Mit Urteil vom 25.05.2015 (Az. IV ZR 214/14) entschied der Bundesgerichtshof wiedermals, dass der Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung, mit welchem dieser den Verstoß des Anspruchsgegners begründet, bei der Bestimmung des Versicherungsfalls als maßgebend anzusehen ist.
Der körperlich schwer behinderte Versicherungsnehmer ist privat krankenversichert und stritt mit seinem Krankenversicherer um die Erstattung von umfangreichen Krankheitskosten. Der Krankenversicherer verteidigte sich in diesem Rechtsstreit, dass ihm ein Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsgnehmer zustehe, mit welchem er bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnete. Er begründete dies damit, dass der Versicherungsnehmer mit seiner Ehefrau über längere Zeit Versicherungsleistungen unter Vorlage falscher Rezepte erwirkt hatte.
Seit 2006 unterhält der Versicherungsnehmer eine Rechtsschutzversicherung. Dem Vertrag liegen die ARB 2005 zugrunde. Diese verweigerte den Deckungsschutz für den Rechtsstreit mit dem Krankenversicherer um Krankenversicherungsleistungen.
Der beklagte Rechtsschutzversicherer hält sich für leistungsfrei, weil § 3 Abs. 5 ARB 2005 Rechtsschutz bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles ausschließe. Im Übrigen sei er für die Abwehr von nicht aus einer Vertragsverletzung herrührenden Schadensersatzansprüchen nach § 3 Abs. 2a ARB 2005 nicht eintrittspflichtig. Schließlich hätten die dem Kläger und seiner Ehefrau angelasteten Rezeptmanipulationen schon vor Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages begonnen, insoweit liege ein vorvertraglicher Dauerverstoß vor.
Das Landgericht hat die Klage unter anderem wegen Vorvertraglichkeit des dem Kläger angelasteten Pflichtenverstoßes und wegen des Leistungsausschlusses aus § 2 a ARB 2005 abgewiesen (LG Düsseldorf v. 15.11.2012 – 11 O 237/12). Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Düsseldorf v. 25.02.2014 – 4 U 236/12). Mit der vom Senat beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in diesem Umfang weiter.
Einleitend weist der BGH in seinem Urteil auf seine früheren Entscheidungen hin, wonach bei Geltendmachung von Ansprüchen durch den Versicherungsnehmer für die Festlegung der Pflichtverletzung, die den Versicherungsfall maßgeblich kennzeichnet, allein der anspruchsbegründende Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers entscheidend ist:
Der BGH macht auch in diesem Urteil deutlich, dass für die Bestimmung des Versicherungsfalls unerheblich ist, was der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet.
Nach Auffassung des BGH steht daher dem Rechtsanspruch des Versicherungsnehmers vorliegend die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen nicht entgegen. Denn der Versicherungsnehmer begehrt nicht Rechtsschutz für die Abwehr eines Schadensersatzanspruchs, sondern für die Durchsetzung eigener vertraglicher Ansprüche gegenüber seinem Krankenversicherer.
Laut BGH scheitere der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht an der Vorvertraglichkeit. Entscheidend sei nicht, wann die Rezeptmanipulationen begonnen haben, sondern nur, wann der Krankenversicherer Leistungen verweigert hat. Denn nur auf diesen mutmaßlichen Vertragsverstoß stützt der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren. Und dieser Vertragsverstoß lag in rechtsschutzversicherter Zeit.
Mit dieser Entscheidung führt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Bestimmung des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung fort (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.4.2014 – IV ZR 47/13; BGH, Urt. v. 24.04.2013 – IV ZR 23/12). Auch in diesem Urteil entschied der BGH zu Lasten der Rechtsschutzversicherung, weil es allein auf die Fallschilderung des Versicherungsnehmers ankommt.
Der Tatsache, dass von Rechtsschutzversicherern häufig der Einwand der Vorvertraglichkeit erhoben wird, wird mit dieser Entscheidung wieder einmal Grenzen gesetzt. Wie auch im Urteil des BGH vom 24.04.2013 – IV ZR 23/12 stellt der BGH vorliegend auf die Rolle des Versicherungsnehmers im Verfahren ab: Es kommt nur auf den vom Versicherungsnehmer behaupteten Verstoß des Gegners an.
Die Entscheidung ist im Ergebnis absolut nachvollziehbar. Maßgeblich für den Eintritt des Rechtschutzfalls muss der Tatsachenvortrag des Versicherten sein. Denn ansonsten würde die Deckung durch die Rechtsschutzversicherung von Tatsachen abhängig sein, die sich möglicherweise erst in einem laufenden Versicherungsprozess ergeben.
Begehrt der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für die Verfolgung eigener Ansprüche (Aktivprozess), so richtet sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs die Auslösung des Rechtsschutzfalles allein nach der von ihm behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners, auf die er seinen Anspruch stützt. Liegt also die Pflichtverletzung in der versicherten Zeit, so steht dem Versicherungsnehmer ein Deckungsanspruch aus seinem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu.
Bevor es also zu einem Versicherungsfall kommt, sollten Versicherte dringend eine Rechtsschutzversicherung abschließen. Ebenfalls ist Versicherungsvermittlern zu raten, den Kunden den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung frühestmöglich anzuraten. Denn ist der Versicherungsfall bereits eingetreten und hat der Versicherte zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsschutzversicherung, so muss der Versicherte Rechtsanwaltskosten und Prozesskosten aus eigener Tasche bezahlen. Dieses kann in Versicherungsprozessen – zum Beispiel bei einem Rechtsstreit mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung – sehr teuer werden.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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