April 2013 bis längstens 30. November 2020 zuerkannt und zudem festgestellt, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des Versicherungsvertrages sei. Mit der Revision zum BGH erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

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Die rechtliche Würdigung des BGH:

Die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit lagen beim Kläger ab April 2013 erneut vor. Es handelt sich um einen neuen Versicherungsfall. Der versicherte Beruf des Klägers war auch zum Zeitpunkt dieses neuen Versicherungsfalles diejenige Tätigkeit eines selbständigen HNO-Arztes, wie er ihn ausübte, bevor er aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks seine ärztliche Tätigkeit einschränken musste und insbesondere keine Operationen mehr durchführen konnte.

Maßgeblich Berufsausübung

Maßgeblich ist damit stets die letzte konkrete Berufsausübung, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht eingeschränkt war. War ein Berufswechsel vor Eintritt des Versicherungsfalles ausschließlich leidensbedingt, bleibt Ausgangspunkt für die Beurteilung der BU der vor diesem Wechsel ausgeübte Beruf.

Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen Eintritt des Versicherungsfalles zunächst weiterhin eine leidensbedingt eingeschränkte Tätigkeit ausgeübt hat und nach Beendigung dieser Tätigkeit erneut Versicherungsansprüche geltend macht. Die leidensbedingte Einschränkung seiner beruflichen Fähigkeiten begründet danach gerade den Versicherungsfall.

Der bedingungsgemäß festgelegte Grad der BU (zu dessen Definition siehe Berufsunfähigkeitsversicherung: Zur Bemessung des BU-Grades), der erst einen Anspruch auf die zugesagten Leistungen gibt, orientiert sich nicht an einem fortlaufend absinkenden Leistungsniveau des Versicherten als Vergleichsmaßstab. Der Versicherungsnehmer kann dem Versicherungsvertrag nämlich nicht entnehmen, dass ein während der Versicherungsdauer verschlechterter gesundheitlicher Zustand dann, wenn er bereits einmal den Versicherungsfall ausgelöst hat, für die restliche Laufzeit der Versicherung zum neuen Normalzustand werden soll, an dem künftig der Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu messen wäre.

Neue Tätigkeit steht Berufsunfähigkeit nicht entgegen

Es steht auch der Annahme bedingungsgemäßer BU nicht entgegen, dass der Kläger nach Beendigung des ersten Versicherungsfalles und vor dem erneuten Leistungsantrag eine inzwischen beendete Tätigkeit im MVZ ausgeübt hat, auf die ihn die Beklagte wirksam verwiesen hat. Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der „in gesunden Tagen“ ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

Es kommt also nicht allein auf einen Einkommensverlust und die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen an. Vielmehr ist auch auf die Wahrung des sozialen Status des Versicherten abzustellen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass einer Tätigkeit als Praxisvertreter nicht die gleiche soziale Wertschätzung wie jener eines niedergelassenen Facharztes mit eigener Praxis zukommt.

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Das sogenannte „Berufsunfähigkeits-Verfahren“ beginnt bereits mit dem Leistungsantrag. Aus diesem Grund sollte frühzeitig kompetente und qualifizierte Unterstützung in diesem frühen Stadium des BU-Verfahrens in Anspruch genommen werden, damit „unvorhersehbare Risiken und Probleme“ des BU-Verfahrens vorhersehbar und damit kalkulierbar werden.

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Auswirkungen für die Praxis:

Dem Urteil des BGH ist vollumfänglich zuzustimmen. Es stellt klar, worauf nach Beendigung einer Verweisungstätigkeit abzustellen ist, nämlich auf die ursprünglich in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit. Gerade bei einem leidensbedingten Berufswechsel bleibt Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der vor diesem Wechsel ausgeübte Beruf. Vor diesem Hintergrund sollte jede Leistungsablehnung des Versicherers juristisch überprüft werden. Andernfalls könnte eine ungerechtfertigte Leistungsablehnung oder/und Leistungseinstellung unentdeckt bleiben.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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