Kontaktverbot durch Krankenkassen bei Kündigungshilfe von Versicherungsverträgen (OLG Dresden)

Das OLG Dresden hatte es einer gesetzlichen Krankenkasse untersagt, im Rahmen einer sogenannten Kündigungshilfe beim Wechsel der Krankenversicherung ein generelles Kontaktverbot zu initiieren (OLG Dresden v. 14.07.2015 – 14 U 584/15). Das Gericht hat damit einer typischen Vorgehensweise in der Versicherungsbranche Einheilt geboten. Die Begründung des Gerichts ist äußerst interessant.

Was war im konkreten Fall geschehen?

Eine gesetzliche Krankenkasse hatte im Internet für mögliche Neukunden ein Schreiben zur Kündigung der Mitgliedschaft bei Mitbewerbern vorformuliert und den Neukunden zur Verfügung gestellt. Dieses Schreiben enthielt die Erklärung, dass der Versicherungskunde „sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruferlaubnisse widerrufe“. Indes wurde zusätzlich aufgeführt, dass dieses auch für sogenannte „Rückwerbeversuche“ durch die Krankenkasse gelten solle.

Wie entschied das Gericht?

Das OLG Dresden entschied zunächst, dass das Bereitstellen eines Schreibens zur Kündigungshilfe grundsätzlich zulässig ist. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs. Dies gilt auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Es bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses (vgl. BGH, GRUR 1966, 263, 264 – Bau-Chemie).

Eine Hilfestellung bei einer ordnungsgemäßen Auflösung von Versicherungsverträgen sei grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig. Eine solche Dienstleistung veranlasse Verbraucher nicht unsachlich zum Abschluss eines Versicherungsvertrages (BGH GRUR 2005, 603 – Kündigungshilfe). Das Gericht hielt es ebenfalls für rechtliche zulässig, dass der neue Vertragspartner sich im Rahmen der Kündigungshilfe bevollmächtigen lasse, die Kündigungsbestätigung entgegenzunehmen, insbesondere auch deswegen, weil im Bereich des Wechsels von Krankenkassen diese Bestätigung dem neuen Versicherer vorzulegen ist.

Das OLG Dresden entschied jedoch, dass es unzulässig sei, die wettbewerbliche Entfaltung von Mitbewerbern durch ein solches Kontaktverbot zu beeinträchtigen. Demgemäß verurteilte das Gericht die Krankenkasse es zu unterlassen, mit vorformulierten, im Internet abrufbaren Schreiben zur Kündigung der Mitgliedschaft Kündigungshilfe für Dritte, insbesondere Mitglieder anderer gesetzlicher Krankenversicherungen, zu leisten, wenn die Kündigungsschreiben die Erklärung enthalten: „Sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruferlaubnisse widerrufe ich hiermit mit sofortiger Wirkung; dies umfasst auch Rückwerbeversuche.“

Das begründete seine Entscheidung wie folgt: Das Hauptziel dieses Vorgehens der Krankenlasse sei nicht die Förderung des eigenen Wettbewerbs. Stattdessen käme es ihr auf die gezielte Behinderung des Konkurrenten an. Dieses Handeln dazu führe, dass die von der Kündigung betroffene Krankenkasse ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr angemessen anbieten könne. Es werde dem Unternehmen unmöglich, sogar noch vor Wirksamkeit der Kündigung und Beendigung der Mitgliedschaft Fragen z. B. zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses sowie die Klärung von Leistungsansprüchen und Beitragsrückständen mit dem Versicherten herbeizuführen. Damit würden zulässige, den Wettbewerb fördernde Anstrengungen, gegebenenfalls auch den abgeworbenen Versicherten doch noch bei sich zu halten, in wettbewerbswidriger Weise unterbunden (vgl. BGH GRUR 2011, 1018 – Automobil-Onlinebörse).

Hinweis für die Praxis

In der Versicherungsbranche wird sehr häufig Kündigungshilfe durch Versicherungsunternehmen und / oder Versicherungsvermittler angeboten. Dieses dürfte grundsätzlich auch keine rechtlichen Bedenken begegnen. Für rechtlich unzulässig halten Gerichte jedoch ebenso häufig initiierte Kontaktverbote. Das Urteil des OLG zeigt damit, dass dieses Vorgehen – in der vorgenannten Art und Weise – zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, wenn Mitbewerbern untersagt wird zu ihren „Noch-Kunden“ Kontakt aufnehmen. Gerade dieses sei im Einzelfall sogar zwingend notwendig, zum Beispiel in einem Leistungsfall.

Vor diesem Hintergrund sollten Versicherer und Vermittler mit der gebotenen Vorsicht etwaige Neukunden bei der Umdeckung von Versicherungsverträgen unterstützen. Dabei sollte stets im Einzelfall juristisch geprüft werden, ob ein zu erteilendes Kontaktverbot zu einem Wettbewerbsverstoß führen kann.

Weiter Informationen und Rechtsprechungen finden Sie unter „Versicherungsrecht„.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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