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Verweisungstätigkeit & Arbeitsplatzverlust bei Berufsunfähigkeit

Das OLG Hamm hat sich mit Urteil vom 06.06.2016 – Aktenzeichen I-6 U 222/15 – mit der Verweisungstätigkeit eines Versicherungsnehmers beschäftigt, welcher einen Leistungsantrag auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente gestellt hat. Von Bedeutung war hier auch das allgemeine Risiko eines Arbeitsplatzverlustes.

Verweisung nach Eintritt der Berufsunfähigkeit?

Der Versicherungsnehmer ist gelernter Energieelektroniker. Nach seiner Ausbildung war er in verschiedenen Bereichen der Elektronik tätig. Auch eine Tätigkeit als Wachmann im Sicherheitsdienst übte er aus. Anschließend war er Haustechniker in einem Logistikzentrum. Dort ist er in der Folgezeit zum stellvertretenden Werkstattleiter aufgestiegen und erhielt einen Bruttolohn in Höhe von ca. 2.000 €.

Im Jahr 2012 war der Versicherungsnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem er Ende 2012 Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit gegen den Versicherer geltend machte, wechselte er innerhalb des Logistikzentrums seinen Arbeitsplatz. Er absolvierte eine bestimmte Schulung. Ab Beginn des Jahres 2013 war er als Ausgangsexpedient im Bereich Transport/ Transportdisposition in dem Logistikzentrum tätig. Sein Bruttomonatsgehalt veränderte sich nicht deutlich.

Der Versicherer erkannte eine Berufsunfähigkeit bis Ende 2012 an. Allerdings lehnte er weitere Leistungen aufgrund der Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Expedient ab. Der Versicherungsnehmer war jedoch der Auffassung, die beiden Tätigkeiten als Werkstattleiter und Expedient seien nicht miteinander vergleichbar. Außerdem sei er als Expedient gekündigt worden. Als solcher hätte er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich schlechtere Chancen.

OLG Hamm bejaht Verweisungsrecht des Versicherers

Der Versicherungsnehmer hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Zum einen hat er den ihm obliegenden Beweis für die behauptete fehlende Gleichwertigkeit der Tätigkeit als stellvertretender Werkstattleiter mit derjenigen des Expedienten nicht erbracht:

Übt der Versicherungsnehmer die Tätigkeit, auf die der Versicherer ihn verweisen will, jedoch tatsächlich aus (sog. konkrete Verweisung), obliegt es dem Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Verweisung nicht vorliegen, weil es an der Gleichwertigkeit des neuen Arbeitsplatzes fehlt, denn die tatsächliche Ausübung eines neuen Berufs indiziert grundsätzlich die Wahrung der bisherigen Lebensstellung.“ (OLG Hamm, Urteil v. 06.06.2016, Az. I-6 U 222/15)

Das OLG stellte jedoch auch klar, dass Verweisungsberufe ausscheiden, deren Ausübung deutlich geringe Erfahrungen und Fähigkeiten erfordern als der bisherige Beruf. Hierbei spielen auch die Wertschätzung der Berufstätigkeit in der Öffentlichkeit und die Vergütung eine Rolle.

Zudem entschied das OLG, dass eine Verweisung auf den Beruf als Expedienten auch deshalb nicht ausscheide, weil die Arbeitsstelle des Versicherungsnehmers infolge Kündigung im Juni 2015 wegegefallen sei und er als Expedient nach seiner Auffassung erheblich schlechtere Aussichten auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe. Dies könne bei der Frage hinsichtlich der Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsversicherung keinerlei Berücksichtigung finden.

Für die Frage der Gleichwertigkeit im Rahmen der konkreten Verweisung auf einen tatsächlich ausgeübten Beruf komme es nicht darauf an, ob die berufliche Tätigkeit, auf welche verwiesen werden soll, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt angeboten werde. Allein die tatsächliche Ausübung der Verweisungstätigkeit über einen prägenden Lebenszeitraum führe dazu, dass der bedingungsgemäße Versicherungsfall nicht eingetreten sei.

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Praktische Bedeutung:

Dieses Urteil folgt der bereits bestehenden Rechtsprechung. Dass bestimmte BU-Versicherer teilweise ein Verweisungsrecht gegenüber ihrem Versicherungsnehmer haben, ist bekannt.  Ebenfalls nicht neu ist, dass die Verweisungstätigkeit in Bezug auf eine soziale Wertschätzung und finanziell vergleichbar sein muss.

Das Urteil des OLG Hamm macht jedoch deutlich, dass die tatsächliche Möglichkeit der Tätigkeitsaufnahme im Sinne vor einer Arbeitsplatzverfügbarkeit nach der Verweisung keinerlei Bedeutung zukommt. Zu den Leistungspflichten aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zählt eben nicht, dass der Versicherungsnehmer vor einem Arbeitsplatzverlust geschützt wird.

Unerheblich ist, ob die Verweisungstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt angeboten wird. Der Versicherer kann somit auf Tätigkeiten verweisen, welche in der räumlichen Region des Versicherungsnehmers nicht ausgeübt werden können mangels Arbeitsstellen.

Aus diesem Grunde sollten Versicherungsvermittler diesen Aspekt des „Risikos des Arbeitsplatzverlustes“ mit in die Berufsunfähigkeitsberatung nehmen. Vermittler sollten die Kunden in der Beratung darauf hinweisen, dass dieses in einem etwaigen Leistungsfall ohne Berücksichtigung bleiben wird. Viele Versicherte erliegen sonst dem Trugschluss, dass dieser Umstand zu einer vermeintlichen Leistungsberechtigung führt. Dem ist gerade nicht so.

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte gern Ihr Ansprechpartner und steht Ihnen jederzeit unterstützend zur Seite. Die Kanzlei blickt auf eine Vielzahl von Berufsunfähigkeits-Fällen zurück und kann Ihnen mit Erfahrung und Kompetenz dienen. Gerne unterstützen wir Sie bei der außergerichtlichen Geltendmachung der BU-Leistung und auch in einem späteren Prozess gegen den Versicherer. Eine Zusammenfassung des Ablaufes eines BU-Verfahrens können Sie unserem Beitrag Berufsunfähigkeitsversicherung: Der Ablauf des BU-Verfahrens entnehmen. Soforthilfe und Tipps entnehmen Sie unserer Präsenz unter www.bu-anwalt24.de. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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