Das OLG Stuttgart zu der Thematik „Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Prämie“ mit Urteil vom 10. 9. 2015 (7 U 78/15) entschieden. Dabei betonte das Gericht, dass eine Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Nichtzahlung der Versicherungsprämie den Nachweis des Zugangs einer entsprechenden Prämienrechnung voraussetzt. Nach Versendung mit einfachem Brief besteht für den Versicherer insoweit keine Beweisnot und deshalb auch keine Beweiserleichterung.
Die Klägerin begehrt aus einem zwischen ihr und dem Versicherer geschlossenen Vertrag über eine Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung Leistungen nach einem eingetretenen Verkehrsunfall. Die Beklagte Versicherung verteidigte sich mit dem „Einwand der Leistungsfreiheit nach Rücktritt„, da sie wirksam nach § 37 Abs. 1 VVG vom Versicherungsvertrag zurückgetreten und nach § 37 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden sei, nachdem die Klägerin die Versicherungsprämie nicht bezahlt hatte. Das LG Rottweil hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte jedoch Erfolg. Der Versicherer musste zahlen.
Gemäß § 37 Abs. 1 VVG ist der Versicherer, wird die Erstprämie nicht rechtzeitig von dem Versicherungsnehmer gezahlt, solange zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt, wie die Zahlung nicht bewirkt ist, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 VVG ist der Versicherer, ist die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt, nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Voraussetzung von Rücktrittsrecht und Leistungsfreiheit ist es demnach, dass die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt worden ist, was das Ausbleiben der Leistungshandlung zum Zeitpunkt der Fälligkeit voraussetzt (vgl. etwa Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 37 Rn. 6).
Für den Streitfall ist zu beachten, dass die Erstprämie zum Zeitpunkt des Schadensereignisses fällig gewesen sein muss. Eine Fälligkeitsvoraussetzung ist der Zugang des Versicherungsscheins (s. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 33 Rn. 7, § 38 Rn. 10 ff.).
Für den Zugang des Versicherungsscheins ist der Versicherer jedoch darlegungs- und beweisbelastet! Der Beweis der reinen Absendung des Versicherungsscheins reicht nicht aus. Es liegt in der Sphäre des Versicherers derartige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Es wäre dem Versicherer zuzumuten, den Versicherungsschein – beispielsweise – durch Einschreiben mit Rückschein zu übersenden. Kann er jedoch den Zugang des Versicherungsscheins nicht beweisen, kann er sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen und bleibt in der Verantwortung.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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